Datenschutz-Klage gegen Facebook:Verzetteln in Europa

Der Österreicher Max Schrems will einen Prozess gegen Facebook führen. Noch ist unklar, ob er das in Wien darf. Dennoch ist der Kampf von Schrems nicht vergebens.

Von Varinia Bernau

Mark Zuckerberg gibt gern den Weltverbesserer. Den genialen Tüftler, der die ganze Menschheit vernetzen will. Doch Zuckerberg ist nicht mehr der Student, der einst im Internat das soziale Netzwerk Facebook ausgeheckt hat. Er ist inzwischen der Chef und auch der größte Anteilseigner eines börsennotierten Konzerns. Und dem geht es immer auch ums Geschäft.

Dies ist wichtig, um den Streit über den Datenschutz zu verstehen, den Facebook derzeit mit dem Aktivisten Max Schrems vor dem Landgericht Wien austrägt. Facebook verdient sein Geld wie alle Internetunternehmen vor allem mit Werbung. Ebenso wie Google, ein anderer Konzern, der immer wieder in der Kritik steht, sich beim Sammeln von Daten über geltendes Recht hinwegzusetzen.

Deshalb sind diese Internetfirmen so gierig darauf, die Menschen so genau wie möglich digital zu vermessen: Je genauer Facebook seine Mitglieder kennt und Google all die Menschen, die seine Suchmaschine, sein Kartenmaterial oder seinen E-Mail-Dienst nutzen, desto passgenauer können diese Unternehmen Werbung zuschneiden - und so noch mehr Geld verdienen. Desto genauer können sie ihre Dienste aber auch an die Bedürfnisse und Gewohnheiten der Menschen anpassen - und so noch mehr Nutzer gewinnen. Wer in der Welt des Internets groß werden will, der muss also schnell sein - und mitunter auch mal dreist.

Prozess in Österreich oder in Irland?

Die Mittel, zu denen der Jurist Max Schrems gegriffen hat, um seine Rechte gegen Facebook zu verteidigen, unterliegen einer gänzlich anderen Logik: Der 27-Jährige wirft dem US-Unternehmen vor, die Gewohnheiten der 1,4 Milliarden Mitglieder auszuspähen und persönliche Daten weiterzugeben. Dem Verfahren haben sich weltweit 25 000 Menschen angeschlossen. Sie haben ihre Ansprüche an Schrems abgetreten - der mit diesem Kniff eine Art Sammelklage erhebt.

Zum Auftakt am Donnerstag ging es aber zunächst nur um die Frage, ob Schrems wirklich als Verbraucher auftritt. Davon hängt ab, ob der Prozess wirklich in Wien geführt wird. Nur ein Verbraucher hat das Recht auf ein Gerichtsverfahren in seiner Heimat. Sonst muss in Irland geklagt werden, dort also, wo Facebook seine europäische Niederlassung hat. Dort sind die Prozesskosten allerdings hoch - und die Datenschutzstandards niedrig. "In Irland bin ich in 25 Jahren nicht durch. Das ist zeitlich und finanziell nicht tragbar", sagte Schrems nun vor Gericht.

Ihre Entscheidung über die Zuständigkeit will die Wiener Richterin in den nächsten Wochen schriftlich mitteilen. Vor Gericht geht es langsamer zu als in der Internetwirtschaft: Die ersten Beschwerden, die Schrems bereits 2011 bei einer irischen Behörde eingereicht hatte, mussten geprüft; das Verfahren, das er nun in Wien führen will, muss verhandelt werden. Seit Schrems seinen Kampf aufgenommen hat, konnte Facebook seinen Umsatz verdreifachen - und weltweit 600 Millionen neue Mitglieder gewinnen. Facebook hat seine Macht also ausgebaut, während Schrems immer noch nicht weiß, welches Gericht für seinen Fall zuständig ist.

Wust von länderspezifischen Datenschutzregeln

Dennoch ist der Kampf von Schrems nicht vergebens. Gerade weil sich amerikanische Anbieter immer wieder über europäisches Recht hinwegsetzen und so tun, als könnten sie die Spielregeln allein festlegen, ist es wichtig, dass Menschen wie Schrems ihnen Grenzen aufzeigen. Ähnlich wie es dem Spanier Mario Costeja González im vergangenen Jahr gelungen ist, Google ein Recht auf Vergessen abzuringen. Auch wenn das Urteil im Fall von Schrems noch aussteht: Schon jetzt hat er eine wichtige Debatte angestoßen - und daran erinnert, dass nicht nur die Verbraucher all die Internetdienste benötigen, sondern die Anbieter auch all die Verbraucher.

Doch das zähe Ringen zeigt auch, dass sich Europa dringend auf eine Datenschutzgrundverordnung einigen muss. Statt den Konzernen gemeinsam die Stirn zu bieten, verliert sich der Kontinent im Klein-Klein. Jedes Mitgliedsland hat eigene Datenschutzregeln, so dass die Firmen diese leicht gegeneinander ausspielen können. Und die Strafen, die sie bei Verstößen verhängen können, sind viel zu niedrig: Ein Bußgeld von bis zu 300 000 Euro lässt einen Konzern wie Google, der an einem einzigen Tag mehr als das Hundertfache verdient, nicht zittern. Eines, das fünf Prozent des Jahresumsatzes beträgt, wie es der Entwurf der EU-Verordnung vorsieht, schon. So lange Brüssel diese aber nicht verabschiedet, bleiben Menschen wie Schrems oder Costeja González die kleinen Idealisten, die sich an den übermächtigen US-Konzernen abarbeiten.

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