Umweltschutz:Deutschland stößt viel mehr Ammoniak aus als gedacht

  • Seit 2010 dürfen EU-Länder nur mehr 550 000 Tonnen Ammoniak im Jahr emittieren.
  • Deutschland lag von 2010 bis 2013 jedes Jahr mindestens 100 000 Tonnen über dieser Marke.
  • Das Gas schädigt Boden, Pflanzen und Klima. Es entsteht hauptsächlich durch den Mist der Viehwirtschaft.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Ammoniak hat einen beißenden Geruch, der einem den Atem rauben kann. Menschen, die in der Nähe einer Hühnerfarm wohnen, kennen ihn und leiden oft darunter. Es ist der Geflügelmist, der so stinkt. Aber auch in der Rinder- und Schweinehaltung wird Ammoniak freigesetzt. Jetzt stellt sich heraus: Die Ammoniak-Emissionen der deutschen Landwirtschaft überschreiten seit Jahren die erlaubten Höchstgrenzen. Das geht aus der Antwort des Bundesumweltministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Demnach lagen die Emissionsmengen in Deutschland in den Jahren 2010 bis einschließlich 2013 jeweils deutlich über 600 Kilotonnen, 2011 sogar bei 675 Kilotonnen. Laut EU hätten jedoch 550 Kilotonnen nicht überschritten werden dürfen. "Dass die Lage so dramatisch ist, hatte sich keiner ausgemalt", sagt Bärbel Höhn (Grüne), Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag. "Jetzt ist klar, dass viel konsequentere Maßnahmen zur Emissionsminderung ergriffen werden müssen."

Aprilwetter

Symbolbild.

(Foto: dpa)

Berechnungen internationalen Standards angepasst

Ammoniak schädigt die Umwelt gleich in mehrfacher Hinsicht. Es macht den Boden sauer, kann Pflanzen und Wälder schädigen und belastet indirekt das Klima, weil etwa zwei Prozent des eingetragenen Ammoniaks zu Lachgas umgewandelt wird, welches in die Atmosphäre entweicht. Nach Angaben des Umweltbundesamts entstehen die Ammoniak-Emissionen zu 95 Prozent in der Landwirtschaft und dort vor allem in der Tierhaltung.

Seit 2010 dürfen in Deutschland nur noch maximal 550 Kilotonnen Ammoniak emittiert werden. Dazu hat sich der Bund gegenüber der EU verpflichtet. Überprüft wird das anhand der Emissionsmengen, die die Bundesregierung jährlich nach Brüssel meldet. Dass Deutschland noch keinen Ärger bekommen hat angesichts der ständigen Grenzwert-Überschreitungen, hat einen einfachen Grund: Die Bundesregierung hatte für die Jahre 2010 bis 2013 zunächst deutlich geringere Ammoniak-Emissionen gemeldet. Sie lagen fast durchgehend unter 550 Kilotonnen. Weil man inzwischen jedoch auf "internationale Standards" umgestellt habe, hätten die Zahlen neu berechnet werden müssen, sagt ein Sprecher des Umweltministeriums. Und diese neuen, deutlich höheren Zahlen wurden erst im vergangenen Dezember nach Brüssel gemeldet. Ob und wie die EU darauf reagiert, ist noch offen. Für die Grünen-Politikerin Höhn ist jedoch viel entscheidender, wie der Bund selbst darauf reagiert, dass in Deutschland viel zu viel Ammoniak emittiert wird. "Wir fordern umgehend Aufklärung darüber, welche Überlegungen im Umwelt- und Landwirtschaftsministerium seit Dezember angestellt wurden, um die vereinbarte Höchstgrenze einzuhalten", sagt sie.

"Viel zu viele Tiere in viehdichten Regionen"

Das Umweltministerium reagiert prompt. Die Neuberechnung habe gezeigt, dass die Ammoniakemissionen in Deutschland in den letzten Jahren deutlich über der zulässigen Höchstmenge lagen, sagt Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. "Der Handlungsbedarf ist offensichtlich. Das bestärkt uns, die Düngeverordnung jetzt schnell auf den Weg zu bringen und so zu gestalten, dass die Landwirtschaft die Ammoniak-Emissionen nachhaltig absenkt." Grünen-Umweltpolitikerin Höhn reicht das jedoch nicht. "Die Geflügelbestände sind in den letzten Jahren explodiert", kritisiert sie. "Insgesamt sind in den viehdichten Regionen . Das halten die Ökosysteme nicht länger aus." Man müsse dringend zu einer anderen Landwirtschaft zurückkehren. "Wo schon heute zu viele Tiere in einer Region sind, dürfen keine weiteren Stallbauten mehr genehmigt werden."

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