Heimsieg gegen den BVB:Gladbach ist jetzt Borussia Nummer eins

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Sebastian Kehl versucht Patrick Herrmann aufzuhalten - ohne Erfolg. Der Gladbacher bereitet zwei Tore vor. (Foto: REUTERS)
  • Borussia Mönchengladbach ist im Duell der Borussias gegen Dortmund das klar bessere Team und gewinnt 3:1.
  • Entscheidender Akteur ist Patrick Herrmann, der zwei Tore mit vorbereitet. Das Team von Lucien Favre festigt den dritten Platz und darf auf die direkte Qualifikation für die Champions League hoffen.
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Von Sebastian Fischer, Mönchengladbach

Max Eberl wollte eigentlich nichts sagen, er wollte es bei diesem breiten Grinsen belassen, mit dem er den Reportern am Samstagabend entgegenblickte. Er brauchte ja auch gar nicht viel zu sagen, das Spiel von Borussia Mönchengladbach, der 3:1-Sieg gegen Borussia Dortmund hatte für sich gesprochen, für die Champions-League-Ambitionen, die den Gladbachern nun sechs Spieltage vor Saisonende kaum noch streitig zu machen sind. Eberl sagte dann doch etwas, lächelnd: "Die Konkurrenten scheinen sich etwas schwerer zu tun als wir zurzeit."

Was auch rechnerisch feststand am Samstagabend, war weniger bedeutend als Qualifikationsplätze für die Champions League, aber trotzdem aussagekräftig. Gladbach wird diese Saison vor dem BVB landen, das gelang zuletzt 1991. 20 Punkte Vorsprung haben die Gladbacher. Die Aussage: Borussia Dortmund ist gerade kein ebenbürtiger Gegner für Borussia Mönchengladbach. Das Aus im DFB-Pokal gegen den Drittligisten Bielefeld am Mittwoch hatte das beinahe makellose Bild, was sich in Gladbach von dieser Saison abzeichnete, ja ein wenig zerkratzt. Doch "die Enttäuschung musste weichen", sagte Manager Max Eberl vor dem Spiel am Samstag.

Die Gladbacher Vereinshymne war kaum verklungen, da war die Enttäuschung schon Jubelarien gewichen. Gladbachs Patrick Herrmann lief auf die Dortmunder Abwehr zu, sie war völlig unsortiert. Herrmann dribbelte, spielte einen Doppelpass mit Raffael, einen Querpass auf Max Kruse. Zunächst konnte Roman Weidenfeller noch parieren, im Nachschuss traf Oscar Wendt. 29 Sekunden waren da gespielt. Was danach geschah, in 90 erinnerungswürdigen Minuten, war symptomatisch für die so unterschiedlichen Spielzeiten beider Mannschaften. Der BVB kombinierte und kontrollierte, hatte streckenweise über 60 Prozent Ballbesitz. "Dortmund war besser, spielerisch", sagte Gladbachs Trainer Lucien Favre, um hinterher zu betonen: "Der Sieg war trotzdem verdient." Während Dortmund sich die Räume selbst zuzulaufen schien, machte Gladbach genau das Gegenteil: wartete, bis sich Platz zum Kontern ergab - und nutzte ihn konsequent.

Was Herrmann "angestippselt" nennt, findet Favre "fantastique"

Die Szene des Spiels lief später auf allen Bildschirmen, die 32. Minute. Gladbach hatte mit massiver Verteidigungsarbeit mal wieder den Ball gewonnen. Herrmann erfasste die Situation und lief einfach los, sprintete, vorbei am zweiten, dritten Dortmunder, aus der eigenen Hälfte bis in den gegnerischen Strafraum, am vierten, auch Neven Subotic konnte ihm nicht folgen. Herrman legte auf Raffael quer, der traf zum 2:0. Und Herrmann, der vor eineinhalb Wochen seinen Vertrag in Gladbach verlängert hat, war spätestens jetzt, nach seinem 13. Scorerpunkt der Saison, mal wieder der Spieler des Tages. "Natürlich waren andere Vereine an mir interessiert", erklärte Herrmann. Auch Dortmund? "Nö", sagte Jürgen Klopp später schlicht, was nicht seine Meinung vom Gladbacher widerspiegelte, sondern vielmehr seine Laune.

Nach dem Spiel stand Herrmann neben einem der Fernseher, auf dem das Tor, das eigentlich seines war, mal wieder aus allen Winkeln gezeigt wurde. Und der Saarländer, er ist ja erst 24 und zudem ein eher zurückhaltender Gesprächspartner, lief ein wenig rot an. "Ich habe den Ball immer wieder angestippselt, als ein Gegenspieler kommen wollte. Und dann habe ich die auf dem falschen Fuß erwischt, glaube ich. Und dann war der Weg zum Tor frei." Es war eine sehr bescheidene Schilderung eines Kunstwerks. Denn was Herrmann "anstippseln" nannte, war Ballführung eng am Fuß bei höchster Geschwindigkeit. Sein Trainer Favre, der Fußballästhet, wusste das zu würdigen. "Fantastique", sagte er.

Ähnlich beeindruckend war jedoch auch, wie Favres Taktik gegen den BVB 90 Minuten lang funktionierte. Auch nachdem Jürgen Klopp in der Halbzeit auf Dreierkette umstellte — Marcel Schmelzer spielte Linksaußen anstatt Linksverteidiger -, wirkte die Gladbacher Abwehr ohne ihren verletzten Chef Martin Stranzl gefestigt, auch wenn die Dortmunder ein paar Minuten lang so konsequent über die Flügel angriffen wie noch im DFB-Pokal unter der Woche. Einmal hatte Favres Team Glück, als in der 50. Minute mal ein Angriff der Dortmunder bis zum letzten Zug gelang. Henrikh Mkhitaryan spielte Marcel Schmelzer frei, seine Flanke fand Shinji Kagawa. Doch der Japaner stolperte im Fünfmeterraum über den Ball.

"Auf Dortmund haben wir gar nicht mehr geschaut"

In der 67. Minute ergab sich dann aus einem der zahlreichen Gladbacher Konter eine Ecke. Havard Nordtveit stand ganz alleine vor Weidenfeller, es war das Ergebnis Dortmunder Unachtsamkeit und Gladbacher Gedankenschnelligkeit, es war das 3:0, die Entscheidung. Nordtveit wuchtete den Ball mit seinem rechten Fuß unhaltbar ins Netz. Die Gladbacher konnte sich erlauben, danach nicht mehr so konzentriert zu verteidigen. Zwar wird dann schnell offensichtlich, dass kleine Nachlässigkeiten im Favre-System aus einer Spitzenmannschaft eine recht gewöhnliche machen — doch für den BVB reichte es nur zum 1:3 durch Ilkay Gündogan in der 77. Minute.

Gladbach, die bessere Borussia? "Auf Dortmund haben wir gar nicht mehr geschaut", sagte der Gladbacher Mittelfeldspieler Granit Xhaka, die Frage überraschte ihn. Und auch Max Eberl hat nicht Borussia Dortmund gemeint, als er am Samstagabend über die Gladbacher Konkurrenten gesprochen hat.

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