Streit bei französischem Satiremagazin:"Charlie Hebdo" und das "Gift der Millionen"

Die neue Ausgabe von "Charlie Hebdo" liegt in einem Kiosk in Paris aus.

Wem gehört Charlie Hebdo? Beim plötzlich reichen Satireblatt ist ein Streit ausgebrochen.

(Foto: dpa)
  • Beim französischen Satiremagazin Charlie Hebdo haben sich zwölf Redaktionsmitglieder zusammengetan: Sie fordern eine Führungsbeteiligung.
  • Sie plädieren für das Modell einer Genossenschaft und verlangen eine angemessene Mitbestimmung.
  • Der Verdacht, dass es ihnen ums Geld geht, drängt sich auf. Seit dem Attentat auf die Redaktion soll Charlie Hebdo 30 Millionen Euro eingenommen haben.

Von Joseph Hanimann

Keiner will vom Geld reden, aber das Thema drängt sich auf. Drei Monate nach dem Attentat auf Charlie Hebdo ist das Klima in der Redaktion gespannt. Vor drei Wochen gelangte eine E-Mail an die Agentur Agence France Press. Die Nachricht: Ein Dutzend Redaktionsmitglieder hätten sich zusammengetan mit der Forderung, fortan an der Führung des Satireblattes beteiligt zu werden. Es ginge ihnen nicht ums Geld, betonten die Ungeduldigen gegen den Vorwurf, sie schielten auf die angeblich 30 Millionen Euro, die seit dem Attentat aus Spenden und Verkaufseinnahmen eingegangen waren.

Gerade dieser Verdacht sitzt aber fest und veranlasste die Mitarbeiter, zu denen bekannte Zeichner wie Luz, Willem und auch einige beim Angriff Verletzte gehören, jetzt auch öffentlich Stellung zu nehmen. "Wie entkommt man dem Gift der Millionen?", fragen sie in einem Beitrag für Le Monde und geben die Antwort: indem das Blatt seine undurchschaubare Führungsstruktur kläre.

Satire zwischen Depression und Streitsucht

Das Thema ist nicht neu, seit Jahren sorgt es für Kontroversen in der Redaktion. Das Unternehmen Charlie Hebdo gehört zu 40 Prozent dem Zeichner und heutigen Chefherausgeber Riss, zu 40 Prozent den Erben des getöteten Chefredakteurs Charb und zu 20 Prozent dem Finanzdirektor Eric Portheault. Strategische Fragen werden im Mitarbeiterkreis zwar diskutiert, dann aber ohne Rücksprache von der Geschäftsführung entschieden. Besonderes Gehör findet nur der seit Jahren für die Zeitung tätige Rechtsanwalt Richard Malka.

Nun sei die Zeit gekommen, diese anarchisch-unternehmerische Funktionsweise in ein geordnetes System kollektiver Verantwortung zu überführen, finden die kritischen Redakteure und plädieren für das Modell einer Genossenschaft. Sie allein gewährleiste den Geist von Charlie Hebdo auf der Grundlage von Unabhängigkeit, Offenheit und Transparenz: ein Erbe, das nach dem Drama und der dadurch errungenen Berühmtheit des Blattes fortan von allen Mitarbeitern getragen werden müsse.

Die Unterzeichner des Artikels betonen, sie suchten keine direkte Gewinnbeteiligung: Entscheidend sei allein eine angemessene Mitbestimmung. Nachgedacht wird unter anderem über einen Verein aus Mitarbeitern, Lesern und Sympathisanten. Die Geschäftsführung hält die Debatte aber für verfrüht. Noch sei die neue Geschäftslage nicht überschaubar, die Entschädigung für die Verletzten und die Angehörigen der Toten nicht abgeschlossen.

So sucht das Satireblatt zwischen Depression, Streitsucht und trotzigem Überlebensmut einen neuen Alltag zu finden und hört hartnäckig über die Kassandrarufe wie jene des ehemaligen Chefredakteurs Philippe Val hinweg, der lautstark klagt, die Terroristen hätten schon gewonnen, denn in seiner Abgeschiedenheit zwischen Polizeischutz und Beutegeiern hätte ein freches Blatt wie Charlie Hebdo auf Dauer keine Zukunft.

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