Recht im Internet:Wer für Beleidigungen im Netz verantwortlich ist

  • Üble Nachrede kann im Internet jeden treffen. Juristen arbeiten daran, das Medienrecht anzupassen.
  • Wenn die Urheber anonym sind, sollen oft die Anbieter handeln. Allerdings lässt sich oft schwer entscheiden, ob eine Äußerung rechtswidrig ist.
  • Auch die Löschung von Einträgen birgt Probleme.

Von Wolfgang Janisch

Als Justine Sacco in London ins Flugzeug stieg, twitterte sie: "Ich fliege nach Afrika. Hoffe, ich bekomme kein Aids. Nur Spaß. Ich bin weiß!" Als sie in Kapstadt ausstieg, war bereits ein Shitstorm gegen ihren als rassistisch interpretierten Tweet losgebrochen - am Ende war sie ihren Job als Pressechefin eines US-Medienkonzerns los. Im Netz verbreiten sich Nachrichten "viral", lautet das Fazit des Kölner Professors Karl-Nikolaus Peifer.

Peifer erzählte diese Episode bei einer Tagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit, um zu demonstrieren, was jeder ahnt: Der gute Ruf ist im Netz ganz besonderen Risiken ausgesetzt - und sei es wegen der eigenen Unvorsichtigkeit. Das digitale Gedächtnis ist gnadenlos. 2012 hatte ein französisches Gericht die Verbreitung der Oben-ohne-Fotos von Kate Middleton gestoppt. Doch wer sie finden will, benötigt nur wenige Klicks. "Die Privatsphäre ist im Internet etwas Zerbrechlicheres als in der analogen Welt", sagt Peifer.

Rechte und Pflichten der Anbieter

Die Berliner Tagung zeigte: Die Juristen sind längst dabei, die Regeln des Medienrechts für das Internets passend zu machen. Der Europäische Gerichtshof hatte vergangenes Jahr mit seinem Urteil zum "Recht auf Vergessen" eine spektakuläre Wegmarke gesetzt. Google musste den Link zu einem alten Zeitungsartikel löschen, der einen Spanier in den Ruch des Dauer-Pleitiers gebracht hatte. Damit hat das Gericht eine Brücke geschlagen über die Kluft, die sich zwischen alter und neuer Welt auftut: Nicht nur der Urheber einer Nachricht kann haftbar gemacht werden, sondern auch, wer mit einer Suchmaschine zur Verbreitung von Inhalten beiträgt.

Das Augenmerk der Juristen richtet sich also auf die "Intermediäre", auf die Betreiber von Plattformen, Bewertungsportalen oder eben Suchmaschinen, die "massenmediengleiche Wirkung" erzielen, wie Tagungsleiter Rolf Stürner anmerkte. Wenn es gilt, üble Nachrede und Beleidigungen aus dem Netz zu tilgen, fällt dem Vermittler die zentrale Rolle gleichsam mangels Alternative zu - die Urheber bleiben oft anonym. Drum hält man sich an den, der damit Geld verdient. Weil der Vermittler für die Inhalte erst einmal nichts kann, genießt er ein Haftungsprivileg. Jedenfalls, solange er nichts von einer Rechtsverletzung weiß. Danach muss er handeln, das hat der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden. Das ist vergleichsweise einfach, wenn es etwa um gefälschte Markenprodukte auf Ebay geht; ein Unternehmen beschwert sich, Ebay reagiert.

Der Anbieter muss entscheiden - viele zweifeln, ob das gut ist

Komplizierter ist der Umgang mit unflätigen Kommentaren oder inkriminierenden Halbwahrheiten. Oft lässt sich eben nicht auf einen Blick feststellen, ob eine Äußerung rechtswidrig oder erlaubt ist. Google etwa prüft die Löschungsanträge Betroffener anhand eines Kriterienkatalogs, aber das Verfahren ist problematisch: Der Urheber der Nachricht, beispielsweise ein Newsportal, darf bei der Löschung bisher nicht mitreden, obwohl auch seine Interessen betroffen sind. Irgendwann werden darüber wohl die Gerichte entscheiden.

Dass die Prüfpflichten der Provider durchaus anspruchsvoll sein können, zeigt das Blogspot-Urteil des BGH von 2011. Dort ging es um einen Blogeintrag, in dem ein Bankangestellter bezichtigt wurde, mit der Firmen-Kreditkarte Sexclub-Rechnungen beglichen zu haben. Der Betroffene klagte gegen den Betreiber, der die technische Infrastruktur vorhielt. Laut BGH muss der Anbieter in solchen Fällen Stellungnahmen der Beteiligten einholen - falls der potenzielle Rechtsverstoß "unschwer" zu erkennen ist. "Unschwer" zu erkennen sei in diesen Fällen aber fast nichts, kritisierte der Hamburger Rechtsanwalt Jörg Wimmers: "Da wird Verantwortlichkeit vorverlegt."

Und dann sind da noch die technischen Grenzen solcher Tilgungsversuche. Bettina Wulff hatte bei Google durchgesetzt, dass in der "Autocomplete"-Funktion der Suchmaske hinter ihrem Namen keine Prostitutionsgerüchte mehr auftauchen dürfen. Peifer hat es einmal mit "Wulff Ehefrau" versucht - die Suchmaske schlägt bis heute "Prostitution" und "Escort Service" vor.

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