Geert Wilders zu Gast bei Pegida:Original trifft Kopie

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Geert Wilders bedient das Bedürfnis eines Publikums, das nach einer radikalen Alternative sucht. Nun ist er der Einladung von Pegida nach Dresden gefolgt. (Foto: AFP)

Geert Wilders, die blonde Ein-Mann-Anti-Islam-Partei aus den Niederlanden, kommt nach Dresden. Pegida erhofft sich viel von dem Besuch. Doch Wilders' große Zeit ist vorbei.

Von Thomas Kirchner

Geert Wilders ist das Original. Kein europäischer Politiker hat sich dem Kampf gegen den Islam so früh und so radikal verschrieben wie der Niederländer. Seit 1998, als der 1963 geborene Mann aus Venlo ins Parlament einzog und die politische Bühne der Niederlande betrat, agitiert er gegen diese Religion, die er als solche gar nicht anerkennt. Er verdammt sie als "totalitäre Ideologie", vergleichbar dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus. Und weil er auch noch die "Masseneinwanderung" nach Europa beklagt, sich selbst als Patrioten und Verfechter des Nationalstaats bezeichnet und die EU bei jeder Gelegenheit kritisiert, passt er perfekt zu den Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes.

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Pegida hatte offenbar schon länger geplant, den Niederländer einzuladen, aber erst jetzt, nach dem Wiederaufstieg von Lutz Bachmann und einer zunehmenden Radikalisierung der Bewegung, kommt die Zusammenarbeit zustande. Pegida verspricht sich viel von dem Gast, 30.000 Menschen sollen nach Dresden kommen. Zuletzt hatten noch etwa 7000 an den "Abendspaziergängen" teilgenommen. Nicht zuletzt erhofft sich die Bewegung wohl wieder etwas mehr Aufmerksamkeit seitens der Medien.

Wilders ist kein lockerer Typ, er redet ohne Witz und Ironie

Wilders kann, noch immer, Massen bewegen, er hat Strahlkraft. Nicht weil er besonders gut reden könnte. Der blondgefärbte Sohn eines Niederländers und einer Indonesierin ist kein lockerer Typ, seine Ansprachen haben weder Witz noch Ironie, sie sind eher trocken und technokratisch. Was seinen Anhängern gefällt, sind die Hartnäckigkeit, mit der er seine Ziele verfolgt, und die Schärfe, die er immer wieder in den Diskurs bringt. Er macht das gezielt, er provoziert bewusst.

Etwa mit dem islamkritischen Videofilmchen, das ihm vor Jahren ein langwieriges, letztlich ergebnisloses Rassismusverfahren und jede Menge Publicity einbrachte. Oder mit der Forderung, alle Musliminnen, die ein Kopftuch tragen wollen, 1000 Euro im Jahr zahlen zu lassen. Oder mit dem Auftritt nach den letztjährigen Kommunalwahlen, als er Anhängern die rhetorische Frage stellte, ob sie mehr oder weniger Marokkaner im Land haben wollten. Diese Provokationen, die ewig wiederholten patriotischen Sprüche, seine Warnung vor "kulturellem Relativismus", das alles bedient das Bedürfnis eines Publikums, das sich von den etablierten Parteien und Medien abgewandt hat und nach einer radikalen Alternative sucht.

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Allerdings könnte es sein, dass die ganz große Zeit des Geert Wilders vorbei ist. Wenn es vor einigen Jahren noch - zu Recht - hieß, er stelle für die Niederländer eine "nationale Obsession" dar, dann stimmt das heute nicht mehr. Es ist ruhiger geworden um ihn. Überraschenderweise kann er von der nicht endenden Krise Europas weniger stark profitieren, als viele dachten. Seine Partei für die Freiheit (PVV) hatte einige Enttäuschungen zu verkraften in den vergangenen Jahren. Eine Weile ließen Umfragen erwarten, sie könne zur dominierenden Kraft im Parlament aufsteigen, aber bei den beiden jüngsten Wahlen zur Tweede Kamer kam sie nur auf Platz drei. Bei den Kommunalwahlen und zuletzt bei den Regionalwahlen gingen die Wähleranteile trotz gegenteiliger Prognosen leicht zurück. Gegenwärtig sehen Umfragen die PVV wieder auf Platz drei hinter Rechts- und Linksliberalen.

Die niederländische Politik setzt auf Konsens. Wilders nicht

Von 2010 bis 2012 tolerierte Wilders ein christlich-liberales Minderheitenkabinett unter dem noch immer amtierenden Ministerpräsidenten Mark Rutte. Die Machtposition, die er damals implizit innehatte, markierte vermutlich den Höhepunkt seines realen politischen Einflusses. Er gab sie preis, weil er spürte, dass er zu viele Kompromisse machen musste. Die Politiker in Den Haag lernten damals, was sie eigentlich schon gewusst hatten: dass Wilders nicht zu trauen ist. Ihm geht es um sein Projekt, den Kampf gegen den Islam und gegen Europa, und nicht um Koalitionen, Kompromisse und das mühsame Bohren dicker Bretter. Er passt insofern eigentlich nicht in die niederländische politische Kultur, die auf Konsens und Zusammenarbeit beruht. Aber im Grunde wollte er das auch nie. Man darf annehmen, dass sich Wilders an künftigen Machtspielen in Den Haag nicht mehr beteiligen und stattdessen als "nicht-konstruktive Opposition" versuchen wird, von außen zu wirken.

Man kann diesen scheinbaren Niedergang aber auch anders sehen: Wilders ist zum festen Bestandteil der niederländischen Politik geworden. Die PVV hat sich als eine von fünf oder sechs Parteien etabliert, die einen Stimmenanteil von jeweils 10 bis 20 Prozent erreicht. Auch sein Gedankengut hat sich teilweise festgesetzt in der Öffentlichkeit. Über Einwanderungs- und Europathemen wird in den Niederlanden schärfer und tabuloser diskutiert als etwa in Deutschland. Das ist allerdings keineswegs nur Wilders' Verdienst, wenn man es so nennen will, sondern Ausdruck einer viele Parteien umfassenden Bewegung, die sich gegen die stark ausgeprägte Toleranz und Offenheit des Landes richtet.

Besonders wichtig ist Wilders die internationale Vernetzung

Besonders wichtig scheint Wilders in jüngster Zeit die internationale Vernetzung zu sein. Er versucht weltweit Bündnisse mit Gleichgesinnten zu schmieden und profitiert dabei von seinen guten Beziehungen zur neokonservativen, islamfeindlichen Szene in den USA. In Europa versucht er, die Beziehungen zu den Freiheitlichen in Österreich, zum belgischen Vlaams Belang, der italienischen Lega Nord und dem Front National auszubauen. Obwohl erklärter Freund der Juden und Israel-Fan, ist er sogar bereit, offenen Antisemitismus mancher dieser Partner zu tolerieren. Erst vor zwei Wochen hielt er, auf Deutsch, eine Rede auf einem Kongress der FPÖ in Wien, der unter dem Motto "Europas Bedrohung durch die Islamisierung" stand.

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Trotz allem bleiben gravierende Differenzen zwischen den verschiedenen rechtspopulistischen Strömungen. Die britischen EU-Kritiker von Ukip zum Beispiel oder die Alternative für Deutschland weigern sich, mit der PVV in ein Boot zu steigern. Wilders' Versuch, nach den jüngsten Europawahlen eine rechtspopulistische, radikal EU-kritische Allianz zu schmieden, ist gescheitert.

Schon zweimal ist er in Berlin aufgreteten, jeweils auf Einladung des ehemaligen CDU-Politikers René Stadtkewitz, der eine Art deutsche Version der PVV im Sinn hatte. Seine "Freiheit" kam aber nur auf ein Prozent bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus, Wilders half da wenig, das deutsche Publikum konnte mit seiner Islamfeindschaft wenig anfangen. Das war allerdings in den Zeiten vor Pegida. Viel zum gegenseitigen Verständnis und zur grenzüberschreitenden Vernetzung hat auch der deutsche Islamkritiker-Blog PI-News beigetragen.

Die PVV ist keine Partei, sondern ein Mobilisierungsinstrument

Was Wilders wirklich von Demokratie hält, lässt sich an der Art und Weise ablesen, wie er die PVV führt. Er ist noch immer das einzige Mitglied, es gibt keinerlei institutionalisierte Mitspracherechte. Wilders bestimmt den Kurs, er ist es, der die Leute auf ihre Positionen setzt. Hintergrund ist die Angst, die Bewegung könnte ebenso auseinanderfallen wie die Liste seines populistischen Vorgängers Pim Fortuyn nach der Ermordung ihres Namensgebers im Jahr 2002. Gelegentlich regt sich zwar intern Widerspruch gegen Wilders' totalitäre Herrschaft und seine unbeschränkten Durchgriffsrechte. In diesen Tagen tritt eine Bewegung namens Demokratische PVV auf den Plan, die eine Alternative zur Führerpartei bieten will und angeblich schon vier Fraktionsmitglieder auf ihre Seite gezogen hat. Aber das wird so enden wie mehrere ähnliche Versuche bisher: mit dem Rauswurf der Kritiker.

Die Partei für die Freiheit ist insofern keine Partei, sondern ein Mobilisierungsinstrument, ein Vehikel, das Wilders hilft, seine Thesen möglichst vielen Menschen möglichst intensiv nahezubringen. Er selbst hat angeblich wenige Freunde in Den Haag, außer einigen PVV-Getreuen, die er seit vielen Jahren um sich weiß. Der wichtigste von ihnen ist noch immer Martin Bosma, ein ehemaliger Journalist. Der Parlamentarier ist der Vordenker, der Stratege im Hintergrund, der auch viele Reden schreibt für seinen Chef.

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