Karlsfeld:Lesestunde

Karlsfeld: Viele Kinder sind Stammgäste bei Inge Straub. Wer zehnmal zuhört, dem schenkt die Bücherei ein Buch.

Viele Kinder sind Stammgäste bei Inge Straub. Wer zehnmal zuhört, dem schenkt die Bücherei ein Buch.

(Foto: Toni Heigl)

Inge Straub bringt in Karlsfeld Kinder zum Zuhören und zum Erzählen

Von Jana Korff, Karlsfeld

Vor dem Vorlesen kommt bei Inge Straub das Erzählen. Dass Kinder selbst etwas berichten, das ist der langjährigen Vorleserin aus der Gemeindebücherei Karlsfeld besonders wichtig. Aus jedem möchte sie "den Wurm rausziehen" und etwas erfahren, egal, wie schüchtern er ist. Deshalb sitzen die Kinder in ihrer Lesestunde nicht ruhig da und hören zu, sondern erzählen von ihren Abenteuern, werden mit in die Geschichten eingebunden und raten mit, wie diese wohl ausgehen wird.

Nachdem alle Kinder von ihrem Erlebnis mit dem Osterhasen erzählt haben, kriechen sie ganz nah an Inge Straub heran. Quetschen sich auf die Stühle in der ersten Reihe oder setzen sich direkt neben sie auf die Treppe. Jeder möchte die bestmögliche Sicht auf das Buch haben und keiner will etwas verpassen. Denn in der heutigen Geschichte erfahren die Kinder, woher der Osterhase, der sie in den Ferien mit so vielen tollen Sachen beschenkt hat, denn überhaupt kommt. Jeder fiebert bei der Geschichte mit, angeregt durch Inge Straubs Fragen zum Buch. "Was ist denn ein Geräteschuppen?", will sie von den Kindern wissen. Der spielt im Buch "Helma legt los" eine wichtige Rolle. "Wo auf diesem Bild seht ihr denn unsere Henne Helma?"

"Ich nehme mir eine Woche vorher immer mehrere Bücher mit nach Hause und suche mir eines aus, das mir gefällt. Lustig sollten sie sein, dass die Kinder mitreden können, mit bunten Bildern zum Anschauen. "Wenn es einen passenden Anlass gibt, wähle ich auch die Geschichte dementsprechend aus," erzählt Straub. Seit mehr als elf Jahren kommt die Münchnerin jeden Donnerstag nach Karlsfeld in die Gemeindebücherei. Am 22. Januar 2004 hat alles angefangen. Nachdem sie durch einen Zeitungsartikel auf den Verein Lesewelt aufmerksam geworden ist, beschließt sie, Vorleserin zu werden und besucht Kurse. Durch die Veränderung ihrer Stimme gelingt es Inge Straub, einen Bösewicht noch gruseliger und ein ängstliches kleines Mädchen noch einsamer wirken zu lassen. Die Spannung in der Geschichte wird durch die Veränderung der Stimme aufgebaut.

Als sie nach der Ausbildung loslegen will, muss sie feststellen, dass es in der Bücherei in ihrer Heimat schon eine Vorlesegruppe gibt. Glück für Karlsfeld, denn das war die zweite Anlaufstelle von Inge Straub und dort ist seitdem ihre Vorlesegruppe zu Hause. Vor knapp einem Jahr hat sie ihr zehnjähriges Jubiläum gefeiert. "Da hat das Vivaldi-Orchester gespielt während ich vorgelesen habe, das war toll. So etwas vergisst man nicht," schwelgt Straub in Erinnerungen. Für sie ist der Donnerstagnachmittag immer für "ihre Kinder" reserviert, wie sie ihre Zuhörer liebevoll nennt.

Für jede Geschichte, bei der die Kinder zugehört haben, dürfen sie sich einen Stempel für ihre Lesekarte abholen. Wer zehn Stempel gesammelt hat, bekommt von der Bücherei ein Buch geschenkt. Bei Vorschülerin Lisa ist es heute soweit. Sie bekommt ein Buch über Flugzeuge. "Lisa und ihre Schwester Paulina sind schon ganz lange dabei, am Anfang konnten beide kaum deutsch, haben immer gefragt, was das bedeutet, was ich da erzähle." Mittlerweile verstehen beide ihre Vorleserin genau. Sie raten freudig mit, wenn Inge Straub eine Frage stellt und bestaunen die bunten Bilder im Buch.

Für Lisa und Paulina ist das die vorletzte Geschichte, der sie lauschen. Danach ziehen sie um und können nicht mehr nach Karlsfeld kommen. "Das macht mich sehr traurig, die beiden kenne ich schon so lange", sagt Inge Straub wehmütig. Die Kinder lernen viel durch das Zuhören, aber auch sie lerne viel von den Kindern und von modernen Büchern. Vor allem aber freut es Inge Straub, dass die Kinder so anhänglich sind und begeistert zuhören. Wie lange sie noch vorlesen wolle, darauf weiß sie eine klare Antwort. "Bis die Bücherei mich nicht mehr haben will. Aber mindestens noch einmal zehn Jahre."

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