Siemens:Am Hofe von Paris

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Kennen sich schon aus im Elysée: Joe Kaeser (2. von li.) und Gerhard Cromme (re.) nach Gesprächen mit dem französischen Präsidenten im Frühjahr 2014.

(Foto: Alain Jocard/AFP)

Zu Gast im Élysée: Siemens-Chefaufseher Gerhard Cromme bekommt einen hohen Ehrentitel. Konzernboss Joe Kaeser ist mit dabei. Beide hoffen auch auf Geschäfte.

Von Leo Klimm, Paris

Es ist ein festlicher Rahmen: Präsident François Hollande hat am Dienstagabend im Elysée-Palast Orden an Wirtschaftsleute verliehen, die sich um Frankreich besonders verdient gemacht haben - darunter auch zwei Deutsche: Airbus-Chef Tom Enders wird Kommandeur der Ehrenlegion. Und Gerhard Cromme, der Siemens-Aufsichtsratsvorsitzende, wurde gar in den exklusiven Rang des "Grand officier" erhoben. Mit dabei: Konzernchef Joe Kaeser. Ausschließlich wegen der Ordensverleihung sei er angereist, heißt es bei Siemens.

Tatsächlich allerdings hatte Hollande nach der Zeremonie einen separaten Termin mit Kaeser und der Geschäftsleitung von Siemens Frankreich vorgesehen, der den Vorstandschef noch etwas mehr interessiert haben dürfte. Es gab gute Gründe zu hoffen, dass er bald verpasste Chancen in Frankreich nachholen kann - auch wenn man bei Siemens in München betonte, es sei "nichts konkret geplant".

Der Großoffizier Cromme, dessen Karriere in den Siebzigern in Lothringen begann, mag zur zentralen Figur der deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen avanciert sein. Doch für Siemens hat sich die Verbindung bisher nicht ausgezahlt: Als Kaeser und Cromme vergangenes Jahr unbedingt die Übernahme der Energiesparte des Alstom-Konzerns durch den US-Rivalen General Electric vereiteln wollten, lief der Versuch ins Leere. "Wir wären absolut begeistert, in Frankreich eine größere Rolle zu spielen", so Kaeser kürzlich im Figaro. Mit einem Umsatzbeitrag von nur rund zwei Milliarden Euro aus Frankreich kann Kaeser angesichts der Marktgröße nicht zufrieden sein.

Nun aber eröffnet eine tiefe Krise des Atomkonzerns Areva, der zu fast 90 Prozent vom französischen Staat kontrolliert wird, womöglich neue Perspektiven. Um das eigene Überleben zu sichern, bereitet Areva den Verkauf der Offshore-Windkraft-Aktivitäten vor. Die bestehen im Kern aus dem früheren Unternehmen Multibrid mit Sitz in Bremerhaven. Anfang des vergangenen Jahres hat Areva diese Sparte in eine Gemeinschaftsfirma mit dem spanischen Wettbewerber Gamesa eingebracht - sehr zum Ärger von Siemens: "Ein paar Tage vorher hatte Hollande noch einen deutsch-französischen Energie-Airbus vorgeschlagen. Dann schließt der Staatskonzern Areva stattdessen einen Deal mit den Spaniern", schimpft ein Siemensianer.

Ein anderer Insider berichtet, Siemens habe immer wieder sondiert, ob ein Geschäft mit der spanisch-französischen Allianz möglich sei. In Paris wird erwartet, dass Siemens nun einen neuen Versuch unternimmt. Wollte der Münchner Konzern den Areva-Teil an der Gemeinschaftsfirma mit Gamesa kaufen oder sich zumindest beteiligen, benötigt er die Zustimmung Hollandes. Denn mit Areva-Wind bekäme Siemens nicht nur Zugriff auf gut 120 Windräder und zwei Windfarm-Vorhaben in der deutschen Nordsee, sondern auch auf drei einträgliche Offshore-Projekte vor Frankreichs Küsten. Areva selbst hat Interesse, sich gut zu stellen mit Siemens. In seiner Not plant das Unternehmen den Abbau von rund 1000 der 6000 Stellen in Deutschland. Einen Teil der betroffenen Mitarbeiter würde Areva gern an Siemens vermitteln. Beide Firmen sind auch bei einem anderen Problem aufeinander angewiesen: Im Konflikt um einen Atomreaktor in Finnland sind sie in einen Milliardenstreit mit einem Stromversorger verstrickt.

Trotz des Ärgers, den Kaeser mit Frankreich immer wieder hat, wäre eine Zusammenarbeit für Siemens interessant. Die Idee, die Siemens-Bahnsparte mit der von Alstom zu fusionieren, hat der Konzern trotz seiner Pleite im Kampf um das Alstom-Energiegeschäft nicht aufgegeben. "Im Transportgeschäft bleibt eine Konsolidierung zwischen europäischen Unternehmen möglich", sagte Kaeser dem Figaro, obwohl er um absehbare Probleme mit dem Kartellrecht weiß. Aus Sicht von Siemens spräche viel für einen neuen Versuch. Auch hier braucht er die Zustimmung Hollandes: Frankreich schwingt sich gerade zum Hauptaktionär von Alstom auf.

Neue Viertel und Bahnen für die französische Hauptstadt - Siemens will dabei sein

Allerdings: Auch die Kartellbehörden müssten mitspielen, wie man in München betont.

Und das sei derzeit eher zweifelhaft. Nicht zuletzt könnte der Siemens-Chef auf lukrative Aufträge beim Mega-Infrastrukturprojekt Grand Paris hoffen. Für den Bau neuer Viertel und mehrerer Ringbahnen um Paris werden bis 2030 mindestens 22 Milliarden Euro ausgegeben. Kaeser ist bereit, eine neue Fabrik für U-Bahnen zu errichten, falls es ihm gelingt, "eine maßgebliche Rolle" bei dem Projekt zu spielen". Nach SZ-Informationen stellt Siemens den Bau einer Fabrik auf dem Gelände eines 2014 geschlossenen Peugeot-Werks im Norden von Paris in Aussicht - einer Vorstadt-Gegend, die von hoher Arbeitslosigkeit gezeichnet ist. Als Bedingung für Investitionen verlangt Kaeser jedoch Chancengleichheit mit der französischen Konkurrenz. In einem der Fälle, in dem sich Siemens in Frankreich benachteiligt sieht, ist am Dienstag eine Vorentscheidung ergangen: Der Generalanwalt des Verwaltungsgerichts Lille empfahl die Ablehnung einer Siemens-Klage gegen eine Auftragsvergabe der Stadt an Alstom. Die Sache hatte vor drei Jahren für böses Blut gesorgt. Lilles Bürgermeisterin klagte über "Erpressung" durch Siemens. Die Staatsanwaltschaft ermittelte. Ohnehin waren alle Versuche der Münchner vergebens, die französische Politik zu beeinflussen: Der Auftrag über 266 Millionen Euro geht an Alstom. Da hilft auch kein Ehrentitel.

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