Verkauf von Spiegel-Anteilen:Eine Sache der Familie

  • Jakob Augstein, Verleger des Freitag und Sprecher der Augstein-Erben, plant, seine Anteile am Spiegel zu verkaufen.
  • Der Ausstieg von Jakob Augstein würde die Machtverhältnisse beim Spiegel verändern, der Einfluss von Gruner + Jahr oder Bertelsmann könnte steigen.

Von Claudia Tieschky

Auf dem aktuellen Spiegel-Cover wirft eine junge Frau mit Heiligenschein und vielen Einkaufstüten einen blauäugigen Blick ins Ungefähre. "Kaufen, um die Welt zu retten", lautet der Titel, der sich um ethischen Konsum dreht. Vom Kaufen und Verkaufen ist nun beim Spiegel auch intern auf einmal viel die Rede: Das Fachmagazin Horizont berichtet von Plänen, die als Gerücht schon länger umgehen. Demnach will Jakob Augstein, Sprecher der Augstein-Erben und Verleger des Freitag, seinen Anteil am Spiegel verkaufen.

Auch wenn der 47-jährige Augstein das auf Anfrage weder bestätigt noch dementiert ("Dazu nehme ich nicht Stellung"), werden längst im Hintergrund die Optionen sondiert, angeblich bereits seit Ende vorigen Jahres. Den Spiegel, der 2014 quasi öffentlich den Machtkampf um den glücklosen Chefredakteur Wolfgang Büchner austrug, stürzt das erneut in Turbulenzen. Einer aus dem Augstein-Clan hat keine Lust mehr auf Spiegel. Einer mit Kolumne im Heft ("Im Zweifel links") - einer, der beim Chefredakteurs-Kampf Strippen zog, den umstrittenen Nikolaus Blome als Mitglied der Chefredaktion stützte und der im Magazin wohl auch eine Rolle spielen wollte. Augsteins Wende ist auch eine Botschaft, die nicht von Zahlen handelt: Größtmöglicher Liebesentzug - zu einer entscheidenden Zeit. Der Spiegel will unter dem neuen Chefredakteur Klaus Brinkbäumer sein Online-Angebot kostenpflichtig machen und kämpft seit Jahresbeginn am Erscheinungstag Samstag um Auflage.

Gruner + Jahr könnte stärker einsteigen. Und damit mehr Macht bekommen

Jakob Augsteins Anteil am Nachrichtenmagazin ist für sich genommen kein großer, er liegt bei sechs Prozent. Die Brisanz eines Ausstiegs liegt in der Gesellschafterstruktur, die der Magazingründer Rudolf Augstein eingerichtet hat. Nach seinem Willen sind die Mitarbeiter als stille Gesellschafter über eine KG beteiligt, die 50,5 Prozent der Anteile hält. 25,5 Prozent gehören der Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr. 24 Prozent liegen bei den vier Erben des Magazingründers. Neben Jakob Augstein sind das der Künstler Julian Augstein, die Anwältin Sabine Maria Augstein und die Journalistin Franziska Augstein, die Mitarbeiterin der Süddeutschen Zeitung ist.

Zum Spiegel-Konstrukt gehört, dass die beteiligten Gruppen fast nie ohne die anderen können. Das zeigte sich im monatelangen Ringen um Ablösung und Nachfolge des Chefredakteurs Büchner. Es wird auch so sein, wenn es um den Verkaufsprozess geht, um mögliche neue Eigentümer, die dann mitreden: Alle Gesellschafter haben ein Vorkaufsrecht für frei werdende Anteile. Gruner + Jahr, und damit Bertelsmann, könnte Geld in die Hand nehmen, Jakob Augsteins Anteil übernehmen und Macht gewinnen. Auch die KG könnte - mit einem Geldgeber im Hintergrund - ihren Anteil aufstocken. Zum Verkauf kämen maximal 18 Prozent der Spiegel Anteile - falls sich auch Julian Augstein und Sabine Maria Augstein überhaupt mit ihren je sechs Prozent zum Verkauf entschließen. Ob sie das tun, ist völlig offen. Sabine Maria Augstein wollte sich auf Anfrage am Mittwoch dazu nicht äußern. Franziska Augstein wird, wie sie erklärt, nicht verkaufen.

Ob Jakob Augstein seinen Anteil zu Geld machen kann, hängt nun vor allem von der Einigkeit der nicht immer einigen Erben ab. Sie können sich beim Ausstieg aus dem Spiegel gegenseitig blockieren. Alle vier verfügen über ein Vorkaufsrecht und müssen auch zustimmen, damit Anteile der Gemeinschaft auf den Markt kommen - und auch dann muss nicht geschlossen verkauft werden. Jeder kann seinen Anteil unabhängig von der Entscheidung der anderen Erben behalten. Die Verhandlungen über einen Ausstieg von Jakob Augstein aus dem Spiegel sind deshalb vorerst Familiensache. Was die Anteile erbringen, ist letztlich eine Frage des Gebots und des Firmenwertes, der sich am Gewinn orientiert. 20 Millionen Euro Gewinn soll der Spiegel-Verlag 2014 erzielt haben, bestätigt wird das offiziell nicht.

Angst vor dem Einfluss des Bertelsmann-Konzerns

Der Hamburger Verlag Gruner + Jahr, der intern im großen Stil Stellen abbaut, wäre offenbar nicht abgeneigt, weitere Anteile am Spiegel zu übernehmen. Das müsste der Mitarbeiter KG an sich widerstreben, allerdings würden selbst 18 Prozent mehr für G + J wenig am Einfluss der KG ändern. Die Verhältnisse in der KG wiederum stehen in der Kritik vieler Spiegel-Journalisten: Zugang zu dem exklusiven Klub und zur Renditebeteiligung besitzen nur die Magazin-Leute. Weder die Mitarbeiter von Spiegel Online noch vom Manager Magazin oder Spiegel TV sind dabei. Eine Veränderung der Besitzverhältnisse dürfte auch die Diskussion um eine KG-Reform wieder befeuern.

Ein Erbe und sein Exit-Wunsch: Wenn sich Jakob Augstein zurückzieht, beginnt beim Spiegel eine Diskussion um Machtzuwachs, Machtverlust, möglicherweise auch um Investoren. Kaufen, um die Welt zu retten? Beim Spiegel wäre dann noch eine nicht ganz unwichtige Frage offen: Wessen Welt?

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