Frage an den SZ-Jobcoach:Finde ich keine Stelle, weil ich nicht auf Facebook bin?

Iris T. wurde schon in zwei Vorstellungsgesprächen darauf angesprochen, dass sie nicht in den sozialen Netzwerken aktiv ist. Wie soll die 54-Jährige damit umgehen?

SZ-Leserin Iris T. fragt:

Ich bin 54 Jahre alt und hatte kürzlich zwei Vorstellungsgespräche als Sachbearbeiterin/Teamassistentin, die beide mit einer Absage endeten. Es wurden die üblichen Psycho-Spielchen veranstaltet, zum Beispiel sogenannte Stressfragen gestellt und dabei auch konstatiert, dass ich "ja ganz schön viel kann". Fast hämisch kam die Frage des Personalleiters: "Was können Sie eigentlich nicht?" Dann aber ging es in beiden Gesprächen darum, dass ich nicht bei Facebook bin, nicht twittere und kein Smartphone habe. Kann es sein, dass man heute keine Stelle mehr bekommt, weil man nicht auf Facebook ist? Das macht mir echt Angst! Haben Sie einen Tipp, wie ich damit umgehen soll?

Christine Demmer antwortet:

Liebe Frau T., offenbar können Sie eine ganze Menge, und vermutlich wissen Sie auch eine ganze Menge. Ich sehe eine starke und selbstbewusste Teamassistentin vor mir. Eine gestandene Frau mit langjähriger Berufs- und Lebenserfahrung und mit bescheinigten Leistungen. Eine Frau, die auch schon mal hingefallen ist und sich blaue Flecken geholt hat, die sich aber immer wieder aufgerappelt und weitergemacht hat. Eine tolle Frau also.

Der SZ-Jobcoach

Christine Demmer arbeitet als Wirtschaftsjournalistin. Sie ist Managementberaterin, Coach und Autorin zahlreicher Sachbücher.

Und jetzt reibe ich mir die Augen. Denn diese tolle Frau lässt sich im Vorstellungsgespräch nicht nur aufs Glatteis führen, sondern tappt sehenden Auges - nämlich in Kenntnis der "üblichen Psycho-Spielchen und Stressfragen" - in das einzige offene Wasserloch weit und breit. Ich kann mir das nur so erklären, dass es Sie magisch angezogen hat. Weil Sie nämlich selbst insgeheim fürchten, ohne aktive Nutzung des modernen Technik-Schnickschnacks zu den am Arbeitsmarkt auslaufenden Modellen zu gehören.

Geruch eines Leistungsverweigerers

Ganz falsch ist Ihre Sorge nicht. Dank steter digitaler Erreichbarkeit beispielsweise können Vorgesetzte ihren Mitarbeitern auch nach Feierabend E-Mails schicken, wortlos inbegriffen die Bitte um Kenntnisnahme oder unverzügliche Bearbeitung. Der Chef hat es vom Tisch, der Mitarbeiter auf dem Schirm, das ist effizient und treibt das Tempo. Wer sich nicht zum allzeit bereiten Empfänger machen will, steht im Geruch eines Leistungsverweigerers, und den mag man nicht.

Ich würde Ihnen trotzdem empfehlen, sich ein Smartphone zuzulegen. Facebook und Twitter hingegen haben mit der Arbeit, wenn es Sie nicht gerade in Bereiche wie Werbung/Medien/Digitalwirtschaft zieht, rein gar nichts zu tun. Das eine ist eine elektronische Pinnwand für Selfies und Mitteilungen, die kaum jemanden außer dem Absender interessieren. Das andere soll der Welt zeigen, wie wichtig man genommen werden will. Im Job gibt es dafür eine Million anderer Möglichkeiten, die Sie wahrscheinlich alle kennen. Mit diesem Argument gleiten Sie beim nächsten Gespräch elegant über das Eis ans feste Ufer zurück.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

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