Clint-Eastwood-Sammlung:Für mehr als eine Handvoll Dollar

Clint-Eastwood-Sammlung: Clint Eastwood.Die weltweit grösste Sammlung gehört den Münchner Sammler Thomas Pollmer . Foto:Catherina

Clint Eastwood.Die weltweit grösste Sammlung gehört den Münchner Sammler Thomas Pollmer . Foto:Catherina

(Foto: Catherina Hess)

Plakate, Figuren, Fotos: Thomas Pollmer hat die vielleicht größte Clint-Eastwood-Sammlung der Welt. Bis zu 150 000 Euro hat der Beamte der Stadt München bereits für seine Leidenschaft ausgegeben - und einige Raritäten angehäuft.

Von Gerhard Fischer

Die besten Geschichten erzählt Thomas Pollmer so nebenbei. Als er sich zum Foto neben einen mannsgroßen Papp-Eastwood stellt, sagt Pollmer: "Ach ja, den habe ich aus den USA mitgebracht." War kein Problem, auch nicht im Flugzeug. "Wir haben ihn im Schrank der Stewardess transportiert." Er hat die Geschichte sozusagen aus der Hüfte geschossen. Lässig, ohne viel Gewese.

Clint Eastwood also. Thomas Pollmer, im bürgerlichen Leben Oberverwaltungsrat im Sozialreferat, hat Tausende Eastwood-Exponate im Keller: Eastwood-Figuren, Eastwood-Bücher, Eastwood-Videos, Eastwood-Filmplakate, Eastwood-Autogramme, Eastwood-Schallplatten. "Vielleicht bin ich der größte Clint-Eastwood-Sammler der Welt", sagt Pollmer, "aber genau kann man das nie wissen." Ja, vielleicht gibt es in Patagonien oder Spitzbergen einen Menschen, der noch viel mehr Eastwood-Plakate und Eastwood-Figuren und Eastwood-Fotos hat als Thomas Pollmer in München.

Eine Welt voller Pferde, Pistolen und Pulverdampf

Pollmer, 53, wohnt mit Frau und zwei Jungs in einem Haus mit Garten in Obermenzing. Idyllisch ist es dort, ruhig, geborgen, gediegen. Und doch ist man, wenn man durch das Gartentor geht, bloß ein paar Schritte von einer ganz anderen Welt entfernt, einer voller Pferde, Pistolen und Pulverdampf. In diese Welt gelangt man, wenn man die Kellertreppe betritt. "Ab hier ist mein Reich", sagt Thomas Pollmer.

An der Wand hängen Eastwood-Bilder, schöne, alte, mit Farben wie Feuer, aber auch welche auf Holz, mit Baumrinde an den Rändern - solche Sachen kennt man von Läden, die bayerischen Tant verkaufen oder König-Ludwig-Nippes. Pollmer lächelt. Fast alles, was er in den nächsten eineinhalb Stunden sagt, wird er mit einem Lächeln begleiten. Er könnte auch mit einem Auge zwinkern: Ist nicht so gemeint. Er weiß, dass nicht alles, was er gesammelt hat, schön ist. Und er weiß auch, dass er eine Leidenschaft hat, die man eine kapitale Spinnerei nennen kann. Aber er hat Distanz dazu. "Ich bin kein verrückter Fan von Clint Eastwood", sagt er, "ich bin ein seriöser Sammler."

Gut, aber warum ausgerechnet Eastwood? Thomas Pollmer ist 16 oder 17, als ihn seine Eltern darauf aufmerksam machen, dass die "beiden Dollar-Filme im ORF laufen", also "Für eine Handvoll Dollar" und "Für ein paar Dollar mehr". Pollmer guckt sie und denkt: cool. Das ist normal, alle jungen Männer wollen cool sein und suchen sich Vorbilder, die cool sind. Aber später wächst sich das aus, meistens. Bei Pollmer erst mal nicht. Oder ist es bald nicht mehr der Coolness-Faktor, sondern eine Sammel-Sucht? Der Papa war auch ein großer Sammler. "Mein Vater sagte mir: Sammel etwas, egal was", erzählt Pollmer. Der Vater war Antiquitäten-Händler.

"München war damals ein Mekka für Filmsammler"

Pollmer ging dann auf die Bayerische Verwaltungs-Fachhochschule in Hof. Das klingt nicht sexy, und Hobby-Psychologen würden sagen, er verlagerte seine Abenteuer in die Freizeit oder legte sie in die Hände von Clint Eastwood. Er holte sich im "Warner-Brothers"-Lager in der Ickstattstraße in München Filmplakate, ging in den Achtzigerjahren auf Sammlerbörsen in den Löwenbräukeller oder auf den Nockherberg. "München war damals ein Mekka für Filmsammler", schwärmt er, "die Leute kamen aus ganz Europa."

Die Filmsammlerbörsen gibt es noch, aber sie sind nichts Besonderes mehr, das meiste holt er sich heute aus dem Internet - ein Mausklick bei Ebay, und Pollmer hat eine australische Eastwood-Briefmarke. Das ist einfach, aber auch anonym. Thomas Pollmer trauert ihnen hinterher, den schönen Filmsammlerbörsenzeiten.

Damals wuchs seine Eastwood-Sammlung rasend schnell, und eines Tages gab es die Möglichkeit, dem Helden nahe zu kommen. 1985 war Eastwood im Filmmuseum in München. "Ich boxte mich durch die Fotografen", erzählt Pollmer, "sprach ihn an und er gab mir ein Autogramm." Mehr war nicht. Mehr musste auch nicht sein. Er ist ja kein verrückter Fan. Das Autogramm hängt aber natürlich daheim an der Wand.

Ein eigenes Kino im Keller

Thomas Pollmer hat ein kleines Kino in seinem Keller, mit Stühlen, die er sich aus einem Kino in Weilheim und aus dem Cinema geholt hat. Es ist ein Heimkino für die Familie und für die Freunde und eine Spielwiese für ihn selbst: Früher hat er dort auch Eis verteilt. Pollmer schaut in seinem Heimkino nicht bloß Eastwood-Filme (von denen er die meisten gut findet, aber nicht alle), er mag auch Steve McQueen oder Paul Newman oder den "Club der toten Dichter", und er geht einmal die Woche mit Freunden ins Kino, um auf dem neuesten Stand zu sein. Ja, dieser Mann hat Freunde, er hat Familie, er hat Hobbys, obwohl er ständig mit Eastwood beschäftigt ist. Er hat, nein: er sammelt auch Single Malt Whiskys, er geht zum Fußball mit seinen Jungs, von denen keiner Clint heißt, er ist im Kirchenvorstand in Obermenzing. Er muss viel Energie haben.

Einmal ist er in die USA geflogen, nach Carmel, wo Clint Eastwood von 1986 bis 1988 Bürgermeister gewesen ist. Er besuchte Eastwoods Lokal "Hog's Breath Inn". Pollmer unterbricht die Erzählung, um den Lokalnamen frei mit "Zum stinkenden Eber-Atem" zu übersetzen, und er ist albern genug, darüber lachen zu können. Vom Hog's Breath Inn hat er die Speisekarte mitgebracht. Vom Wahlkampf Eastwoods hat er Merchandising-Artikel ergattern können, T-Shirts, Kugelschreiber - und einen Damenslip. Dort steht drauf: "Go ahead, Clint, make my night." Das ist angelehnt an Eastwoods Spruch als Dirty Harry Callahan: "Go ahead, make my day!" ("Na los doch, versüß mir den Tag!").

Zwanzig Eastwood-Ordner im Schrank

Pollmer steht vom Sofa auf und legt Ennio Morricones glorreichen Soundtrack auf, "The Good, the Bad and the Ugly", dieses großartige Pfeiferlied; dann holt er einen Ordner aus dem Schrank. Er hat darin Zeitungsartikel gesammelt, es geht um Filme, natürlich, aber auch um Eastwoods Privatleben, und sollte es um Eastwoods Hund oder um das Futter des Hundes gehen - auch das würde man dort finden. Pollmer hat die Artikel in Klarsichthüllen gesteckt, auf dem Ordner steht: 1966 bis 1968. Er hat fast 20 Eastwood-Ordner.

Man sieht sich um, im Keller stehen auch Eastwood-Büsten und Eastwood-Figuren. Pollmer nimmt einen Revolvergurt. Ein 16-Jähriger habe den Gurt, ein Filmrequisit aus "Erbarmungslos", bei einem Weihnachtsbasar gewonnen, erzählt Pollmer. Aber dieser 16-Jährige stand nicht auf die Coolness von Eastwood. Pollmer hat ihm eine Stereoanlage gekauft und dafür den Gurt bekommen.

Was gibt's noch? Dirty Harry als Puppe, eine Eastwood-Schallplatte, nach der Pollmer 25 Jahre gesucht hatte, Eastwood-Bilder aus japanischen Filmzeitschriften ("die haben die besten Fotos"), isländische Filmprogramme ("schwer zu finden"), Plakate aus Argentinien und Malaysia. Das geht ins Geld. Als man ihn danach fragt, wie viel ihn seine Leidenschaft schon gekostet habe, schüttelt er den Kopf - so wie man den Kopf schüttelt, wenn man über etwas grinst, weil es absurd oder komisch ist. "Zwischen 100 000 und 150 000 Euro", sagt er dann. Was meint seine Frau dazu? Nicht zu den Ausgaben. Zu seiner, nun ja, Sammel-Sucht. "Ich war schon so, als sie mich kennengelernt hat", sagt Thomas Pollmer. "Sie hat es akzeptiert." Einmal hat sie sogar ein paar Eastwood-Figuren bemalt. Kleine Cowboys.

"Eastwood hat gezeigt, dass Helden gar keine Helden sind"

Der Cowboy Clint Eastwood ist seit 1992 out, sagt Pollmer, seit "Erbarmungslos", einem Abgesang auf den Western. Der Sheriff: ein Schuft. Der junge Revolverheld: braucht eine Brille. Eastwood selbst: bringt seine Familie mit einer Schweinezucht nicht durch. "Eastwood hat gezeigt, dass Helden gar keine Helden sind", sagt Pollmer. Heute ist es nicht mehr die Coolness, die den 53-Jährigen beeindruckt, heute ist es Eastwoods Wandlung vom Pistolero zum unabhängigen Filmemacher, der autark sei "im Haifischbecken Hollywood"; der Filme mache über Vater-Tochter-Konflikte, Rassismus oder Euthanasie.

Gerade hat Pollmer ein Eastwood-Buch herausgegeben, zusammen mit Tobias Hohmann, der die Texte geschrieben hat. Pollmer hat die Fotos und Plakate zur Verfügung gestellt. Und sein Wissen. "Es war ein Traum von mir, so ein Buch zu machen", sagt er. Die Freunde und die Familie hätten so gemerkt, dass das mit Eastwood nicht bloß eine Spinnerei sei, sondern eine "ernst zu nehmende Sache". Diesmal lächelt er nicht.

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