VW:Piëchs Crashkurs

Lesezeit: 3 min

Niederlage für den Chefkontrolleur von Volkswagen: Gegen seinen Willen bleibt Martin Winterkorn Vorstandsvorsitzender.

Von Thomas Fromm und Max Hägler, München

Es muss schwer sein zu verlieren, wenn man sein Leben lang gewonnen hat. Vor allem dann, wenn man, wie Ferdinand Piëch, in all den Jahren nur wenige Worte brauchte, um zu gewinnen. Um Manager kaltzustellen und ihre Karrieren zu beenden. Gerade dann muss eine Niederlage vor allem eines sein: unerträglich.

Für den VW-Aufsichtsratsvorsitzenden, der an diesem Freitag 78 Jahre alt wurde, war das, was sich da am Donnerstagabend in Salzburg ereignete, wohl eine der größten Niederlagen seines Lebens. Das sechsköpfige Präsidium des Aufsichtsrats tagte in Piëchs Heimat Salzburg. Mit am Tisch: Piëchs Cousin und VW-Miteigentümer Wolfgang Porsche, der mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh sowie Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, dem 20 Prozent am Volkswagen-Konzern gehören. Danach war Aufsichtsratschef Piëch ein einsamer Herrscher. Mit fünf zu eins sollen die Räte für VW-Konzernchef Martin Winterkorn votiert und sich dabei gegen den Sechsten im Bunde - Piëch - gestellt haben. Winterkorn, der Angezählte, bleibt hingegen nicht nur im Amt. Sein Vertrag soll sogar bei der Aufsichtsratssitzung im Februar 2016 zur Verlängerung anstehen. Es war das überraschende Ende einer Woche, die sich der VW-Großaktionär wohl ganz anders vorgestellt hatte.

Am Freitag vergangener Woche zuerst Piëchs Überraschungsangriff: Mit einem einzigen Satz ("Ich bin auf Distanz zu Winterkorn") wollte er den 67-jährigen VW-Vorstandschef Martin Winterkorn demontieren, einen jahrzehntelangen Weggefährten. Ein gewichtiger Satz in dieser Branche, zumal für einen wie Piëch. Eine Woche später dann der Showdown im Präsidium des Aufsichtsrats. Vordergründig ging es um die Zukunft Winterkorns. Im Grunde aber ging es, so berichten Konzernkreise, um Grundsätzlicheres: Schafft es der Chefkontrolleur, wie stets, seinen Willen durchzusetzen? Gegen die fünf anderen Präsidiumsmitglieder, den inneren Machtzirkel des Aufsichtsrats?

VW SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg; Fotos: DPA (4) (Foto: sz grafik)

Eigentlich ein Heimspiel. Vor dem Anwesen von Piëch hoch über Salzburg war es in diesen Stunden beschaulich. Bäche plätschern, der Bergwald duftet. Piëch aber scheitert. Zum ersten Mal. Am Freitagmittag schickte das Unternehmen knappe sieben Zeilen raus. Sachlich, unemotional, aber eindeutig. "Das Präsidium des Aufsichtsrates der Volkswagen AG stellt fest, dass Professor Dr. Martin Winterkorn der bestmögliche Vorsitzende des Vorstands für Volkswagen ist", heißt es dort. Und: Das Präsidium lege "großen Wert darauf, dass Herr Professor Dr. Winterkorn seine Funktion als Vorsitzender des Vorstands auch weiterhin so aktiv und erfolgreich wie bisher" verfolge. Rückendeckung von allen Seiten also; aus Ingolstadt meldete sich sogar der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der VW-Tochter Audi, Peter Mosch, zu Wort: Winterkorn sei "der Richtige, das VW-Lenkrad weiter in Richtung Zukunft einzuschlagen". Kurze Zeit später sagte Niedersachsens Regierungschef Weil etwas Bemerkenswertes: Die heftigen Debatten dieser Woche seien "nicht gut für Volkswagen" gewesen. Aber: "Ich glaube, mit dem gestrigen Beschluss ist diese Diskussion nun beendet."

Das ist die Frage: Ist nun wirklich alles beendet? Können die beiden nun einfach so weiterarbeiten? Schwer vorstellbar. Sinnt Piëch jetzt auf Rache? Oder passiert das Gegenteil? Einige im Konzern sagen, dass der Patriarch jetzt gehen muss.

Am Nachmittag melden sich die ersten Kritiker zu Wort. In der Erklärung fehle eine Entschuldigung des Patriarchen, wird moniert. "Dann wäre es rund gewesen, dann wäre es eine wirkliche Befriedung", sagt einer, der nah dran ist.

Zeit sei gewonnen, aber die wirklichen Spannungen zwischen dem Chefkontrolleur und seinem Angestellten seien nicht aufgelöst. Wen Piëch einmal im Visier hat, den lässt er nicht mehr aus den Augen. Winterkorn hat seinen Vertrag - aber was ist mit seiner Macht? Am 4. Mai, dem Vortag der Hauptversammlung, kommt der 20-köpfige Aufsichtsrat zusammen. "Da werden die Fetzen fliegen", glaubt ein Insider. Andere setzen auf Heilung. "Winterkorn und Piëch kennen sich seit über drei Jahrzehnten, die halten das aus", sagt ein anderer.

Dass der Strippenzieher Piëch keinen Plan B hat, ist unwahrscheinlich. Dafür ist die Lage zu ernst. Seit Monaten soll es nun schon diese Entfremdung geben zwischen Piëch und seinem Zögling. Zu dominant, zu wichtig sei Winterkorn im Konzern geworden, sagen Eingeweihte. Andererseits hat er aus Piëchs Sicht die Probleme von VW auf dem amerikanischen Markt zu verantworten, dazu die schwachen Gewinne der Stammmarke VW. Zurzeit stammen die Gewinne des Gesamtkonzerns vor allem von den beiden Edel-Töchtern Audi und Porsche. Das will Piëch nicht länger akzeptieren - auch deshalb hat er wohl schon vor langem mit Winterkorn gebrochen.

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: