Ausstellung:Wie der Blitz

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Eindrucksvolle Fotografiertechnik: "Rote Lichtsäule" nennt der Künstler dieses Bild, entstanden durch lange Belichtungszeit und bewegte Kamera. (Foto: Stephan M. Schuster)

Vom Kunstschätzer zum Fotokünstler: Stephan M. Schuster stellt im Auktionshaus Karl & Faber "Informelle Lichtbilder" aus - Experimente mit den Lichtern der Großstädte

Von Lena Abushi

Da sind kleine, feine Blitze in leuchtenden, LED-artigen Farben auf den Fotografien zu sehen. Sie schießen in alle Richtungen, der Hintergrund ist dunkel, ähnlich wie bei einem Feuerwerk. Doch anders als bei diesem ist spürbar, dass die Lichter hier nicht nur kurz aufflammen, sondern dass sie einen steten Ursprung haben, dass sie nicht nach kurzer Zeit verglühen.

In der Ausstellung "Informelle Lichtbilder" im Auktionshaus Karl & Faber sind die Kunstfotografien von Stephan Schuster zu sehen. Der Titel der Werkreihe ist Programm: Auf den Bildern ist das, was der Künstler ursprünglich vor der Kamera hatte, nicht mehr zu erkennen. Schuster fotografiert nachts, konzentriert sich ausschließlich auf künstliche Lichtquellen - Autoscheinwerfer, Straßenlampen, Beleuchtungen von Gebäuden. Und diese Lichter setzt er in Szene. "Ich trickse die Technik meiner digitalen Spiegelreflexkamera aus, damit die Blende mehrere Sekunden lang offen bleibt, sodass sich die Belichtungszeit verlängert", verrät er. Währenddessen bewegt er die Kamera, macht zackige, kreisförmige, gerade Bewegungen: "Das geschieht ohne einen Plan, ich verlasse mich dabei ganz auf mein Gefühl", sagt Schuster. Seine Bilder bearbeitet er digital nicht nach.

Die meisten Aufnahmen machte Schuster in Paris. Er fotografierte den Louvre, Brücken an der Seine oder Straßen - das Wissen um die genauen Orte ist für den Betrachter aber fast irrelevant. Es sind die durch das Licht erzeugten Emotionen, die Schuster einfängt. Den ersten Anstoß dazu, intensiver mit einfallendem Licht zu spielen, erhielt er durch Arbeiten des ungarischen Künstlers László Moholy-Nagy, der mit Lichtstrahlen bereits existierende Bilder nachträglich bearbeitete. Überhaupt wurde Schuster zum Künstler, indem er Werke anderer betrachtete. Direkt nach dem Studium der Kunstgeschichte in München stieg er beim Auktionshaus Karl & Faber ein, wo er Werke aus dem 15. bis 20. Jahrhundert auswählte und deren Wert schätzte: "Das hätte ich mir damals nie vorstellen können, hier einmal selbst als Künstler in Erscheinung zu treten", sagt Schuster.

Eine der nun ausgestellten Fotografien fällt aus der Reihe: Auf der einen mal anderthalb Meter großen Bildfläche befindet sich ein gelbes Netz, das an Darstellungen von Hirnströmen erinnert. "Als ich das Ergebnis sah, wusste ich selbst nicht mehr, was das war." Durch das Datum, den 24. Dezember, und die Uhrzeit erinnerte er sich daran, Adventskerzen fotografiert zu haben - ausnahmsweise einmal ein natürliches Licht. Die warmen Farben wirken einerseits beruhigend, das Durcheinander der Flammen, die scheinbar endlos ineinander übergehen und nicht voneinander abzugrenzen sind, wirkt aber auch verstörend, geradezu Schwindel erregend.

Auf den ersten Blick erinnern die Fotografien an Zufallsprodukte - das Bild ist verwackelt, das Licht verursacht unvorhersehbare Effekte. Doch anders als bei diesen haben Schusters Arbeiten eine eindringliche Wirkung. Seine Fotografien befreien von der Illusion, die Wahrnehmung der Wirklichkeit sei abhängig von äußeren Formen. Schuster setzt dem die Wahrnehmung von Stimmungen entgegen - indem er Blitze im Dunklen leuchten lässt.

Stephan M. Schuster: Informelle Lichtbilder , bis Fr., 24. April, tägl. 10 bis 18 Uhr, Auktionshaus Karl & Faber, Amiraplatz 3, 22 18 65

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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