Wahlen:Finnen wollen den Machtwechsel

  • Die konservativ-liberale Zentrumspartei hat in Finnland mit 21,2 Prozent die Wahlen gewonnen. Neuer Ministerpräsident wird vermutlich der 53-jährige ehemalige Unternehmer Juha Sipilä.
  • Die konservative Nationale Sammlungspartei von Ministerpräsident Alexander Stubbs kommt laut vorläufigem Endergebnis mit 18,2 Prozent nur auf Platz zwei.
  • Die europakritische Partei "Die Finnen" lieferte sich am Wahlabend mit Stubbs Konservativen ein Rennen um den Platz als zweitstärkste Fraktion und liegt mit 17,6 Prozent nur knapp zurück.

Von Silke Bigalke, Stockholm

"Niemals wieder", hat der finnische Ministerpräsident Alexander Stubb gesagt. Nie wieder würde er eine Koalition eingehen wie die, die er in den vergangenen vier Jahren durchmachte. "Ich glaube nicht, dass dies der Weg ist, wie wir ein Land regieren sollten", hatte er vor der Wahl gesagt. Folgerichtig haben die Finnen seine Regierung am Sonntag abgewählt. Stubbs konservative Nationale Sammlungspartei erreichte nach dem vorläufigen Endergebnis 18,2 Prozent. Sie landet damit hinter der konservativ-liberalen Zentrumspartei, die 21,2 Prozent erhielt.

Stubb wird den Job des Ministerpräsidenten damit voraussichtlich an den 53-jährigen ehemaligen Unternehmer Juha Sipilä abgeben. Sipilä, der zuvor durch Unternehmensverkäufe Millionen verdient hat, ist 2011 zum ersten Mal ins Parlament gewählt worden. Seine Partei war damals eine von zweien, die als einzige in der Opposition blieben. Alle übrigen sechs Parteien schlossen sich zu jener Koalition zusammen, über die Stubb nun so verzweifelte.

Auch Sipilä, der sich noch am Abend zum Wahlsieger erklärte, ist nun auf mehr als einen Koalitionspartner angewiesen. Die zweite Oppositionspartei heißt "Die Finnen" oder "Wahre Finnen", ist populistisch bis rechtspopulistisch und Europa gegenüber kritisch bis feindlich. Sie lieferte sich mit Stubbs Konservativen ein Rennen um den Platz als zweitstärkste Partei und lag mit 17,6 Prozent nur knapp zurück. Die EU-Kritiker haben so wie die Sozialdemokraten auf Platz vier Chancen, an der Regierung beteiligt zu werden. Sipilä hat vor der Wahl keinen Partner ausgeschlossen. Wahre-Finnen-Chef Timo Soini hatte bereits laut auf ein Amt als Außen- oder Finanzminister spekuliert.

Und dann ging auch noch der Chef selbst

Anders als die Partei der Finnen konnte Sipiläs Zentrumspartei davon profitieren, dass sie die vergangenen vier Jahre in der Opposition verbracht hat. Sie konnte der Regierungskoalition beim Scheitern zusehen: Interne Streitereien blockierten wichtige Reformen, zwei Parteien verließen die Koalition, und dann ging auch noch der Chef selbst. Premier Jyrki Katainen löste im Juni 2014 den finnischen Wirtschaftskommissar Olli Rehn in Brüssel ab. Die Finnen habe er enttäuscht, sagte Politikwissenschaftler Erkka Railo von der Uni von Turku. "Sogar der Premierminister verlässt das Land, ehe er seinen Job erledigt hat", so formulierte er, was viele gedacht haben mögen. Den Job überließ Katainen im Juni kurzerhand Alexander Stubb. Im März scheiterte dann auch noch das wichtigste Reformprojekt der vergangenen Jahre, mit dem das Sozial- und Gesundheitswesen verschlankt werden sollte.

Dabei hätten die Finnen eine starke Regierung gebraucht, denn ihre Probleme sind so tief greifend, dass kleine Ausbesserungen nicht reichen. Finnland macht mehr Schulden als Brüssel erlaubt, die Arbeitslosigkeit liegt bei zehn Prozent und die Wirtschaft schrumpft seit drei Jahren. Schuld ist die Krise der finnischen Papierindustrie und die wirtschaftliche Lage in Russland, dem drittgrößten Abnehmer finnischer Exporte. Schuld ist auch der Nokia-Niedergang, auch wenn die Übernahme des französischen Wettbewerbers Alcatel-Lucent, den der Konzern kurz vor der Wahl ankündigte, den Finnen Hoffnung macht.

Die Zentrumspartei versprach ihnen im Wahlkampf 200 000 neue Jobs, Steuern und Lohnkosten zu senken, das Wachstum anzukurbeln und weiter zu sparen, aber langsamer als bisher. "Ich habe viel Erfahrung, wie man große Veränderungen in Unternehmen managt", sagte Sipilä. "Ich denke, die Regeln sind die selben." Dem Politik-Newcomer kommt EU-Parlamentarier Olli Rehn zu Hilfe, der sich als Wirtschaftskommissar in der Euro-Krise den Spitznamen "Mr. Austerity" erworben hat. Welchen Posten Rehn in der neuen Regierung einnehmen könnte, kommt allerdings auch auf die Koalitionspartner an. Im Finnischen Parlament können traditionell alle großen Parteien zusammenarbeiten. Vielleicht wird Alexander Stubb am Ende sogar Minister in Sipiläs Kabinett, ihre beiden Parteien haben früher schon einmal koaliert.

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