Nach Flugzeugabsturz 4U9525:Wie es bei Lufthansa weitergeht

Nach Flugzeugabsturz 4U9525: Streiks bei Lufthansa und der Tochter Germanwings wurden nach dem Unglück abgesagt. Wie das die weiteren Verhandlungen beeinflusst, ist nicht sicher.

Streiks bei Lufthansa und der Tochter Germanwings wurden nach dem Unglück abgesagt. Wie das die weiteren Verhandlungen beeinflusst, ist nicht sicher.

(Foto: Michael Probst/AP)
  • Nach dem tragischen Absturz der Germanwings-Maschine muss Lufthansa-Chef Spohr das Unternehmen wieder zurück in den Alltag führen. Es warten mehrere Herausforderungen:
  • Billigflieger und die Wettbewerber vom Persischen Golf expandieren weiter, die Kosten von Lufthansa sind im Vergleich weiterhin zu hoch, die Konzernstruktur zum Teil ineffizient und viele Konflikte ungelöst.

Von Jens Flottau

Auf den ersten Blick sieht die Drohung aus wie die nächste Hiobsbotschaft für Lufthansa. Sollte sich die Fluggesellschaft nicht zu großzügigen Entschädigungen für die Angehörigen der Opfer des Germanwings-Absturzes bereit erklären, dann werde er eine Klage vor einem amerikanischen Gericht anstreben. So ließ sich am Wochenende der Berliner Luftfahrtanwalt Elmar Giemulla zitieren, der nach eigenen Angaben die Familien von 21 Germanwings-Opfern vertritt. In den USA gehen Schadensersatz-Forderungen bekanntlich oft in die Millionen und liegen damit um ein Vielfaches über dem Niveau, das in Deutschland üblich ist.

Ob es aber zu einem Verfahren vor einem amerikanischen Gericht kommt, ist völlig ungewiss. Denn - mit Ausnahme der beiden amerikanischen Opfer des Unglücks - gibt es kaum einen Bezug zu den USA. Das Flugzeug war europäisch, die Fluggesellschaft ist deutsch, und der Flug fand zwischen zwei Zielen in Europa statt. Giemulla hat mit der Drohung wohl eher den Erwartungshorizont für Verhandlungen abgesteckt.

Für die Lufthansa ist die Frage der finanziellen Entschädigung der Opfer bei weitem nicht das wichtigste Thema in diesen dramatischen Wochen. Zumal das Unternehmen, wie international vorgeschrieben, für den Absturzfall versichert war.

Konzernchef Carsten Spohr treiben indes ganz andere Sorgen um. Auch vier Wochen nach dem mutmaßlich vom Co-Piloten Andreas Lubitz bewusst herbeigeführten Crash in den französischen Alpen, bei dem alle 150 Menschen an Bord ums Leben kamen, ist der Konzern wie paralysiert.

Worüber bei Lufthansa intern diskutiert wird

Für jede Fluggesellschaft ist der Absturz eines Flugzeuges das Schlimmste. Die Lufthanseaten, die so stolz sind auf Qualität und Sicherheitsstandards, hat die Katastrophe bis ins Mark getroffen. Da ist es fast unerheblich, dass das Unternehmen - soweit bislang bekannt - rein formal wohl keine Fehler gemacht hat, etwa was die Meldepflichten über die psychische Erkrankung des Co-Piloten anbelangt. Intern gibt es längst eine quälende Diskussion über nötige Konsequenzen.

Spohr muss aber nicht nur diese Diskussion taktvoll moderieren. Er muss seine Mitarbeiter auch möglichst taktvoll daran erinnern, dass sich die Lufthansa bereits vor dem 24. März in einer schwierigen Lage befunden hat und es langsam Zeit wird, die weiterhin ungelösten Themen wieder anzugehen.

Der erste große Auftritt in dieser Sache naht kommende Woche bei der Hauptversammlung am 29. April in Hamburg. Die Themen sind klar: Billigflieger und die Wettbewerber vom Persischen Golf expandieren weiter, die Kosten von Lufthansa sind im Vergleich weiterhin zu hoch, die Konzernstruktur zum Teil ineffizient und viele Konflikte ungelöst.

Dass die Piloten innerhalb des vergangenen Jahres mehr als ein Dutzend Mal gestreikt haben und einen wirtschaftlichen Schaden von mittlerweile deutlich mehr als 300 Millionen angerichtet haben, mag sich derzeit so anfühlen, als habe dies alles in einem anderen Jahrzehnt stattgefunden. Hat es aber nicht, sondern zuletzt am 21. März.

Der Streit mit den Piloten ist nur vertagt, die Lösung offen

Die Pläne des Managements sind unverändert. Eurowings soll als neue Säule im Konzern neben der Marke Lufthansa etabliert, in ihr soll das Billig- und Direktverbindungsgeschäft auf Kurz- und Langstrecken zusammengefasst werden. Die Marke Germanwings wird von Herbst an mehr oder weniger vollständig verschwinden, nur die Bemalung der Flugzeuge bleibt vorerst so bestehen, weil das die Tarifverträge so vorsehen. Nach dem Absturz dürfte der Abschied von der Marke Germanwings einigen leichter fallen. Und ob nur die Marke oder auch das einst als Billigableger gegründete Unternehmen verschwindet, hängt von den Verhandlungen in den nächsten Monaten ab.

Unter dem Eindruck der Katastrophe hat es in den vergangenen Wochen allenfalls sporadische und informelle Kontakte zwischen Management und Arbeitnehmervertretern gegeben, aber keine Verhandlungen. Unausgesprochen ist zudem klar, dass in der Germanwings-Trauerphase nicht gestreikt wird und dass diese Trauerphase noch eine Weile andauern wird.

Wie es bei der Pilotenvereinigung Cockpit weitergeht

Wenn es dann aber wieder losgeht mit Verhandlungen, könnten sich die Voraussetzungen grundlegend geändert haben. Bis Ende des Monats müssen die Mitglieder der Tarifkommission, die für die Piloten die Verhandlungen führt, entscheiden, ob sie zur Neuwahl im Mai noch einmal antreten. In Kreisen der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) heißt es, der bisherige Chef der Kommission, Thomas von Sturm, werde womöglich nicht mehr kandidieren. Der langjährige Verhandlungsführer gilt bei Lufthansa zwar als Hardliner, der das Maximum für sich und seine Kollegen herausholen will, der aber auch weiß, dass es am Ende eine Einigung geben muss. Von Sturm war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Auch seinem Stellvertreter Frank Conrad, der eher zum moderaten Flügel der Lufthansa-Piloten gezählt wird, wird nachgesagt, dass er der nächsten Tarifkommission nicht mehr angehören will.

Es könnte also gut sein, dass die Vertreter der Lufthansa bei der nächsten Runde auf neue Verhandlungspartner treffen. Das könnte eine gute Nachricht sein, weil es die Möglichkeit für einen Neustart eröffnet, aber eben auch eine schlechte. Zuletzt war immer wieder von einer Gruppe jüngerer Piloten zu hören, die noch härter auftreten will als von Sturm. Zu ihr gehört Benjamin Sindram, derzeit einer von Sturms Stellvertretern. Ihm werden Ambitionen auf den Chefposten in der Kommission nachgesagt.

Viele bei Lufthansa hoffen indes, dass das Unglück das Verantwortungsbewusstsein der Belegschaft gestärkt hat und sich die Gewerkschaft nicht so schnell auf eine neue Eskalation einlassen dürfte. Schon zum Jahreswechsel hatte es Anzeichen für einen leisen Stimmungswandel gegeben: Einige Piloten hatten sich geweigert, den Streikaufrufen zu folgen.

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