Marode Hochschule für Musik:Wasser im "Führerbau"

Die Musikhochschule München hat einen hochrangigen Mitarbeiter suspendiert.

Die Außenwände sind ramponiert: Zum Teil wurden hier Kriegsschäden konserviert, dann aber zeigt sich schlicht der Verfall.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Das Hauptgebäude der Münchner Hochschule für Musik und Theater ist dringend sanierungsbedürftig.
  • Jetzt zeichnet sich eine mögliche Generalsanierung des früheren "Führerbaus" der Nationalsozialisten ab.
  • Die Hochschule muss sich weiterhin in Geduld üben - sie ist eine der letzten in ganz Deutschland, die in den vergangenen Jahren nicht erneuert und modernisiert wurde.

Von Jakob Wetzel

Das Wasser kommt von oben, und es kommt von unten: Bei starkem Regen drückt es durch die Mauern in den Keller, die Wände sind fleckig, nicht nur hier. Unter dem Dach ist die Decke durchfeuchtet, Steinteile bröckeln von den Gesimsen, im Grunde bröckelt es am gesamten Gebäude. Auch die Leitungen sind marode, und viele Fenster sind undicht, Scheiben sitzen locker, zum Teil so locker, dass sie in die Räume zu kippen drohen. Seit Jahren klagt die Hochschule für Musik und Theater über die Schäden an ihrem Hauptgebäude, dem früheren "Führerbau" der Nationalsozialisten an der Arcisstraße. Jetzt zeichnet sich zaghaft eine mögliche Generalsanierung ab - doch die Hochschule braucht weiterhin Geduld: Bis die Arbeiten beginnen könnten, würden im günstigsten Fall noch immer mindestens zweieinhalb Jahre vergehen.

Wenn Bernd Redmann demonstrieren will, in was für einem Zustand sein Gebäude ist, dann muss er nur die Hand ausstrecken. Seit einem knappen Jahr ist der Komponist und Musikwissenschaftler Präsident der Musikhochschule. Und seit Kurzem liegt auf dem Schreibtisch seines Eckbüros im zweiten Obergeschoss der Kopf einer Venus-Statue aus Gips. Der zugehörige Torso steht in der Ecke. "Das Fenster", sagt Redmann. Als der Sturm Niklas vor wenigen Wochen über München hinwegfegte, hielt das Fenster dem Wind nicht stand. Es flog auf, der Griff prallte gegen die Gipsfigur - und köpfte sie.

Es geht nicht ohne Gelassenheit

Redmann nimmt es gelassen. "Die Figur war offenbar schon einmal geklebt", sagt er. Aber dann erzählt er vom Alltag in der Musikhochschule, beispielsweise von spontanen Stromausfällen oder davon, dass der Wasserdruck an manchen Tagen nicht für das zweite Obergeschoss reiche, dann ziehe Toilettengestank durch die Räume. Oder er berichtet von den Dreharbeiten der benachbarten Filmhochschule zuletzt: Als die Filmer das Flutlicht einschalteten, stürzte der Server der Musikhochschule ab, die Elektrik hatte den plötzlichen Spannungsunterschied im Netz nicht verkraftet. Die Webseite der Hochschule war stundenlang nicht erreichbar.

Marode Hochschule für Musik: Der ehemalige "Führerbau" an der Arcisstraße, früher ein Repräsentationsgebäude der Nationalsozialisten, ist dringend sanierungsbedürftig.

Der ehemalige "Führerbau" an der Arcisstraße, früher ein Repräsentationsgebäude der Nationalsozialisten, ist dringend sanierungsbedürftig.

(Foto: Stephan Rumpf)

Es gäbe noch viel mehr zu erzählen. Im vergangenen Jahr etwa wollte eine Studentin eines der oberen Fenster in der Bibliothek der Musikhochschule öffnen, da fiel die Fensterscheibe herab, die Studentin musste zur Seite springen. Die gekachelten Wände der Männertoiletten im ersten Obergeschoss sind brüchig, an manchen Stellen kann man durch Lücken in den Fliesen in die Kabinen sehen. Und wenn es stark regnet, dann steigt das Grundwasser derart an, dass regelmäßig der Keller unter Wasser steht. Die Musikhochschule lagert hier unten unter anderem Musikinstrumente.

Immerhin dieses Problem soll nun kurzfristig behoben werden: Der Freistaat Bayern hat drei Millionen Euro für eine Sofortmaßnahme bewilligt. "Sofort", das heißt: Das Staatliche Bauamt wartet noch die Einweihung des neuen NS-Dokumentationszentrums nebenan ab. Dann, vom 4. Mai an, lässt die Behörde Dichtwände ins Erdreich treiben, um die Musikhochschule trockenzulegen. Wenn alles fertig ist, steht das Gebäude in einer Art Wanne - und wartet weiter auf seine Sanierung.

Millionen für Sofortmaßnahmen

Viele der heute schadhaften Teile stammen noch aus der Bauzeit in den Dreißigerjahren, etwa die undichten Fenster oder die bröckelnden Fassadensteine. "Das letzte Mal wurde das Haus 1957 hergerichtet", sagt Alexander Krause, der Kanzler der Hochschule. Damals sei etwa das Leitungssystem erneuert worden. "Seitdem aber ist hier fast nichts mehr passiert." 1957 zog das Amerikahaus aus dem Gebäude aus, und der Freistaat ließ es in eine Musikhochschule umbauen, zumindest provisorisch.

Marode Hochschule für Musik: Bei starkem Regen steigt das Grundwasser in den Keller der Musikhochschule - und sorgt dort für feuchte Wände.

Bei starkem Regen steigt das Grundwasser in den Keller der Musikhochschule - und sorgt dort für feuchte Wände.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die neue Nutzung sollte den Geist der nationalsozialistischen Vergangenheit vertreiben - der "Führerbau" war von 1933 bis 1937 als Repräsentationsgebäude für Adolf Hitler errichtet worden, nach Plänen von dessen damaligem Lieblingsarchitekten Paul Ludwig Troost. 1938 war hier das Münchner Abkommen unterzeichnet worden, das Hitler erlaubte, das Sudetenland zu annektieren. Jetzt verwandelten Trennwände die einst langgezogenen Hallen und Gänge in Büros und Unterrichtsräume. Einen Schallschutz dagegen gab und gibt es nicht. "Die Kollegen haben da eine größere oder auch geringere Toleranz", sagt Präsident Redmann. "Manche können bei den Störgeräuschen im Haus nicht arbeiten."

Die Hochschule will bleiben

Ausziehen freilich will die Musikhochschule auf keinen Fall, bei allen Problemen und Provisorien, die der "Führerbau" mit sich bringt. "Wir brauchen die Nähe zur Innenstadt", sagt Redmann. Und: Wie wolle man ein Gebäude mit solcher Vergangenheit schon anderweitig nutzen? Es müsse vielmehr endlich eine Schalldämmung her. "Wir sind jetzt einfach an der Reihe mit einer Generalsanierung", findet Redmann. So gut wie alle übrigen Musikhochschulen in Deutschland seien in den vergangenen Jahren saniert worden oder hätten Neubauten beziehen dürfen. "Wir in München tragen da die rote Laterne."

Jetzt immerhin habe der Freistaat 65 Millionen Euro in den Doppelhaushalt für 2015 und 2016 eingestellt. Doch die Summe sei nur grob geschätzt, heißt es im Staatlichen Bauamt - und der Posten bedeutet nicht, dass auch bald gebaut wird.

Die Musikhochschule müsse jetzt erst einmal einen Antrag beim bayerischen Wissenschaftsministerium stellen, sagt Bauamtsleiter Gero Hoffmann. Dann erhalte das Amt den Auftrag, zu planen, "hoffentlich eine Generalsanierung", aber auch das müsse politisch erst entschieden werden. Und dann müsse man eben sehen, ob es bei den geschätzten 65 Millionen Euro bleibt. "Bei alten, denkmalgeschützten Gebäuden ist das ein bisschen wie Lotto spielen", sagt Hoffmann. Natürlich gebe es Erfahrungswerte. Aber Pläne könnten veraltet sein, und manchmal stoße man auch auf völlig Unerwartetes: Überraschungen birgt womöglich auch der "Führerbau": Hier gibt es im zweiten Untergeschoss einen großen, ummauerten Bereich, der offenbar zugeschüttet worden sei, sagt Hoffmann. Was sich darin befinde, wisse niemand genau. "Das müssten wir erst untersuchen, aber auch das kostet Geld." Und bis der Planungsauftrag aus dem Ministerium komme, seien dem Bauamt ohnehin die Hände gebunden. Für die marode Musikhochschule heißt das: Sie muss erst einmal warten, so wie bisher.

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