Überwachung:Augen auf

Sigmar Gabriel will den Export von Spähtechnologie erschweren - weil autoritäre Regime sie nutzen, um ihre Völker zu unterdrücken.

Von Frederik Obermaier

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will die Exportkontrollen für Überwachungstechnologie massiv verschärfen. Eine überarbeitete Außenwirtschaftsverordnung schickte Gabriels Ministerium am Montag zur Abstimmung an mehrere Bundesministerien. Laut dem Entwurf, den die SZ einsehen konnte, müssen Lieferungen sogenannter Monitoring Center, also Anlagen zum Ausspähen von Telefon-, Handy- und Internetkommunikation, künftig zur Kontrolle vorgelegt werden. Dies gilt auch für Wartungsaufträge bestehender Anlagen. Erst wenn das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) den jeweiligen Auftrag genehmigt, dürfen deutsche Firmen ins Ausland liefern. Ausnahmen soll es laut der neuen Verordnung nur bei wenigen Ländern, etwa bei EU-Mitgliedstaaten, geben.

Deutsche Firmen gehören zu den Marktführern auf dem weltweiten Markt für Überwachungstechnologie. Die Bundesregierung sah die Späh-IT als Zukunftsmarkt und unterstützte das Geschäft in Einzelfällen sogar mit Exportbürgschaften. Mit Unterstützung aus Berlin belieferten Firmen aus Aachen, Bad Homburg, Leipzig oder Bexbach über Jahre hinweg die Welt mit Werkzeugen für den Überwachungsstaat. Geliefert wurde an die Sicherheitsbehörden in unverdächtigen Ländern wie Frankreich und Österreich, aber eben auch an fragwürdige Regime wie Iran, Syrien, Libyen und Äthiopien. Nokia Siemens Networks beispielsweise hat einst ein Monitoring Center an die syrische Mobilfunkgesellschaft Syriatel verkauft. Das Münchner Unternehmen Trovicor soll Spähtechnik in das autoritär regierte Königreich Bahrain geliefert haben. Der Arabische Frühling offenbarte schließlich, was man eigentlich schon vorher ahnen konnte: dass die Regime die Technik nicht nur gegen Kriminelle einsetzten, sondern auch gegen die Opposition.

Gabriel verkündete daher 2014 einen plötzlichen Kurswechsel in Sachen Export von Überwachungstechnologie. "Autoritäre Regime unterdrücken ihre Bevölkerung schon lange nicht mehr nur mit Panzern und Maschinengewehren, sondern zunehmend auch mit Internet-Überwachungstechnologie", begründete Gabriel den Schritt. Über sogenannte Einzeleingriffe sollen seither einige wenige Ausfuhren gestoppt worden sein. Auf EU-Ebene wurde auf Gabriels Betreiben indes eine Expertengruppe zum Umgang mit heiklen Exporten von Spähtechnologie eingesetzt. Weil neue und verbindliche Regelungen auf EU-Ebene allerdings erst in einigen Jahren erwartet werden, poche Gabriel für die Zwischenzeit auf eine eigene, eine deutsche Lösung, heißt es im Wirtschaftsministerium.

Gabriel war zuletzt vorgeworfen worden, dass er in Sachen Spähtechnologie zwar gerne stärkere Kontrollen und mehr Transparenz fordere, sich sein Ministerium auf Fragen jedoch schmallippig gebe. Zudem seien zu bisherigen Ausfuhren widersprüchliche Angaben gemacht worden.

Mit der neuen Außenwirtschaftsverordnung wird Spähtechnologie nun rechtlich mit Dual-Use-Gütern gleichgesetzt, also mit Produkten, die man als Werkzeug oder Waffe, zivil oder militärisch, einsetzen kann. Es ist ein logischer Schritt, denn Überwachungstechnologie kann von Sicherheitsbehörden etwa für Ermittlungen gegen Kinderschänder eingesetzt werden - aber eben auch gegen unliebsame Oppositionelle.

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