Auschwitz-Prozess in Lüneburg:Früherer SS-Mann Gröning legt Geständnis ab

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Oskar Gröning heute und während des Zweiten Weltkrieges in SS-Uniform (Foto: AP/dpa)

"Moralisch mitschuldig": Im Auschwitz-Prozess legt der 93-jährige Angeklagte Gröning ein umfangreiches Geständnis ab. Er muss sich wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen verantworten.

Oskar Gröning räumt Mitschuld ein

In einem der letzten großen Auschwitz-Prozesse hat der 93-jährige Angeklagte Oskar Gröning ein umfangreiches Geständnis abgelegt. "Für mich steht außer Frage, dass ich mich moralisch mitschuldig gemacht habe", sagte der frühere SS-Mann am Dienstag vor Gericht in Lüneburg.

Er räumte ein, 1942 gleich bei seiner Ankunft von der Vergasung der Juden im Konzentrationslager Auschwitz erfahren zu haben. "Ich bitte um Vergebung. Über die Frage der strafrechtlichen Schuld müssen Sie entscheiden."

Gröning muss sich wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen verantworten. Unter den etwa 60 Nebenklägern sind Holocaust-Überlebende und Angehörige.

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Was Gröning in Auschwitz tat

Oskar Gröning gilt als "Buchhalter von Auschwitz". Weil er eine Banklehre absolviert hatte, wurde er 1942 in dem Konzentrationslager dafür eingeteilt, zurückgelassenes Geld und Wertgegenstände der neu angekommenen Häftlinge zu zählen und an die SS in Berlin weiterzuleiten. Im September 1944 wechselte er auf eigenen Wunsch in eine Einheit, die an der Front kämpfte.

Nach dem Krieg kam Gröning zunächst in britische Gefangenschaft, dann lebte er mit Frau und Kindern ein bürgerliches Leben in der Lüneburger Heide. Mitte der 1980er Jahre berichtete er der britischen BBC in einer Dokumentation über das, was er in Auschwitz gesehen und getan hatte. Er selbst beschrieb sich dabei als "Rädchen im Getriebe".

Gegen den heute 93-Jährigen wurde bereits 1977 ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt stellte das Verfahren im März 1985 aber mangels Beweisen ein.

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Änderung der Rechtsauffassung

Die Rechtsprechung bezüglich der Verbrechen in Auschwitz war in der Vergangenheit eine andere. Der Bundesgerichtshof (BGH) verlangte einen Nachweis einer individuellen Tätigkeit, die direkt oder wenigstens indirekt zum Tode eines oder mehrerer Häftlinge führte. Durch den Prozess gegen den früheren KZ-Aufseher John Demjanjuk hat sich die Rechtsauffassung geändert.

Das Landgericht München urteilte, dass es für einen Tatnachweis ausreichen muss, dass der Verdächtige zum Tatzeitpunkt im Lager anwesend war und um das Geschehen wusste ( Mehr dazu lesen sie in diesem Interview). Demjanjuk starb, bevor es zu einem rechtskräftigen Urteil gegen ihn kommen konnte.

© SZ.de/SZ vom 22.04.2015/dpa/gal/fie/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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