Verteidiger beim FC Bayern:"Ja mei, der Dante"

Bayer Leverkusen v FC Bayern Muenchen - DFB Cup

Rauft sich manchmal selbst die Locken: Bayern-Verteidiger Dante.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Die Zeit von Dante beim FC Bayern dürfte zu Ende gehen: Er ist 31 Jahre alt und die Stimmung gegen ihn unumkehrbar.
  • Der Münchner Fußballbetrieb hat wieder einen gefunden, auf den man herzhaft schimpfen kann.
  • Hier geht es zu den Viertelfinal-Partien der Champions League.

Von Thomas Hummel

Zu Hause, im herrlich unaufgeregten Stadtteil Federação von Salvador da Bahia, werden am frühen Nachmittag einige Leute in der Sackgasse oberhalb des Supermarkts parken und die enge Steintreppe hinuntersteigen zu Oma Didi und Onkel Jonilson. Das kleine Wohnzimmer mit dem braunen Ledersofa wird voll sein, im Fernsehen wird der FC Bayern gegen den FC Porto in der Champions League spielen und von der Wand blickt der dreijährige Dante auf einem Bild mit seinen großen, warmen Augen herunter.

Ganz Federação wird sich dieses Spiel anschauen und mit den Münchnern fühlen. Seitdem der hier aufgewachsene Dante Bonfim Costa Santos bei dem berühmten Klub auf der anderen Seite des Atlantiks spielt, gibt es eine ganze Kolonie Bayern-Fans. Nach dem Spiel werden die Leute hinaufgehen zu den gelben Stühlen vor der kleinen Bar, ein bisschen Samba hören und am Bier nippen. Sie werden dann darüber reden, was nun wird aus ihrem Dante. Denn das am Dienstag mehr von dem 31-Jährigen zu sehen sein wird, als das Bild an der Wand in Oma Didis Wohnzimmer, ist unwahrscheinlich: Ihr Dante hat zurzeit einen schweren Stand in München.

Der bayerische Fußballbetrieb ist nicht bekannt dafür, im Falle eines Misserfolgs besonders nachsichtig zu sein. Am besten ist es, die Gemeinde findet einen Schuldigen. Da reicht schon, wenn sich einer nicht zum Elfmeterschießen traut wie damals Toni Kroos im Champions-League-Finale 2012. Große Anerkennung erhielt er nie wieder im Klub. Jetzt spielt er bei Real Madrid.

Nun hat der FC Bayern im Viertelfinale 1:3 gegen Porto verloren, die Münchner Fangemeinde saß vor einer Woche teilweise entsetzt vor den Bildschirmen - um sogleich den einen zu finden, auf den man nun herzhaft schimpfen kann. Der eine heißt seitdem Dante.

Dantes Misere begann im vergangenen Jahr in Belo Horizonte. Es war sein erster Einsatz bei der Heim-WM für die Seleção, Halbfinale gegen Deutschland. Er war Mitglied einer Abwehr, die weltbewegende sieben Gegentore zuließ. Dabei traf ihn die kleinste Schuld an diesem epochalen Niedergang der Brasilianer. Während die Nebenleute Marcelo, David Luiz oder Fernandinho außer Rand und Band waren, hielt Dante wenigstens seine Position. Monate später beschwerte er sich dennoch, dass ihn in München die Leute seit dem 1:7 schlechter bewerten würden, "mit weniger Respekt".

Dante hat in seinem Leben viele Widerstände überwinden müssen. Er wuchs praktisch ohne Vater auf, als Jugendlicher zog er für seine Fußballausbildung in den Hunderte Kilometer entfernten Süden Brasiliens. Dante ist ein zäher Kämpfer. Dennoch ist es schwer zu sagen, ob die Deutschen ihn wirklich anders sahen nach der WM. Oder ob darin mehr Dantes Gefühl sprach. Es hätte jedenfalls angenehmere Orte gegeben, um dieses WM-Halbfinale zu verdauen.

Alles begann mit De Bruyne

Spürbar begann seine Wertschätzung in München zu sinken, nachdem er im Januar zum Rückrundenstart den Zweikampf gegen Kevin De Bruyne nicht gewinnen konnte. Der Wolfsburger fuhr einen der etlichen Konter, er hatte nur noch Dante vor sich. Im vollen Tempo schlug De Bruyne einen Haken und drosch den Ball mit links unter die Latte. Danach hieß es: Dante ist zu langsam, zu steif. Das war's für ihn.

Ja, so ist das in München: Ein verlorener Zweikampf und die Leute reden davon, dass man mit diesem Dante nichts mehr anfangen könne. Die Frage, ob ein De Bruyne bei vollem Tempo überhaupt von einem Verteidiger zu stoppen ist, wurde dabei nicht gestellt.

Es ging weiter in Hannover, wo er beim Gegentor die Situation zu spät erkannte. Dante war der letzte in einer Reihe von Münchner Späterkennern. Die Kritik aber bekam der Brasilianer zu spüren. Dann der Klops von Porto. Ein dicker, entscheidender Klops. Franz Beckenbauer gab den Ton vor: "Ja mei, der Dante. Wenn das jetzt ein Isländer wäre, oder wenn der vom Nordpol käme, dann würde ich sagen, gut, der hat seine Skistiefel noch an. Aber so: fürchterlich." Irgendwas zwischen beißender Kritik und kaiserlichem Hohn. Xabi Alonso? Jérôme Boateng? Nun ja.

Die Zeit von Dante beim FC Bayern dürfte zu Ende gehen. Er ist 31 Jahre alt und die Stimmung ist inzwischen unumkehrbar. Hat er den Ball, warten die Leute förmlich auf den nächsten Fehler, das geht an keinem spurlos vorüber. Er wirkt verunsichert, in Hoffenheim schlug er als letzter Mann grotesk über den Ball, Torwart Manuel Neuer musste gegen den durchgestarteten Modeste retten.

Und so darf sich ein anderer Verein freuen auf einen Abwehrspieler, der im Normalfall zu den allerbesten gehört. Der das auch in München immer wieder bewiesen hat mit grandiosen Partien zum Beispiel in Dortmund oder Leverkusen. Wo er mit der Ruhe eines Caipirinha-Verkäufers in Federação die Zweikämpfe gewann und den Spielaufbau einleitete. Nach dem 1:0 in Dortmund schwärmte Trainer Pep Guardiola: "Ich hätte gerne 1000 Dantes in meinem Team." Es war etwas überschwänglich. So überschwänglich, dass es eine Überraschung wäre, wenn Dante trotz der fitten Boateng und Holger Badstuber an diesem Dienstagabend gegen Porto in der Startelf stehen würde.

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