Prozesse gegen Muslimbrüder:20 Jahre Haft für Mursi - weniger hart als erwartet

  • Keine Todesstrafe für Mohammed Mursi. Stattdessen 20 Jahre Haft. Das gilt als mildes Urteil. Dennoch droht dem ägyptischen Ex-Präsidenten in weiteren Verfahren ein Todesurteil.
  • Die Anhänger der islamistischen ehemaligen Regierungspartei werden unter Ägyptens Militärregime schwer verfolgt. Viele Parteifreunde Mursis wurden bereits zum Tod oder zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
  • Mursis Verteidiger kündigten an, das Urteil anzufechten. Auch die Staatsanwaltschaft hat die Möglichkeit, einen Überprüfung des Richterspruchs zu fordern.
  • Mursi weigert sich, das Gericht anzuerkennen. Er bezeichnet sich weiterhin als legitimen Präsidenten Ägyptens.

Von Paul-Anton Krüger

Ein Strafgericht in Kairo hat den vom ägyptischen Militär gestürzten Ex-Präsidenten Mohammed Mursi in erster Instanz zu 20 Jahren Haft verurteilt. Es war das erste Urteil gegen den Islamisten, gegen den insgesamt vier Prozesse laufen. Richter Ahmed Youssef sprach ihn zusammen mit führenden Mitgliedern der Muslimbruderschaft und der ebenfalls verbotenen Partei für Freiheit und Gerechtigkeit unter anderem wegen Freiheitsberaubung, Bedrohung und Körperverletzung schuldig.

Den Vorwurf des Mordes und versuchten Mordes ließ der Richter aber fallen, ebenso wie die Anklagepunkte wegen illegalen Besitzes von Waffen und Munition. Wäre Mursi in diesen Punkten für schuldig befunden worden, hätte ihn das Gericht zu lebenslanger Haft oder sogar zum Tode verurteilen können.

Kein Todesurteil - das gilt als wichtiges Signal

Die Urteile sind zunächst nicht rechtskräftig; sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Angeklagten können in Berufung gehen. Die Verteidigung kündigte kurz nach der Urteilsverkündung an, diesen Schritt zu gehen. Das Urteil wurde in Ägypten dennoch als wichtiges Signal für den Umgang mit den führenden Mitgliedern der inzwischen als Terrororganisation eingestuften Muslimbruderschaft gesehen. Weithin war mit einem Todesurteil oder lebenslanger Haft gerechnet worden.

In dem Prozess ging es um die Tötung von mindestens 10 Demonstranten, die am 5. Dezember 2012 vor dem Präsidentenpalast Ittihadiyah mit einer Sitzblockade gegen ein Dekret Mursis vom November des gleichen Jahres demonstrieret hatten. Darin hatte er der Justiz das Recht abgesprochen, seine Anordnungen zu überprüfen. Die Staatsanwaltschaft hatte Mursi und anderen Angeklagten vorgeworfen, Anhänger der Muslimbruderschaft zu Gewalt angestiftet und sich selbst daran beteiligt zu haben, nachdem sich die Präsidentengarde geweigert habe, die Versammlung aufzulösen.

In anderen Verfahren droht Mursi weiterhin die Todesstrafe

Neben Mursi wurden auch Mohammed el-Beltagy zu 20 Jahren Haft verurteilt, ein führendes Mitglied der Muslimbruderschaft, ebenso Essam el-Erian, der stellvertretende Chef der Partei für Gerechtigkeit und Freiheit. Mursi ist in anderen Verfahren unter anderem wegen Spionage für feindliche Mächte angeklagt und wegen Ausbruchs aus dem Gefängnis während der Revolte gegen seinen Vorgänger Husni Mubarak im Jahr 2011. Die Urteile in diesen Verfahren werden im Laufe des Jahres erwartet und könnten ihm ebenfalls noch die Todesstrafe einbringen.

Mursi hatte sich geweigert, das Gericht anzuerkennen und sich weiter als "legitimen Präsidenten Ägyptens" bezeichnet. Er wird in einem Hochsicherheitsgefängnis in Alexandria gefangen gehalten und war mit einem Hubschrauber zum Urteilsverkündung in einem Gerichtssaal in der Polizeiakademie am Stadtrand von Kairo geflogen worden. Er war Mitte 2012 aus den ersten freien Präsidentenwahlen in der Geschichte Ägyptens als Sieger hervorgegangen. Nach Massenprotesten gegen seinen zunehmend autoritäre Regierungsstil setzte ihn das Militär Anfang Juli 2013 ab. Seitdem ist er in Haft.

Andere Muslimbrüder wurden zu lebenslanger Haft oder zum Tod verurteilt

Andere führende Mitglieder der Muslimbruderschaft, unter ihnen der geistliche Führer Mohammed Badie und Khairat el-Schater, ein führender Stratege und Finanzier der Bruderschaft, waren in der vergangenen Woche zum Tode verurteilt worden, allerdings in einem anderen Prozess. Dabei ging es um die Räumungen von zwei Protestcamps der Muslimbrüder in Kairo im Sommer 2013, bei denen Hunderte Menschen ums Leben gekommen waren. Die Urteile können noch vor dem Kassationsgericht, Ägyptens oberster juristischer Instanz angefochten werden.

Mehr als 20 weitere Angeklagte wurden zu lebenslanger Haft verurteilt, unter ihnen der frühere Parteisprecher Gehad Haddad und der amerikanisch-ägyptische Aktivist Mohammed Soltan. Dieser sitzt seit August 2013 im Gefängnis und protestiert dagegen mit einem Hungerstreik. Sein Vater Salah Soltan wurde zum Tode verurteilt.

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