Affäre Schottdorf:Dritter LKA-Beamter belastet Behörden schwer

Untersuchungsausschuss 'Labor'

Bekamen tiefe Einblicke in die Zerstrittenheit der Soko Labor: Alexander König (links) und Franz Schindler, die Vorsitzenden des U-Ausschusses.

(Foto: Hoppe/dpa)
  • Ein dritter LKA-Beamter belastet die bayerischen Behörden schwer: In den Jahren 2006 bis 2009 habe er viele zweifelhafte Vorgänge beobachtet.
  • Er wirft Vorgesetzten aus dem Landeskriminalamt und der Generalstaatsanwaltschaft vor, Ermittlungen gegen Ärzte verhindert zu haben.
  • Damals habe er die Missstände jedoch nicht gemeldet - aus Angst vor dem eigenen Karrieretod.

Von Stefan Mayr

Alois Schötz fährt sich mit zitternden Fingern über die Stirn. Die Anspannung ist dem 55-jährigen Polizisten vom Landeskriminalamt anzumerken. Und sie ist nachvollziehbar. Denn was er vor dem Untersuchungsausschuss Labor aussagt, hat gehörige Sprengkraft. Er spricht von "auffälligen Eigenartigkeiten" bei den Ermittlungen gegen den CSU-nahen Augsburger Laborunternehmer Bernd Schottdorf. Diese hätten sich "wie ein roter Faden durch das gesamte Verfahren" gezogen. Schötz wirft sowohl Vorgesetzten aus dem LKA als auch der Generalstaatsanwaltschaft vor, Betrugsermittlungen gegen Tausende Ärzte behindert zu haben.

Mit ruhiger, fast schon leiser Stimme berichtet der ehemalige Vizechef der Sonderkommission "Labor" über seine Erfahrungen aus den Jahren 2006 bis 2009. "Ich schleppe dieses Verfahren bis heute wie einen Mühlstein mit mir herum", sagt Schötz. Anders als seine LKA-Kollegen Stephan Sattler und Robert Mahler habe er zunächst "nicht den Schneid" gehabt. "Ich hatte nicht den Mut, die Missstände schriftlich aufzuzeigen, die sich im Verfahrensverlauf, auch mir als erfahrenem Ermittler, immer wieder offenbart hatten." Aus "Angst" habe er bis heute geschwiegen. "Denn jeder, der unser System kennt, weiß, mit so einem Beschwerdebrief unterschreibt man seinen eigenen Karrieretod." Als geschiedener Vater zweier Kinder mit Unterhaltsverpflichtungen habe er sich zunächst entschieden zu schweigen.

Schötz entdeckte ein Korruptionsdelikt

Doch für diesen Dienstag hat sich Alois Schötz entschlossen, reinen Tisch zu machen. Er erscheint mit einem Anwalt an seiner Seite und liest ein vorbereitetes Statement vom Blatt ab. Er berichtet von seinen Ermittlungen gegen den ehemaligen Augsburger Staatsanwalt Uwe H., der von Labor-Millionär Schottdorf einen zinsgünstigen Kredit bekommen hatte und später wegen Vorteilsannahme verurteilt wurde. Der damals gegen H. ermittelnde Staatsanwalt habe zu Schötz gesagt: "Was glauben Sie, warum ich dieses Verfahren bekommen habe? Ich bin der Einsteller vor dem Herrn."

Damit deutet er an, dass die Staatsanwaltschaft oder gar die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren gegen den korrupten und unehrenhaft entlassenen Ermittler einstellen lassen wollte, weil dabei peinliche Einzelheiten an die Öffentlichkeit geraten könnten. Alois Schötz berichtet, die Generalstaatsanwaltschaft München habe parallel zu seinen Ermittlungen geprüft, ob H. früher bei seinen Verfahren das Recht gebeugt habe. Schötz wurde mitgeteilt, dass die Generalstaatsanwaltschaft "keine Auffälligkeiten festgestellt" habe und dass "alles in Ordnung sei". Er selbst habe aber sehr wohl ein Korruptionsdelikt entdeckt. Uwe H. wurde 2007 wegen Betrugs und Vorteilsannahme zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

Verfahren gegen Ärzte wurden plötzlich eingestellt

Auch in einem weiteren Verfahren gegen Schottdorf wegen des Verdachts auf Abrechnungsbetrug gab es laut Schötz zweifelhafte Eingriffe: So sei zunächst geplant gewesen, 20 bis 25 Münchner Arztpraxen zu durchsuchen. Doch nach nur elf Durchsuchungen habe der Staatsanwalt plötzlich mitgeteilt, er dürfe keine weiteren Durchsuchungsbeschlüsse mehr erwirken. "Mir war damit klar", sagt Schötz, "dass er eine Weisung von oben zur Änderung seiner Strategie erhalten hatte."

Der Staatsanwalt musste sich fortan auf ein Pilotverfahren gegen einen Münchner Arzt konzentrieren. Viele andere Betrugsfälle musste er an die Staatsanwaltschaft Augsburg abgeben. Dort wurden die Verfahren "postwendend" eingestellt, wie Schötz berichtet. "Als ich davon erfuhr, hat's mich vom Stuhl g'haut." Durch die Einstellung kamen viele Verdächtige straffrei davon - obwohl der Arzt aus dem Pilotverfahren später rechtskräftig verurteilt wurde. Schötz schüttelt den Kopf und sagt: "Auf Bairisch gesagt, ist der Pilotarzt der Depp." Das alles habe "mit der Gleichheit vor dem Gesetz nichts zu tun".

Schötz' Zeugenaussage könnte großen Einfluss haben

Es ist die 15. Sitzung des Untersuchungsausschusses Labor, dabei ist viel von Streitigkeiten, Grüppchenbildung und Inkompetenz in der Soko Labor die Rede. Alois Schötz berichtet sogar, der Soko-Chef habe ihm untersagt, im Pilotverfahren den Haftbefehl zu vollziehen. Schötz holt tief Luft und sagt: "Da hat ein Richter darüber entschieden, und ein Sokoleiter untersagt mir den Vollzug."

Schötz' markige Aussage könnte die weitere Aufarbeitung der Affäre Schottdorf massiv beeinflussen. Bislang hatten nur zwei Polizisten öffentlich von Ungereimtheiten während der Ermittlungen berichtet. Nicht wenige Ausschuss-Mitglieder haben bislang durch ihre Fragen durchblicken lassen, dass sie die zwei Beamten als Einzelgänger erachten, die sich in etwas verrannt hatten. Es gibt auch LKA-Beamte, die von "Verschwörungstheorien" sprechen und beteuern, keinerlei politische Einflussnahme erkennen zu können.

Zweifelhafte Vorgänge in den Behörden

Aber jetzt sind es schon drei Polizisten, die von zweifelhaften Vorgängen in Bayerns Behörden berichten. Seit Dienstag kann der Ausschuss die Kritik der Beamten nicht mehr als übertriebene Einzelmeinungen vom Tisch wischen. Der SPD-Abgeordnete Franz Schindler fasst das Gehörte so zusammen: "Da stimmt was nicht."

Die brisanteste Frage ist nach wie vor: Warum hat die Staatsanwaltschaft Augsburg die Verfahren entgegen der Absprache eingestellt? "Ab Übernahme durch Augsburg war das ein Griff ins Klo", sagt Schötz. Er legt seine Handkante auf die Schulter und ergänzt: "Bis hier herauf."

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