Marokko:Von Topf zu Topf

Ihre Hochzeitsreise führt Rob und Sophia Palmer in die Küchen und auf die Märkte Marokkos. Es entsteht weit mehr als nur ein Kochbuch.

Von Stefan Fischer

Nein, Liebe auf den ersten Blick war es nicht: Der australische Fotograf Rob Palmer erinnert sich an seinen ersten Besuch in Marokko: "Es war aufregend, aber auch ermüdend und frustrierend." Alles sei ihm fremd gewesen, zudem würden die Marokkaner ständig reden, sich austauschen - und "anfangs habe ich vieles nicht mitbekommen", sagt Palmer. Weil er zu angespannt gewesen sei.

Ein zweites Mal ist Rob Palmer nach Marokko gereist, um dort zu heiraten. Seine Frau Sophia, deren Mutter eine Marokkanerin ist und die bis zum Alter von 13 Jahren in Casablanca aufgewachsen ist, wusste, wo sich solch ein Fest besonders gut feiern lässt. Wovon sich auch die australischen Freunde ihres Mannes gerne überzeugen haben lassen.

Die - wenn man so will - Hochzeitsreise führte das Paar von Marrakesch aus durch halb Marokko, erst an die Küste nach Essaouira, hinauf nach Casablanca und Rabat, von dort über Meknès und Fès bis an die algerische Grenze bei Oujda und weiter Richtung Süden über Merzouga und anschließend Richtung Westen über Ouarzazate zurück nach Marrakesch. Es war eine Reise über die Märkte und durch die Küchen des Landes; das Buch der beiden, das dabei entstanden ist, "Zu Gast in Marokko", ist dementsprechend ein kulinarisches Porträt. In einem kurzen, gleichwohl gehaltvollen Aufsatz erklärt Eben Pierce Lenderking von der Sanssouci-Collection-Kochschule in Marrakesch, durch welche Einflüsse sich die marokkanische Küche zu dem entwickelt hat, was sie heute ist - es ist zugleich eine kleine Geschichtslektion: Die Phönizier brachten von 1100 v. Chr. an Konservierungstechniken wie das Lufttrocknen mit, außerdem Weinstöcke. Die Hebräer führten wohl Safranfäden in die Berberküche ein - bis heute gibt es typisch jüdische Gerichte in Marokko wie Skhina, einen Rindfleisch-Kartoffel-Auflauf mit dicken Bohnen. Jacky Kadoch, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Marrakesch, weist Rob und Sophia Palmer auf den Proteinreichtum des Gerichts hin, weshalb Skhina ein typisches Sabbatgericht sei: Denn in den Nächten von Freitag auf Samstag würden die Babys gezeugt.

Das hatte den Palmers bereits Sophias Mutter mit auf den Weg gegeben: Wer etwas über die marokkanische Küche lernen will, muss mit den Menschen sprechen, die sie zubereiten - und ihnen am besten dabei helfen. Rezepte, wenn es sie überhaupt gibt, sind dort nur Zutatenlisten. "Aynek Mesanek", sagt die Mutter der Tochter - deine Augen sind deine Messbecher! Und auch wenn Rob und Sophia Palmer aus ihren Beobachtungen Rezepte destilliert haben mit Mengenangaben und Erklärungen zu den Zubereitungsschritten, so ist "Zu Gast in Marokko" weit mehr als nur ein Kochbuch. Der Band handelt von spannenden Begegnungen, von Traditionen und wie sie manchmal gebrochen werden. Und das Buch sensibilisiert für die regionalen Unterschiede des Klimas, der Vegetation, der Mentalität der Menschen. All das kulminiert in dem, was auf den Tisch kommt.

Rob und Sophia Palmer: Zu Gast in Marokko. Verführerische Rezepte einer kulinarischen Reise. Callwey Verlag, München 2015. 288 Seiten, 39,95 Euro.

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