Abmahnung von NRW-Chef Pretzell:AfD gegen AfD

AfD - Marcus Pretzell

Die Abmahnung gegen Pretzell kam mit einer knappen Mehrheit von fünf zu vier Stimmen zustande

(Foto: dpa)
  • Die AfD-Spitze hat ihren NRW-Landesvorsitzenden Marcus Pretzell abgemahnt. Es geht unter anderem um finanzielle Unregelmäßigkeiten und "mehrfach falsche oder geschönte Darstellung eigener Verfehlungen" von Pretzell.
  • Kritiker halten das Verfahren, das zur Abmahnung führte, für unfair. Es diene nur dazu, Pretzell loszuwerden.
  • Pretzell räumt gegenüber der SZ Fehler im Umgang mit seinen Finanzen aufgrund privater Probleme ein. Nun aber sei alles erledigt
  • An diesem Wochenende soll der Parteitag der AfD stattfinden. Es werden Anträge zur Abwahl von Pretzell erwartet.

Von Jens Schneider, Berlin

In der Alternative für Deutschland eskaliert der Konflikt um die Führungsspitze in Nordrhein-Westfalen, dem größten Landesverband. Im Zentrum steht die Kritik am Landesvorsitzenden Marcus Pretzell. In der Partei spricht man von der "Causa Pretzell". Es gibt in dieser Causa einen internen Bericht, einen Folgebericht mit vielen Details, die man eigentlich gar nicht erfahren möchte, und von denen manches wohl weder die Öffentlichkeit noch die Partei interessieren sollte. Die Geschichte ist auch ohne die Details kein Spaß.

Dem Europaabgeordneten und Landesvorsitzenden Pretzell werden von einer vom Bundesvorstand beauftragten Untersuchungskommission massive Verfehlungen vorgeworfen. Am Dienstag hat der Bundesvorstand unter Führung des Vorsitzenden Bernd Lucke gegen ihn eine Abmahnung ausgesprochen. Hintergrund der Vorwürfe sind zunächst einmal finanzielle Unregelmäßigkeiten, die bei Pretzell aufgrund von privaten Problemen entstanden sind.

Doch das Vorgehen gegen den 41 Jahre alten Juristen ist in der AfD heftig umstritten. Kritiker sehen darin den Versuch, einen erklärten Widersacher von Parteichef Lucke politisch auszuschalten. Das Ziel sei offenbar die Abwahl von Pretzell in Nordrhein-Westfalen. Am Samstag soll in Bottrop der 9. Landesparteitag der nordrhein-westfälischen AfD stattfinden. Die Abmahnung lässt sich leicht als Empfehlung zur Abwahl Pretzells verstehen, die Parteispitze informiert gerade die dortigen Mitglieder en detail über den Vorgang.

Kritiker bezweifeln Fairness und Unparteilichkeit des Verfahrens

Über diesen Umgang mit Pretzell ist auch der Bundesvorstand der AfD gespalten, die Abmahnung kam mit einer knappen Mehrheit von fünf zu vier Stimmen zustande. Die Kritiker bezweifelten dem Vernehmen nach, dass die Fairness und die Unparteilichkeit in diesem Verfahren gewährleistet sind. Das Gutachten zu Pretzell strotze vor Parteilichkeit, kritisierten sie. Offenbar stimmten anders als Lucke seine beiden Ko-Vorsitzenden Frauke Petry und Konrad Adam nicht für die Abmahnung.

Große Irritation herrscht darüber, dass die Untersuchungsberichte öffentlich gemacht wurden und nun auch vom Bundesvorstand an alle AfD-Mitglieder in Nordrhein-Westfalen gesandt werden sollen. Durch dieses Vorgehen werden, kurz vor dem Landesparteitag, auch Einzelheiten über die private Situation des Landesvorsitzenden bekannt. Von Pretzell heißt es, dass er über dieses Vorgehen nicht vorab informiert war.

Finanzamt wollte Pretzells private Steuerschuld bei der Partei pfänden

Ausgelöst wurde die Affäre durch private finanzielle Unregelmäßigkeiten bei Pretzell, deretwegen sich das Finanzamt auch an die Partei in Nordrhein-Westfalen gewendet hatte. Vor einigen Monaten hatte das Finanzamt versucht, eine Steuerschuld Pretzells bei der Partei zu pfänden. Aufgrund von familiären Problemen hatten Pretzell einige Briefe nicht erreicht, heißt es. Er erklärte das gegenüber der Untersuchungskommission seiner Partei mit "privaten chaotischen Zuständen" in jener Zeit.

Pretzell hat diese Steuerschuld und verhängte Zwangsgelder nach eigenen Angaben inzwischen beglichen. Es ging dabei offenbar um rund 1300 Euro. Der AfD sei keinerlei Schaden entstanden, heißt es auch im Untersuchungsbericht.

Allerdings wird in dem sogenannten Sonderbericht, den zwei "unabhängige Sonderprüfer" - der Finanzrichter Michael Balke und der AfD-Rechnungsprüfer Roland Wark - im Parteiauftrag erstellten, ein hartes Urteil über Pretzell gefällt. Sie schreiben, dass er "überfordert" sei mit der Aufgabe, zugleich sein Mandat in Straßburg und das Amt innerhalb des Landesvorstand auszuüben. Sie empfehlen ihm deshalb, sich "ohne schuldhaftes Verzögern" aus dem Landesvorstand zurück zu ziehen.

Nach einer Anhörung Pretzells am letzten Freitag im Vorstand folgte nun ein zweiter, noch schärferer "Folgebericht" der beiden Prüfer. Die Vorwürfe sind noch härter. Der Anlass dafür ist, dass bei den Prüfungen der "dringende Verdacht" aufgekommen sei, dass Pretzell keine "melderechtlich gültige Anschrift in Nordrhein-Westfalen" gehabt habe, als er im letzten Juni zum Landesvorsitzenden gewählt wurde. So steht es im Bericht. Die Rede ist nun von "persönlicher Überforderung, die an Intensität in den letzten Tagen zugenommen hat". Es wird angezweifelt, dass Pretzell noch die Fähigkeit habe, "ein bestimmtes Parteiamt zu bekleiden". Diese Fähigkeit, so heißt es, solle ihm von der Partei aberkannt werden. Auch über eine Amtsenthebung möge der Bundesvorstand nachdenken.

Abgemahnt - gleich aus fünf Gründen

Der Bundesvorstand machte sich diese Forderungen jetzt nicht zu eigen. Aber er fügt seiner Mail an die AfD in NRW eben diesen Bericht an. Und erklärt: "Laut diesem Fortsetzungsbericht besteht der dringende Verdacht, dass Herr Pretzell bereits seit längerer Zeit nicht mehr Mitglied im Landesverband NRW ist." Der Grund dafür sei die Tatsache, dass Pretzell angegeben habe, in Deutschland keinen melderechtlichen Wohnsitz zu haben, sondern in Brüssel gemeldet zu sein. Das solle geprüft werden. Abgemahnt wird Pretzell gleich aus fünf Gründen - unter anderem, weil er "mehrfach falsche oder geschönte Darstellung eigener Verfehlungen gegenüber der Mitgliedschaft des Landesverbandes NRW verbreitet" habe.

Die trübe Geschichte können nun also alle Mitglieder im Land ausführlich prüfen. Pretzell räumt gegenüber der SZ, wie zuvor gegenüber der Partei, Fehler im Umgang mit seinen Finanzen aufgrund privater Probleme ein. Nun aber sei alles erledigt - nur nicht für seine Gegner: Pretzell sagt, dass ihm am Freitag signalisiert worden sei, dass er schnell zurück treten solle, sonst würde die Sache weiter gehen.

Er geht davon aus, dass sich die weiteren Vorwürfe ausräumen lassen. Zurücktreten will er nicht. "Machen wir es doch auf demokratische Weise und lassen die Basis entscheiden", sagt der Lucke-Gegner. Auf dem Parteitag wird es Abwahlanträge gegen ihn geben. Ob dieser Parteitag an diesem Wochenende stattfindet, das ist freilich noch offen. Die Einladung wurde schon angefochten, der Parteitag muss vielleicht verschoben werden. Es gebe große Bedenken, dass er rechtmässig einberufen wurde, heißt es. So geht es zu in der AfD.

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