Allianz:Grüner Wandel

Passend zum 125. Firmengeburtstag gibt sich die Allianz selbstkritisch und bekennt sich zum lange unterschätzten Thema Klimaschutz. Auch Konzernkritiker werden gelobt.

Von Herbert Fromme

Echter Sinneswandel oder nur PR-Gag? Das Misstrauen in der Öffentlichkeit ist groß, wenn milliardenschwere Konzerne sich plötzlich umweltbewusst geben, nachdem sie jahrelang alle grünen Ideen als wirtschaftsfeindlich vehement bekämpft haben.

Auch beim Allianz-Konzern muss man sich diese Frage stellen. Aber es gibt Anzeichen dafür, dass es die Führung des global agierenden Versicherers ernst meint mit dem Bekenntnis zum Klimaschutz. Ein Beleg: Das Unternehmen legt sich in dieser Frage mit Industriekonzernen an, die zu seinen wichtigsten Kunden zählen.

Über eine solche Auseinandersetzung berichtete Vorstandschef Michael Diekmann jetzt bei einer Diskussionsveranstaltung des Unternehmens zum Klimawandel. Sie war Teil einer Veranstaltungsreihe zum 125. Allianz-Geburtstag. Er habe in Berlin im vergangenen Jahr potenzielle Klimarisiken und Szenarien im Jahr 2050 skizziert. "Mein Nachredner, der Vorstandsvorsitzende eines Dax-Industrieunternehmens, konterte: Es gehöre ja bekanntlich zum Geschäftsmodell der Versicherungsunternehmen, Angst zu schüren, und die reale Industrie müsse dann die Lasten schultern." Diekmann weiter: "Man gesteht uns Versicherern zu, als Risikomanager für die Belange der Versicherten einzutreten. Aber wenn wir Ursachen und Wirkungen öffentlich machen, hört der Spaß auf", sagte Diekmann zur Einstellung mancher Industrieller.

Passend zum Jubiläum startet der Chef eine Charmeoffensive - und lobt Konzernkritiker

Die Konzerne fürchten Klimaregeln und Abgaben, die ihre Wettbewerbsfähigkeit einschränken, sagte Diekmann. Aber die Kritik sei nicht berechtigt. "Der Klimaschutz erzeugt Wachstum und Arbeitsplätze", sagte er. Auch bei Nutzung konventioneller Energien seien Milliardeninvestitionen durch die Gesellschaft nötig.

"Wir können einigermaßen abschätzen, was passiert, wenn der Meeresspiegel steigt", sagte der Manager zur besonderen Verantwortung der Versicherer. Die Folgen für Wirtschaft und Bevölkerung auch in Europa seien katastrophal. "Die Menschen bauen mit Vorliebe dort, wo der Wind weht, und das Wasser nahe ist." Unternehmen müssten mit dem Risiko Betriebsunterbrechungen fertig werden. Dabei seien extreme Wetterereignisse die wichtigste Ursache für stillstehende Betriebe - wie die Überflutungen in Thailand vor zwei Jahren, die zu fehlenden Zulieferteilen bei Autoherstellern und Computerfirmen auch in Europa führten.

Neben den Aussagen zu den Differenzen mit der Industrie hatte Diekmann, der im Mai in den Ruhestand geht, noch eine weitere Überraschung parat: Er bescheinigte den Konzernkritikern, die auf Hauptversammlungen auftreten, dass ihr Protest Wirkung zeigt.

Diekmann sagte, die Allianz sei stolz gewesen auf ihre Haltung zur Klimapolitik. "Aber es ist wie so oft im Leben: Wenn man mit sich selbst zufrieden ist, kommt die Überraschung, dass alle anderen das nicht genauso sehen". Darauf gestoßen wurde der Konzern von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bei den Hauptversammlungen. "Als großer Investor stehen wir unter enger öffentlicher Beobachtung von vielen NGOs." Von der Allianz verlangten sie, Einfluss auf Firmen zu nehmen, die insbesondere im Umweltbereich in der Kritik stehen.

"Die erste spontane Reaktion auf unserer Seite war defensiv", gestand Diekmann jetzt rückblickend ein. Doch dabei blieb es nicht. "Uns wurde schnell klar, dass wir trotz allen ehrlichen Bemühens vielleicht etwas zu opportunistisch unterwegs waren."

Jetzt arbeite die Allianz diese Themen systematisch auf und habe dafür 2012 ein spezielles, hochrangig besetztes Gremium eingesetzt. Dieses Gremium diskutiere zum Beispiel mit Kunden, NGOs und den eigenen Experten intensiv darüber, ob und wie das Risiko von Ölbohrung und Öltransport in der Arktis getragen werden kann.

Diekmann sagte, der Hauptdruck zum Klimaschutz komme nicht von NGOs, Aktionären, Medien oder Kunden. "Es sind unsere eigenen Mitarbeiter, die nicht für eine Firma arbeiten wollen, die doppelzüngig agiert."

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