Unglück mit Elektro-Oldtimer:Mit der "Viktoria" in den Tod

Tödlicher Oltimer-Unfall bei Hinterzarten

Hinterzarten, 21. Juni 2010: Der Professor kommt mit dem nachgebauten Oldtimer von der Straße ab. Er wird aus dem Fahrzeug geschleudert und stirbt.

(Foto: Kamera24/dpa)
  • Der Erlanger Professor Wilfried Feldenkirchen ist 2010 bei einem Unfall mit seinem nachgebauten Elektro-Oldtimer ums Leben gekommen.
  • Die Fahrt fand während einer Exkursion mit Studenten statt, allerdings war sie nicht Teil des geplanten Programms.
  • Feldenkirchens Witwe kämpft vor Gericht dafür, dass das Unglück als Unfall im Dienst anerkannt wird.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Der ungewöhnliche Tod des Wirtschaftshistorikers Wilfried Feldenkirchen beschäftigt nach wie vor die Gerichte. Der ehemalige Professor der Universität Erlangen-Nürnberg war im Sommer 2010 in der Nähe des Titisees im Schwarzwald auf einer abschüssigen Straße mit einem nachgebauten Elektro-Oldtimer von der Fahrbahn abgekommen und gegen eine Böschung geprallt. Den 62-Jährigen hatte es dabei aus dem 1,5 Tonnen schweren Fahrzeug geschleudert, das ihn dann zerquetschte. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) muss nun entscheiden, ob dieses Unglück als Dienstunfall zu werten ist - Klägerin ist die Witwe des Hochschullehrers. Es geht für sie unterm Strich um etwa 36 Euro mehr Witwenrente im Monat.

So bizarr der tragische Tod des Professors war, so verzwickt ist die juristische Aufarbeitung. Denn Feldenkirchen war als Lehrstuhlinhaber einerseits Beamter. Auf der anderen Seite arbeitete er zugleich für die Firma Siemens, unter anderem als Leiter des Oldtimer-Projekts "Elektrische Viktoria". Zusammen mit einem Spezialisten aus Hinterzarten hatte der Wirtschaftshistoriker das Elektromobil rekonstruiert, das 1905 von den Siemens-Schuckert-Werken in Berlin in Betrieb genommen worden war. Diese Nebentätigkeit des Professors war angemeldet und genehmigt.

Spontaner Ausflug im Rahmen einer Exkursion

Der Besuch der Manufaktur im Schwarzwald, in der die Viktoria nachgebaut wurde, war Teil einer ordentlichen Bildungsreise mit Studenten: Im Dreiländereck zwischen Frankreich, der Schweiz und Deutschland stand etwa der Besuch einer Uhren-Manufaktur in Schaffhausen auf dem angemeldeten Exkursionsprogramm. Später hatte sich Feldenkirchen entschieden, auch die Werkstatt in Hinterzarten zu besuchen, in der das Ur-E-Gefährt neu entstanden war. Mit dem gerade erst reparierten Wagen hatte er dann Studenten zur Probefahrt eingeladen. Dabei war der tödliche Unfall passiert, bei dem auch die Mitfahrer verletzt wurden, einige von ihnen erheblich.

Zunächst waren die Behörden von einem reinen Bremsversagen ausgegangen. Die Staatsanwaltschaft Freiburg stellte letztlich auch fest, dass die Bremsanlage der Elektrischen Viktoria Konstruktionsfehler aufwies. Ein Ermittlungsverfahren gegen die Konstrukteure und einen TÜV-Ingenieur wurde trotzdem eingestellt: Denn nicht die Bremsen waren schuld an dem Unfall, sondern ein gebrochenes Teil der Kupplung.

Herstellungsfehler an der Kupplung

Die von den Ermittlern veranlasste Prüfung des Werkstoffes beim Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik hatte einen Herstellungsfehler beim Sintern ergeben, also beim Zusammenbacken von Stahlteilen. Dass die Kupplungswelle brechen könnte, konnten aber weder Feldenkirchen noch der Manufaktur-Chef ahnen. Nur diese beiden waren offiziell befugt, den Elektro-Oldtimer zu chauffieren.

Die Elektrische Viktoria wurde vor dem Unfall gerne bei besonderen Anlässen eingesetzt: Beim Elektromobilitätsgipfel der Bundesregierung im Mai 2010 steuerte Feldenkirchen den Wagen in Gegenwart der Kanzlerin durch Berlin. Danach wurde er auf der Expo in Shanghai gezeigt. Kurze Zeit nach dem Unglück war eigentlich eine Präsentation des Oldtimer-Nachbaus durch den damaligen Siemens-Chef Löscher und Münchens Oberbürgermeister Christian Ude am Wittelsbacherplatz in München geplant - mit Probefahrt. Danach sollte die Viktoria aus Anlass der Fußball-WM in Südafrika gezeigt werden.

Es ist nun Sache der VGH-Juristen, zu bewerten, wann der Professor im Rahmen der damaligen Exkursion im Dienst der Uni gehandelt hatte - und wann in seinem Nebenjob als Siemens-Mitarbeiter. Das Landesamt für Finanzen, vertreten durch die Landesanwaltschaft München, bestreitet energisch, dass die Probefahrt noch Bestandteil der genehmigten Exkursion gewesen sei. Tatsächlich stand dieser Punkt nicht auf dem Programm.

Die Uni hätte keine Bedenken gehabt

Allerdings hatte Feldenkirchen, auch im Einvernehmen mit der Uni-Leitung, ziemlich freie Hand bei der Programmgestaltung. Durfte er unter diesen Umständen als Professor den Besuch bei der Elektrischen Viktoria quasi als spontane Idee umsetzen? Der Uni-Kanzler hat dem Landesamt inzwischen mitgeteilt, dass man dagegen keine Bedenken gehabt hätte. Aber ist diese Mitteilung wie eine nachträgliche Genehmigung zu werten?

Feldenkirchen wusste, dass der Wagen nur für vier Insassen zugelassen war - mit ihm am Steuer saßen aber insgesamt fünf Personen im Fahrzeug: Also 410 Kilo statt der erlaubten "Zuladung" von 360 Kilo. Der Freistaat wirft ihm daher eine sorglose und unvernünftige Verhaltensweise vor: Das daraus resultierende Risiko, das sich in diesem Fall tragisch verwirklicht habe, müsse sich ein Dienstherr aber nicht aufbürden lassen. Rechtsanwalt Frank Wieland aus Bonn meint dagegen, dass Feldenkirchen ausschließlich im Rahmen der Uni-Exkursion tätig gewesen sei und seinen Studenten einen Mehrwert bieten wollte.

Das Verwaltungsgericht Regensburg hatte die Anerkennung als Dienstunfall abgelehnt. Der VGH signalisierte aber durch die Zulassung der Berufung, dass er diese Meinung nicht unbedingt teilt - er will in der kommenden Woche entscheiden.

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