Dachaus Erinnerungspolitik:"Ich höre nichts"

Dachaus Erinnerungspolitik: Minister Spaenle (links) zeichnet Peter Bürgel aus.

Minister Spaenle (links) zeichnet Peter Bürgel aus.

(Foto: StMBW)

Im Amt trug er den Beinamen "der Außenminister". Nun bekam der ehemalige Dachauer OB Bürgel das Bundesverdienstkreuz. Und die Gäste fragen nach der Zukunft der Erinnerungspolitik.

Dachaus früherer Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) macht, wie man es von ihm gewohnt ist, nicht viele Worte, auch nicht in diesem Moment- sagt aber doch das Wesentliche. "Ich danke allen meinen Begleitern und Freunden." Gerade hat er von Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) das Bundesverdienstkreuz am Bande überreicht bekommen.

35 Freunde und Wegbegleiter sind ins Kultusministerium am Salvatorplatz gekommen. Freunde, das hat Bürgel in vielen Jahren Kommunalpolitik gelernt, stehen über allem - auch über politischen Erfolgen und Misserfolgen. Erfolge hatte er zuhauf, bis er 2014 nach zwölf Jahren Amtszeit überraschend die Stichwahl gegen Florian Hartmann (SPD) verlor. In dieser Zeit hat er die Dachauer Geschichtspolitik von Grund auf gewendet - einen Schlussstrich gezogen, jedoch nicht so, wie ihn die Gegner der KZ-Gedenkstätte gerne gehabt hätten.

Bürgel hat, aufbauend auf erste zaghafte Versuche seines Vorgängers Kurt Piller, die Stadtpolitik der Verdrängung mit einem Donnerschlag beendet. Es begann mit einer Aufsehen erregenden Rede im Schloss, als er 2005 zur 60-Jahr-Feier der Befreiung des Konzentrationslagers Dachaus Schuld und Verantwortung anerkannte. Darüber spricht Minister Spaenle in seiner Laudatio, nicht ganz so deutlich, aber sein Blick, den er dabei auf Bürgel wirft, spricht Bände. Nicht zuletzt auch in seiner eigenen Fraktion hatte Bürgels Vergangenheitspolitik Irritationen hervorgerufen. Spaenle sagt: "Peter Bürgel hat das schreckliche NS-Erbe angenommen. Für viele Dachauer war das kein einfacher Weg, aber er ist ihn konsequent gegangen."

Und glaubwürdig, um so mehr, als er als junger Kommunalpolitiker, der die Junge Union anführte und 1990 in den Stadtrat gewählt wurde, zu Anfang nicht unbedingt zu den Freunden der Gedenkstätte zählte. Auf seinen Wandel angesprochen, sagte Bürgel einmal: "Da wurden wir Jungen doch gar nicht gefragt." Nach der Wahl zum OB musste er nicht mehr fragen. Auf seinem Weg hat Dachau hervorragende Beziehungen zu Israel, Oswiecim in Polen, Oradour in Frankreich, Atlanta in den USA geknüpft - gegründet auf Freundschaften mit Holocaust-Überlebenden, die in ihm, wie das einmal Moshe Tal sagte, einen Mann erkannten, mit dem man Pferde stehlen könne.

Am Ende trug Bürgel den Beinamen "der Außenminister". Die "Bewunderung", die Minister Spaenle in seiner Rede ausdrückt, teilte jedoch das provinzielle Dachau nicht, dem Parkplätze und Mülleimer, auch wenn sie die Größe des MD-Geländes haben, Weltprobleme sind. Das Dachau, das - noch heute - nicht sehen will, dass es nur eine Zukunft hat: die einer offenen Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit. Natürlich, Bürgels Politik konnte nur greifen vor dem Hintergrund des Generationenwechsels, auf dem Boden, den Zeitgeschichtsvereine wie Förderverein für Internationale Jugendbegegnung oder die KZ-Gedenkstätte vorbereitet hatten, in dem Paradigmenwechsel deutscher Vergangenheitspolitik, der sich seit den Neunziger Jahren vollzogen hat. Dass die CSU heute gerne so tut, als hätte sie Erinnerung und Gedenken erfunden, ist irgendwie verständlich, muss halt immer wieder aufs Neue korrigiert werden. Bürgel kümmert's nicht, er weiß, was er an der aufrichtigen Begegnung mit Überlebenden für sich und Dachau gewonnen hat.

"Man muss es halt tun", sagt Bernward Schröter, früherer Vorstand der Amperkliniken AG zu Landrat Stefan Löwl (CSU) im Gespräch über die Zukunft der Erinnerungspolitik Dachaus. 35 Freunde und Wegbegleiter sind gekommen, darunter Altlandrat Hansjörg Christmann und KZ-Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann. Spaenle hat noch viel erzählt über die Verdienste Bürgels für Kunst und Kultur, was er für die Förderung der ehemaligen Künstlerkolonie, etwa als Präsident von Euroart, einer europaweiten Vereinigung von Künstlerorten, getan habe. Und nun? Hansjörg Christmann setzt ein zerknittertes Gesicht auf, und Dominik Härtl, CSU-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, sagt: "Ich höre nichts."

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