170 Jahre alter Champagner:Ein Hauch von Käse und Pferdestall

Lesezeit: 2 min

Es war ein Glücksfund auf einem Wrack in der Ostsee: Forscher entschlüsseln den Geschmack eines 170 Jahre alten Champagners.

Von Andrea Hoferichter

Ein deutsch-französisches Forscherteam hat die inneren Werte eines 170 Jahre alten, noch trinkbaren Champagners entschlüsselt. "Der molekulare Fingerabdruck ist dem eines modernen Champagners sehr ähnlich", sagt Philippe Schmitt-Kopplin vom Helmholtz-Zentrum München.

Die chemischen Analysen, die er an der Technischen Universität München durchführte, bestätigten die Existenz von Aromen, die Weinverkoster schon herausgeschmeckt hatten, darunter Orange- und Tabaknoten sowie - weniger angenehm - ein Hauch von Käse und Pferdestall. Außerdem hatte der Champagner weniger als zehn Prozent Alkohol, 2,5 bis drei Prozentpunkte weniger als heutige Produkte.

Der 170 Jahre alte Schaumwein der Marke Veuve Clicquot Ponsardin (VCP) stammt aus einem Schiffswrack, das 2010 in der Ostsee vor Finnland geborgen worden war. Insgesamt waren 168 Flaschen Champagner mehrerer Marken an Bord. Die Etiketten fehlten, aber Gravuren an den Korken verrieten die Herkunft und gaben Hinweise, wann sie abgefüllt worden waren. Bei den VCP-Flaschen muss es nach 1841 gewesen, bei einer anderen Sorte hingegen vor 1832. Als einer der Entdecker eine Flasche öffnete, soll sogar ein standesgemäßes "Plopp" zu hören gewesen sein.

Auf dem Meeresgrund ruhten die Flaschen ideal

Zwei Milliliter des wertvollen Tranks standen dem Team um Schmitt-Kopplin für die Untersuchungen zur Verfügung. Einen winzigen Tropfen zwackte er als Geschmacksprobe ab, die vor allem "sehr, sehr süß" gewesen sei. Die Analysen belegen den Eindruck. Rund 150 Gramm Zucker steckten in einem Liter, gut dreimal so viel wie in einem heutigen halbtrockenen Champagner, zehnmal so viel wie bei der Abstufung "Brut" möglich - und sogar noch rund 40 Gramm mehr als in einem Liter Cola. Der Zucker wurde offenbar nach der zweiten Gärung zugegeben, um den Geschmack des Schaumweins abzustimmen; diese sogenannte Dosage ist noch heute üblich, wenn auch nicht in diesem Maße.

"Wir konnten zeigen, dass mit eingekochtem Traubensaft gesüßt wurde und nicht mit Rohzuckerlösung, wie Historiker vermutet hatten", berichtet der Forscher. Weil der Zuckergehalt den damaligen Vorlieben der Deutschen entspreche, seien die Flaschen wahrscheinlich in Lübeck geladen worden. Am mutmaßlichen Reiseziel Russland indes hätten Champagnerfreunde noch nachgesüßt. Dort galten Zuckermengen um 300 Gramm je Liter als ideal.

Winzer bieten Unterwasserlagerung an

Im Vergleich zu modernen Sorten enthält der historische Wein nicht nur mehr Zucker, sondern auch mehr Salze. Diese könnten Schmitt-Kopplin zufolge zum Beispiel aus Gelatine stammen, mit der Winzer früher oft ihre Weine klärten. "Es könnte sich aber auch um Rückstände aus einem Salzeinsatz gegen Pflanzenschädlinge handeln", erklärt er. Auffallend hohe Kupfer- und Eisenkonzentrationen deuteten außerdem darauf hin, dass die Traubensäfte in Kupferkesseln aufgekocht und die Holzfässer zum Lagern der verwendeten Grundweine mit Eisennägeln gezimmert waren ( PNAS, online).

Als sicher gilt, dass der alte Tropfen seinen guten Zustand der Lagerung am Meeresgrund verdankt, erschütterungsfrei, sauerstoffarm und bei nahezu konstanten zwei bis vier Grad Celsius. Längst bieten Winzer auch Produkte an, die ein paar Jahre unter Wasser schlummern dürfen, zum Beispiel in einem Alpensee. "Das ist aber eher ein Hype", glaubt Schmitt-Kopplin. Einen Unterschied könne man nach so kurzer Zeit nämlich nicht direkt schmecken. Wie es sich nach jahrzehntelanger Lagerung verhält, und ob dann ein Gewässergrund vielleicht besser geeignet ist als ein Kellergewölbe, prüfen die Weinhersteller noch.

© SZ vom 27.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: