Preis für Menschenwürde:Die Mutigen

Preis für Menschenwürde: Eine starke Frau: Alganesc Fessaha. Die Menschenrechtlerin versucht, Entführte aus den Fängen von Lösegelderpressern zu befreien.

Eine starke Frau: Alganesc Fessaha. Die Menschenrechtlerin versucht, Entführte aus den Fängen von Lösegelderpressern zu befreien.

(Foto: oh)

Die Auszeichnung, die von der Roland Berger Stiftung verliehen wird, geht diesmal an Flüchtlingshelfer aus Malta, Italien und dem Kongo.

Von Marc Beise

So viel Aktualität hat sich die Jury nicht gewünscht. Am kommenden Mittwoch wird die Roland Berger Stiftung in Berlin ihren "Preis für Menschenwürde" verleihen, und Festredner Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wird Gelegenheit haben, zu den Flüchtlingsdramen an der europäischen Südgrenze Stellung zu nehmen. Seine Gegenüber wissen dann, wovon er redet. Denn der Preis in Höhe von 150 000 Euro, verliehen von der privat finanzierten und gemeinnützigen Stiftung des gleichnamigen Unternehmensberaters aus München, geht in diesem Jahr ausdrücklich an Menschen, die sich mit Flüchtlingsschicksalen beschäftigen; und die international besetzte Jury hat sich lange entschieden, bevor sich die Situation auf dem Mittelmeer erneut dramatisch zuspitzte.

Die maltesische Anwältin Katrine Camilleri setzt sich seit fast 20 Jahren für die Rechte von Flüchtlingen ein, die auf Flüchtlingsbooten den europäischen Vorposten Malta erreichen, sie besucht sie in den Aufnahmelagern und berät sie juristisch. Dass das nicht ungefährlich ist, hat sie selbst erlebt. Schon 2006 kam es zu Gewalt gegen die Person und die Arbeit der Anwältin. Bei zwei Anschlägen gingen insgesamt neun Fahrzeuge des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, den Camilleri heute leitet, in Flammen auf, auf ihr Auto und ihre Wohnungstür flogen Brandsätze. Camilleri hat sich davon nicht den Mund verbieten lassen, immer wieder nimmt sie auch politisch engagiert Stellung. Ihre Forderungen sind aktuell: So kritisiert sie vehement den Versuch, Flüchtlinge durch strenge Grenzkontrollen aufzuhalten.

"Petite Flamme" ist die einzige Schulorganisation im Kongo

Eine starke Frau ist auch die eritreisch-italienische Menschenrechtlerin Alganesc Fessaha. Geboren in Afrika, lebt sie mit italienischer Staatsbürgerschaft heute in ihrem Studienland Italien. Sie kümmert sich trotz hohen persönlichen Risikos um Menschen, die zur Erpressung von Lösegeld verschleppt werden - eine wenig bekannte grausame Praxis insbesondere auf dem ägyptischen Sinai und in Libyen, derzeit das bevorzugte Ziel verzweifelter Flüchtlinge aus dem südlicheren Afrika auf ihrem Weg nach Europa. Regelmäßig reist Fessaha nach Ägypten und Libyen, wo sie in riskanten Manövern und mit Hilfe lokaler Machthaber Verschleppte ausfindig macht, sie ohne Lösegeld aus Folterkellern befreit und an Flüchtlingsorganisationen übergibt. In den vergangenen fünf Jahren gelang es ihr so, 550 Flüchtlinge aus den Händen von Schleppern und 2300 aus Gefängnissen im Sinai zu befreien.

Den dritten Preis erhält ein kongolesisches Schulprojekt. Es wurde 1996 in Kinshasa gegründet und betreibt heute zwölf Schulen für 2200 Kinder aus bitterarmen Familien, überwiegend in Slum-Bezirken der kongolesischen Hauptstadt. "Petite Flamme" ist die einzige Schulorganisation in dem afrikanischen Land, das zu den Ärmsten der Welt gehört. Kinder erhalten Unterrichtsmaterialien, Schuluniformen, Essen und eine vollständige Gesundheitsversorgung. Wenn in der aktuellen Diskussion betont wird, man müsse die Flüchtlingsprobleme letztlich "an der Wurzel" lösen und nicht auf dem Meer, dann zeigt das Schulprojekt im Kongo, wie das gehen kann. Viele ehemalige Schüler berichten, dass sie ihre Zukunft im Kongo sehen und nicht in der Flucht nach Norden. So hilft das Projekt, künftige Flüchtlingsströme zu verhindern, freilich nur punktuell. Eine kleine Flamme eben.

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