Machtkampf bei Volkswagen:Wolfsburger Belastungstest

Volkswagen Kaefer beliebtester Oldtimer in Deutschland

Er läuft und läuft und läuft - sollte heißen: Der Käfer war beständig. Das soll auch für die Anteile der VW-Familienstämme gelten.

(Foto: oh)
  • Der Streit bei Volkswagen um die Zukunft von Vorstandschef Martin Winterkorn wirft auch ein Schlaglicht auf die Beziehung der beiden VW-Großaktionärsfamilien Porsche und Piëch.
  • Die Patriarchen Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche verbindet ein gemeinsames Interesse: Dass die Dynastie weiter lebt.
  • Auch wenn die Familien aktuell über die Winterkorn-Causa streiten: Sie sind gleichzeitig über ein verzweigtes Geflecht von Beteiligungsgesellschaften, Stiftungen und Holdings eng miteinander verbunden.

Analyse von Thomas Fromm und Klaus Ott

Es gibt Momente im Leben dieser beiden VW-Familien, in denen man Abstand nimmt. Zum Beispiel, wenn Ferdinand Piëch sagt, es gebe "Distanz" zwischen ihm, dem VW-Aufsichtsratschef, und seinem Konzernboss Martin Winterkorn. Dann gibt es Stress: Was Piëch da über Winterkorn sagte, stelle seine "Privatmeinung dar, welche mit der Familie inhaltlich und sachlich nicht abgestimmt ist" - so ging vor zwei Wochen der knappe Bescheid aus der Salzburger Porsche-Familie. Nur weil unser Cousin so etwas sagt, bedeutet das nicht, dass wir das alle genau so sehen. Abstand!

Es gibt aber auch seltene Momente, in denen man zusammenrückt. Zum Beispiel bei Automessen. In Genf, in Paris, in Frankfurt. Dann sitzen Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche als VW-Großeigentümer nebeneinander. Sie schauen dann nach unten auf die Bühne, wo die Markenchefs des VW-Konzerns ihre neuesten Autos zeigen - und schweigen viel.

Die Frage ist nun: Wird man nun ganz voneinander abrücken in dieser Familie? Kommt es zum Bruch?

Oder aber: Wird man enger? Am vergangenen Sonntag noch hatten sich VW-Aufsichtsräte mit Erklärungen hinter ihren Chefkontrolleur Piëch gestellt, der wegen seiner Attacke gegen Winterkorn schwer unter Druck gekommen war. Zuvor: Eine Präsidiumssitzung, an deren Ende eine Erklärung für VW-Chef Winterkorn stand.

Ein paar Tage und etliche Volten später sickerte durch, dass Piëch hinter den Kulissen trotz eines Stillhalteabkommens offenbar weiter an der Absetzung Winterkorns arbeitete und bereits dessen Nachfolge sondierte - zu erwarten war das, aber nun könnte es ans Eingemachte gehen. Denn Teile des Aufsichtsrates sind sauer und fühlen sich von Piëch hintergangen.

Nach SZ-Informationen könnte das sechsköpfige Aufsichtsratspräsidium bereits in diesen Tagen wieder zusammenkommen, um über die Zukunft zu beraten. Man könne "keine wochenlange Hängepartie" gebrauchen, heißt es im Aufsichtsrat des Konzerns. Möglich, dass der Machtkampf bei VW eskaliert.

Machtkampf bei Volkswagen: Quelle: SZ-Grafik

Quelle: SZ-Grafik

Dann wird es um die Frage gehen: Wer hält zum Aufsichtsratschef? Piëch, 78, und sein Cousin Wolfgang Porsche, 71: beide Enkel des Porsche-Gründers und Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche. Beide schwer reich. Und beide verbindet ein gemeinsames Interesse: Dass die Dynastie weiter lebt. Weit über ihre, die dritte Generation, hinaus. Die beiden Clan-Anführer, hinter denen an die 60 Familienmitglieder stehen, mögen daher in Detailfragen wie der Winterkorn-Causa über Kreuz liegen. Gleichzeitig aber sind sie über ein verzweigtes Geflecht von Beteiligungsgesellschaften, Stiftungen und Holdings eng miteinander verbunden. Eine komplizierte Kette von Firmen und Unterfirmen, über die die Familien die Porsche Holding besitzen, jenes Vehikel, das seit der Übernahme von Porsche durch VW mit 50,7 Prozent Hauptaktionär des Wolfsburger Konzerns ist.

Es geht am Ende um Milliarden, aber manchmal reicht in diesem Beteiligungsgestrüpp schon der Einsatz von zehn Euro. Zehn Euro, um Vermögen und Macht zu sichern. Mit zehn Euro hat sich eine gewisse Ferdinand International Anstalt mit Sitz in Vaduz, Liechtenstein, Heiligkreuz 7, schon vor Jahren an der Ferry Privatstiftung in Salzburg beteiligt. Ferdinand Porsche und sein Sohn Ferry, das sind die Vorfahren der beiden Cousins, die heute mit über Volkswagen herrschen. Dass noch immer kleine Stiftungen, Puzzle-Steine in einem Milliardenreich, nach den Ahnherren benannt werden, soll zeigen: Wir haben es hier zwar mit einer sehr modernen und verschachtelten Finanzarchitektur zu tun. Aber auch mit großen Traditionen.

Weltumspannendes Unternehmensgeflecht

Die Dutzenden Firmen, Holdings und Stiftungen reichen bis nach Übersee, darunter die Ferry Privatstiftung, bei der auch Familienoberhaupt Wolfgang Porsche einen Teil seines Reichtums angelegt hat. 265,18 Euro. In Worten, so steht es in der Stiftungsurkunde: Zweihundertfünfundsechzig Euro und achtzehn Cent.

Machtkampf bei Volkswagen: Quelle: SZ-Grafik

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Sinn und Zweck dieser Familien-Konstruktionen ist in vielen Paragrafen geregelt. Wenn die Clanchefs einmal nicht mehr da sind, soll das weltumspannende Autoreich weiter bestehen, mit den beiden Familien-Geschlechtern als Hauptaktionären. Man denke, sagt ein guter Kenner der Porsches und Piëchs, in "Dekaden". In der Präambel der Ferry-Stiftung heißt es, es sei "der gemeinsame Wille der Stifter, die enge Bindung . . . an den Porsche Konzern sowohl für jeweils ihre eigenen als auch für die nachfolgenden Familiengenerationen zu erhalten."

Piëch und Porsche sind sehr unterschiedliche Menschen. Ein Machtmensch der eine, der sich schon früh in der Rolle des Patriarchen eingerichtet hat. Der andere ein eher stiller Zeitgenosse, der auf einem 600 Jahre alten Bauernhof in Zell am See lebt. Ehemaliger Waldorfschüler, Biobauer mit einem Faible für Natur, aber auch für Autos. Und für das Familienerbe.

So kommt es, dass es diese beiden Cousins seit Jahren in die Welt hinaus treibt, und dies nicht nur mit Autos: Firmen in England und Wales, zwei Gesellschaften namens FaPO Holding in den USA. Und sechs Unternehmen in Panama, jenem Land in Mittelamerika, das nicht nur für seinen 100 Jahre alten Kanal zwischen Atlantik und Pazifik bekannt ist, sondern auch für niedrige Steuern - und für Schwarzgeld, das aus vielen Teilen der Welt hierher fließt. Im Handelsregister von Panama sind seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts gleich sechs Firmen der Porsches und Piëchs eingetragen worden, darunter die Ferdinand Karl Alpha Inc., die Ferdinand Karl Beta Inc., beide benannt nach dem VW-Patriarchen Ferdinand Karl Piëch, und die Familie Porsche Corporation. Alpha und Beta heißen übrigens auch zwei Stiftungen in Österreich, mit denen Piëch Vorsorge getroffen hat für die Zeit nach seinem Ableben. Hierhin hat er vor ein paar Jahren sein milliardenschweres Erbe übertragen. Das Motiv: Piëch will vermeiden, dass seine Erben den Konzern verspielen. Stirbt der 78-Jährige, soll seine 19 Jahre jüngere Frau Ursula das Sagen über die Stiftungen haben - vorausgesetzt, sie heiratet nicht wieder.

Vor mehr als fünf Jahren, es war bei der Pariser Automesse, standen die Eheleute Piëch zwischen neuen Autos und sprachen mit Journalisten. Wie es komme, dass seine Gattin nur als ledige Witwe sein Erbe verwalten dürfe. Piëch dazu: "Der Einfluss von zweiter Seite könnte sehr groß sein." Deshalb die "einfache Regelung, dass sie die starke Stellung nur so lange hat, wie sie ungebunden ist." Mit Alpha und Beta hat er seine Dinge also in Österreich geordnet. Aber wozu sind dann noch Alpha und Beta und eine "Porsche Corporation" in Panama nötig? Anfrage bei Piëchs Anwälten. Der lässt dazu mitteilen, die genannten Gesellschaften seien nicht aktiv. "Sie haben niemals Einkünfte bezogen und tun dies auch gegenwärtig nicht." Die Gesellschaften hätten "zu keinem Zeitpunkt einen steuerlichen Vorteil erzielt und werden dies auch in Zukunft nicht tun".

Und die Panama-Porsche-Connection? Wolfgang Porsche lässt mitteilen, er habe dem "nichts hinzuzufügen". Ein Insider ergänzt, natürlich streng vertraulich, welchen Zweck die Panama-Gesellschaften hätten: Dies sei reine Vorsorge. Man wisse nie, wohin sich die heimischen Gesetze entwickelten. Und ob nicht doch noch mal ein Krieg ausbrechen könne in Europa. Mit Alpha, Beta und Porsche Corporation in Panama vor dem nächsten Krieg flüchten? Das kann man glauben oder auch nicht.

"Blut ist dicker als Wasser", sagte ein Konzernkenner in diesen Tagen und wollte damit sagen: Am Ende halten die Porsches und Piëchs immer zusammen, egal was passiert. Noch dicker wird das Blut, wenn es durch ein Milliardennetz von Beteiligungen fließt. Entscheidungen müssen in diesem Milliarden-Reich einstimmig getroffen werden und ob sie sich gegenseitig schätzen oder nicht: Gemeinsam bilden sie eine Art Schicksalsgemeinschaft, die in diesen Tagen auf eine schwere Probe gestellt wird.

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