VfB enttäuscht beim 2:2:Gegen eine Wand geredet

Stuttgart verspielt im Abstiegs-Derby gegen den SC Freiburg eine 2:0-Führung - weil das Team dem Trainer nicht zuhört. Huub Stevens ist "fassungslos, dass man so ein Spiel aus der Hand gibt."

Von Filippo Cataldo, Stuttgart

Kurz bevor Wolfgang Stark und seine Assistenten, begleitet von ohrenbetäubenden Buh-Rufen aus der Cannstatter Kurve der Stuttgarter Fußballarena, den Spielertunnel erreichten, spannte ein aufmerksamer Ordner einen rot-weißen Regenschirm mit dem Logo des VfB Stuttgart auf. Damit rettete er den Schiedsrichter davor, von einigen Bechern getroffen zu werden, die von der Haupttribüne in seine Richtung geworfen worden waren. Für die Zuschauer, zumindest jene, die zum VfB halten, war klar: Stark und die Seinen hatten das Abstiegsderby gegen den SC Freiburg verpfiffen, vor allem sie waren Schuld am 2:2.

Möglicherweise wäre es Huub Stevens diesmal ausnahmsweise sogar ganz recht gewesen, wenn die Zuschauer seine Spieler ausgepfiffen hätten. Wie eine Löwenmutter hatte sich Stuttgarts Trainer in den letzten Monaten immer wieder schützend hinter seine Spieler gestellt, immer wieder hatte er betont, dass Fehler erlaubt seien. Nach dem Unentschieden gegen Freiburg, bei dem der VfB in der zweiten Halbzeit eine scheinbar sichere 2:0-Führung nach einem Doppelschlag von Daniel Ginczek (24.) und Martin Harnik (27.) in der zweiten Halbzeit aus der Hand gab, war Stevens einfach nur noch: "Fassungslos!"

Fassungslos, dass "man so ein Spiel aus der Hand gibt." Fassungslos aber wohl vor allem, weil seine Spieler nicht auf ihn gehört hatten. Weil sie es vermasselt hatten. "Ich habe die Entwicklung kommen sehen in der ersten Halbzeit, ich habe es geahnt und in der Pause davor gewarnt", sagte Stevens, "ich habe aber gegen eine Wand geredet."

"Wer Ahnung von Fußball hat, der hat das gesehen!"

Stevens zählte auf. Nicht etwa die verpassten Chancen in der zweiten Halbzeit (Harnik vergaß etwa in der 54. Minute nach einem formidablen Pass von Alexandru Maxim kurzzeitig, dass der Sportclub sein Lieblingsgegner ist und vertändelte das mögliche 3:0 und seinen neunten Treffer gegen die Badener); nicht der Elfmeter für Freiburg in der 58. Minute, den Nils Petersen verwandelte; nicht die gelb-rote Karte für Adam Hlousek, der vor dem Elfmeter und kurze Zeit später ebenso fahrlässig wie unnötig mit Freiburgs Jonathan Schmidt aneinander gerasselt war; nicht das späte Gegentor in Unterzahl, bei dem Petersen einen missglückten Freiburger Fernschuss ins Tor lenkte (85.); nicht der Schiedsrichter. Nicht! Nicht! Nicht! Nicht! Nicht! Sondern: "Es war die erste Halbzeit! Wer viel Ahnung von Fußball hat, der hat das gesehen", sagte Stevens.

Das sorgte dann doch für Erstaunen. Der VfB hatte nach dem etwas unvermittelten Führungstreffer ähnlich gut gespielt wie in den vergangenen Wochen. Im Gegensatz zu den Freiburgern, die von Minute zu Minute verunsicherter wirkten und beinahe wehrlos einer Blamage entgegen zu taumeln schienen; auch in der zweiten Halbzeit waren die Gäste trotz zweier Spielerwechsel und der Umstellung von Vierer- auf Dreierkette in der Abwehr zunächst nicht gefährlicher.

Schema & Statistik

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Stevens ließ sich auch nach mehreren Nachfragen nicht auf ein kurzes Impulsreferat über das richtige Lesen von Spielen ein und fragte stattdessen den ebenfalls im Pressekonferenzraum sitzenden früheren Stuttgarter Trainer Jürgen Sundermann. "Jürgen, hast du's gesehen?", fragte Stevens. Auf dessen Nicken reagierte der Holländer mit den Worte: "Das mein ich! Du siehst es kippen. Du siehst es."

"Nicht der Schiedsrichter hat die Chancen nicht gemacht"

Auch seine Spieler konnten nicht viel zur Aufklärung beitragen. "Da müsste man etwas konkreter werden, damit ich darauf antworten kann", sagte Kapitän Christian Gentner zu Stevens' Ausführungen. Der Spieler war indessen wohl der Meinung, dass die gefühlte Niederlage etwas mit dem Schiedsrichter zu tun gehabt hätte. "Wir müssen uns auch immer Kritik anhören, also: Es war eine sehr schwache Schiedsrichterleistung", sagte er. Stevens hingen widersprach: "Der Elfmeter war richtig, die gelb-rote Karte war berechtigt", sagte Stevens. Und betonte: "Nicht der Schiedsrichter hat die Chancen nicht gemacht." Er habe sich außerdem nicht über den Schiedsrichter, sondern über "andere Sachen" aufgeregt. Man ahnt es: die Wand, gegen die er gesprochen haben mag.

"Der Trainer hat davor gewarnt, dass Freiburg zurückkommen könnte", gab immerhin Harnik zu, doch wirklich weiter half auch das nicht. "Ich habe in der ersten Halbzeit nichts kippen sehen", sagte sogar Freiburgs Trainer Christian Streich, "aber Huub ist viel erfahrener als ich." Wie auch immer: Das Remis hat Stuttgart im Abstiegskampf keinen Schritt weitergebracht. Platz 17 war es vor dem 30. Spieltag, Platz 17 ist es nach den Samstagsspielen.

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