Arsenal vs. Chelsea:Es geht auch dreckig

Chelsea v Arsenal - Premier League; Arsenal

Möchte obenauf sein: Arsenals Santi Cazorla ringt mit John Terry von Chelsea um den Ball.

(Foto: Shaun Botterill/Getty Images)

Die Gunners wollen den Blues die Vorherrschaft in der Premier League streitig machen.

Von Sven Haist, London

Ein großes Amüsement breitete sich im Presseraum von Wembley aus, nach dem 2:1 des FC Arsenal im Pokalhalbfinale gegen den FC Reading. Dem Urheber des One-Touch-Fußballs, Arsène Wenger, war gerade ein genialer, verbaler Touch gelungen. Er hatte sozusagen Doppelpass gespielt mit einem Journalisten, der ihn über das erfolgreiche Liga-Ergebnis des Titelrivalen FC Chelsea informiert hatte.

"1:0. Wie gewohnt", kommentierte Wenger lakonisch - sein Hinweis zielte selbstverständlich auf die unattraktive Spielweise von Chelsea ab. Vor allem aber sollte seine Spitzfindigkeit die neue Stärke Arsenals demonstrieren. Acht Ligaerfolge hintereinander (die letzte Liga-Niederlage gab es am 7. Februar beim 1:2 bei Tottenham) und Tabellen-Position zwei haben das Thermometer, gemessen in Selbstvertrauen, in der roten Ecke Londons reichlich steigen lassen. Die Gunners fühlen sich bereit, Premier-League-Anführer Chelsea die Vorherrschaft in England streitig zu machen. Nacheinander haben sie nun in der Rückserie Manchester City, Manchester United und den FC Liverpool bezwungen - am Sonntag (17 Uhr) gegen den FC Chelsea könnten sie den Hattrick um einen vierten Paukenschlag erweitern.

Von den Fesseln der Perfektion gelöst

Arsène Wenger, 65, gehört zu den Ästheten an der Seitenlinie der großen Fußballarenen. Sein Lebenselixier findet er in herrlichen Offensivkombinationen, seine Teams sollen nicht einfach nur gewinnen, er muss sie auch am Spielstil wieder erkennen können. Auf diese Weise errang er große Erfolge, eine Saison lang blieb sein Team einmal ungeschlagen. Lange ist das her, in der nahen Vergangenheit sammelte er statt Meistertitel nur noch demütigende Niederlagen. Der wachsende Widerstand der Spieler gegen sein Idealbild, Siege nur in Verbindung mit Eleganz und Leichtigkeit anzuerkennen, ist ihm nicht entgangen.

Nach mehr als 18 Jahren beim FC Arsenal hat er sich einem wind of change nicht mehr widersetzen können. Der Elsässer wechselte im Januar ein Stück seines Schönheitsanspruchs aus und versandte damit die Botschaft an seine Mannschaft: Ab jetzt dürft ihr auch dreckig gewinnen! "An irgendeinem Punkt kannst du nicht gegen die Empfindungen des Teams angehen", erklärte Wenger, "weil das schädlich wäre." Es fiel ihm sichtbar schwer, einen mit nur 35 Prozent Ballbesitz herausgeholten Sieg gegen ManCity gutzuheißen. Aber sein persönliches Verhältnis zu den Spielern löste ihn von den Fesseln der Perfektion.

Die Zeit des jazzigen Stils ist erst einmal vorbei

Der neue Aufschwung der Gunners hat viel mit Wengers taktischem Sicherheitsschwung zu tun. Die Auswirkungen machen sich in den Trainingsinhalten bemerkbar, besonders in der Vorbereitung auf den nächsten Gegner. Der jazzige Stil - vertrauend auf Improvisation und Individualität während des Spiels - musste der Professionalität des modernen und bis ins Detail durchleuchteten Fußballs weichen.

Arsenals Mittelfeldspieler sind bekannt dafür geworden, den eigenen, offensiven Pässen zu folgen. Francis Coquelin, Wengers Defensivmuskel vor der Abwehr, tut das nicht mehr; er hält sich raus aus der vorderen Kleinkunstfabrik. Statt Torchancen einzuleiten, antizipiert die 23 Jahre junge Entdeckung der Saison mögliche Ballverluste des eigenen Teams und positioniert sich auf dem Spielfeld, um Konter zu vermeiden. Alexis Sanchez kann sich einer Abschirmung durch Nacho Monreal in jeder Situation gewiss sein. Der Linksverteidiger agiert wie ein Bodyguard für den spanischen Dribbelhasardeur.

Unterstützend wirkt sich im finalen Saisonabschnitt ein von Wenger lange vorher geplanter Kniff aus. Nach der Weltmeisterschaft hatte der Trainerguru darauf verzichtet, seine in Brasilien beanspruchten Stars wie Zitronen auszuquetschen. Statt schnellstmöglicher Integrierung in den laufenden Betrieb erteilte Wenger ihnen zusätzlichen Regenerationsurlaub. Erst langsam führte er gerade die deutschen Spieler wieder auf das physische Niveau in der Premier League heran.

Grausige Erinnerungen an das 0:6 der Vorsaison

Diese Maßnahme hat Arsenal zunächst diverse Punktverluste beschert, kurzzeitig gipfelte das sogar in eine Trainerdiskussion. Mittlerweile haben die Gunners alle Rückstände in der Tabelle aufgeholt - nur der FC Chelsea thront mit zehn Punkten noch vor ihnen. Eine Lücke, die in sechs Partien kaum zu schließen ist. Die Blues sind in der Bringschuld, sich den Titel zu sichern, Arsenal kann frei von jeglichen Erwartungen auflaufen.

Speziell das 0:6 aus der Vorsaison an der Stamford Bridge hat keiner der Arsenal-Spieler vergessen. Das Ergebnis setzt noch einmal eine Extradynamik innerhalb der Mannschaft in Kraft. Genau wie bei Wenger die Tatsache, es in zwölf Duellen nicht einmal geschafft zu haben, seinen bitteren Rivalen José Mourinho zu besiegen. Wie ein Äffchen turnt der Portugiese auf seinen Schultern herum. Dessen liebstes Spielzeug sind nicht Bananen, sondern psychologische Sticheleien. Allerdings schien Wenger noch nie besser darauf vorbereitet zu sein als jetzt. Selbst das Statement im Fall einer Niederlage hat er schon getestet. "1:0. Wie gewohnt."

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