Das US-Comeback:Der schwere Kampf um die Herzen

Klitschko, bisher in den USA wenig beliebt, hatte so sehr auf diese neue Chance gesetzt. Genutzt hat er sie nicht. Eine Analyse

Von Saskia Aleythe, New York/München

Leichtgewichte sind sie nicht gerade, diese drei WM-Gürtel, die Wladimir Klitschko seit Jahren mit sich herumschleppt. Viel Leder, viele Edelmetall-Plaketten, ein paar Kilogramm kommen da zusammen. In der Nacht zum Sonntag im Madison Square Garden von New York konnte Klitschko sich sie wieder umlegen lassen, doch die Aura war eine merkwürdige. Auf einmal wirkte alles um Klitschko wie eine Last.

Seine WM-Titel im Schwergewicht hat Klitschko verteidigt gegen Bryant Jennings, doch er lachte und jubelte nicht, die Gesichtszüge waren versteinert. Das lief alles ganz und gar nicht so, wie er sich das gewünscht hatte. Oder so, wie sich das amerikanische Boxpublikum das gewünscht hatte. Ein eindeutiger Punktsieg stand auf den Zetteln der Richter, kein K.o. Nicht ein einziges Mal hat Klitschko den 30-jährigen Amerikaner ernsthaft ins Wanken gebracht, nicht mal durch Stolpern kam es zum Bodenkontakt. Das gab es schon seit Jahren nicht mehr.

Ein böses Déjà-vu, Erinnerungen an Ibragimow 2008

Klitschko muss alles vorgekommen sein wie böses Déjà-vu , wie ein Sprung zurück ins Jahr 2008: Damals gewann er ebenfalls nach Punkten, gegen den Russen Sultan Ibragimow, doch die Kritiken waren vernichtend. In der Halle wurde Klitschko ausgebuht, zu wenig ließ er die Fäuste fliegen für den Geschmack des Publikums. Und nun, sieben Jahre später, bei seinem Comeback in den USA? Hallte wieder der Missmut der Zuschauer durch die Arena.

Klitschko verliert gegen Brewster

Lehrstunde für den heutigen Seriensieger: Wladimir Klitschko verliert 2004 in Las Vegas gegen Lamon Brewster.

(Foto: Brendan Mcdermid/dpa)

"Auf einmal ist es so, dass auch die amerikanischen Fans wieder wollen, dass ich da bin", hatte Klitschko noch am Samstag im SZ-Interview gesagt. Und gehofft, dass er die Sympathien in den USA mit einem großen Fight, mit großer Show erobern kann. Nach diesem Nicht-Spektakel aber ist klar: Es wird ein schwerer Kampf um die Herzen der Amerikaner.

"Es läuft nicht immer, wie man es sich wünscht", sagte Klitschko noch im Ring, "das war ein schwerer Herausforderer". Klitschko trug einen Cut unterm linken Auge davon, das Gesicht von Bryant Jennings hätte es hingegen fast mit dem Popo der vier Monate alten Klitschko-Tochter Kaya aufnehmen können. Dabei sehen Gegner des Ukrainers meist so ramponiert aus, dass sie es kaum noch zur anschließenden Pressekonferenz schaffen.

"Ich hatte nicht das Gefühl, er kann mir wehtun"

Die Fakten waren so: Treffer landete Jennings kaum, Klitschko war in dieser Hinsicht erfolgreicher, er gewann souverän und absolut verdient. Doch von der Schlagkraft des Dr. Steelhammer war eben nichts zu sehen. Von Schwergewichts-Kämpfen ist man das in Amerika nicht gewöhnt. "Ich habe eingesteckt, was immer er ausgeteilt hat", sagte Jennings, "so wie ich gekämpft habe, hatte ich nicht das Gefühl, dass er mir wehtun kann."

Wladimir Klitschko v Sultan Ibragimov

Knackpunkt im Verhältnis von Wladimir Klitschko und den US-Box-Fans: Gegen Sultan Ibragimov kämpfte er 2008 für viele zu sicherheitsorientiert.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Jennings, dieser 30-Jährige aus Philadelphia, der ja erst seit sechs Jahren professionell boxt, überraschte in New York. Vor allem seine Athletik machte sich bezahlt: Er hüpfte flink wie ein Wiesel durch den Ring, duckte sich, wann immer Klitschko die Arme nach vorne schnellen ließ. Auch wenn Jennings zwischendurch müde wurde, berappelte er sich wieder. "Es war wahnsinnig schwer, ihn zu treffen", sagte Klitschko danach, "er war sehr beweglich".

Zwei Sieger hätte man an diesem Abend gesehen, meinte später auch Deontay Wilder, gegen ihn will Klitschko nach einem Kampf gegen Tyson Fury vermutlich 2016 einen Vereinigungskampf bestreiten, um auch noch den Gürtel der WBC zu erobern. Klitschko hat einen Vertrag mit dem US-Fernsehsender HBO, beide Kämpfe könnten also ebenfalls in den USA stattfinden, müssen es aber nicht. Die Last dort wird für Klitschko nun erst mal nicht kleiner. Ausverkauft war die Arena gegen Jennings nicht.

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