Naher Osten:In der Raucherecke der Welt

Men light cigarettes sitting on old public seats in an alley in old Cairo

Straßenszene in Kairo: In Ägypten wächst die Zahl der Raucher rasant.

(Foto: REUTERS)

Auf den Bildschirmen zwischen Marrakesch und Bagdad wird so zügellos gequalmt, wie in kaum einer anderen Region. Die WHO will dies unterbinden - um die dramatisch steigende Raucherquote in Arabien zu senken.

Von Ronen Steinke

"Verwirrte Nachtigall" heißt eine der hübschesten arabischen Filmkomödien der vergangenen Jahren. Der Ägypter Ahmed Helmy spielt darin einen armen Tropf, der sich beide Arme gebrochen hat und nun seiner Ärztin beibringen will, Zigaretten für ihn zu drehen. Ganz am Ende sieht er sie lieb an. "Jetzt gebe ich das Rauchen auf. Ich brauche deine Hilfe nicht mehr."

Endlich, meint die Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie wirbt gerade dafür, dass noch viele weitere arabische Filmfiguren sich das Rauchen abgewöhnen, denn auf den Bildschirmen zwischen Marrakesch und Bagdad wird bisher so zügellos gequalmt wie in westlichen Ländern zuletzt in der 1960er-Jahre-Serie "Mad Men". In den meisten Staaten der Erde dürfen Tabakprodukte nicht ungehindert in Filmen und im Fernsehen gezeigt werden. Es greifen eine staatliche Aufsicht oder Ehrenkodizes der Branche. In Arabien aber herrscht bislang Raucherfreiheit.

Spielfilme, in denen geraucht wird, sollen in arabischen Ländern erst ab 17 Jahren freigegeben werden, so der fromme Wunsch, für den die WHO mit einer Kampagne trommelt. Schon lange vermutet sie heimliche Schleichwerbe-Deals der Zigarettenkonzerne mit Fernsehmachern. Beweisen konnte sie nie etwas - aber sie zeigt mit dem Finger auf immer mehr Filmszenen, in denen sogar die Zigarettenmarken ins Bild gerückt werden.

Arabien ist, neben dem südlichen Afrika, die einzige Weltregion, in der die Nachfrage nach Tabak weiterhin wächst. Die WHO-Chefin Margaret Chan kam erst kürzlich zu einer mehrtägigen Konferenz nach Abu Dhabi und beklagte: "Die Schwellenländer sind das gelobte Land für die Tabakindustrie." In Ägypten etwa wächst die Zahl der Raucher dreimal so schnell pro Jahr wie die Bevölkerung insgesamt. Mehr als die Hälfte der Lehrer raucht sowie fast jeder zweite Arzt. Davon profitieren Tabak-Multis, aber ebenso das Staatsunternehmen Eastern Tobacco Company, das die günstigen "Cleopatras" in goldener Packung produziert.

"Wir sind eine tabakfreundliche Gesellschaft", sagt der libanesische Kardiologe Georges Saade, der seit Jahren über die Gefahren aufklärt. In Libanon hat es der Staat mit Schock-Plakaten gegen das Passivrauchen versucht. Der wenig zimperliche Slogan: "Rauchen frisst deine Nächsten lebendig auf". 2009 war das. Gekümmert hat es wenige. In Beiruts Bars ist die Luft heute so dick wie damals, auch die zaghaft eingeführten Nichtraucher-Gesetze änderten kaum etwas. Man kann sich lediglich darüber freuen, dass die Raucher-Raten immerhin niedriger liegen als in Jordanien oder Tunesien: 60 Prozent sollen es laut WHO dort sein. In Jemen gar 77 Prozent.

Vor allem Frauen "holen auf", beklagt die Kairoer WHO-Expertin Fatima el-Awa. Die Zigarette in der Hand - dieses Männlichkeits-Symbol stehe neuerdings auch für die Freiheit der Frauen. Die libanesische Schauspielerin Haifa Wehbe ist der Star der Actionserie "Worte auf Papier", in der schnelle Autos über Küstenstraßen heizen, während schwere Jungs Pistolen nachladen. Sie spielt eine, die sich in dem Milieu nichts gefallen lässt. Die Kippe zwischen den Lippen ist ihr Markenzeichen.

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