Film-Tier-Ranch in Oberbayern:Schauspielschule für Tiere

Film-Tier-Ranch in Oberbayern: Kalle ist nicht bloß irgendein Hund, der besonders viele Tricks kann. Der zehnjährige Terrier gehört der Filmtiertrainerin Renate Hiltl und ist ein kleiner Star.

Kalle ist nicht bloß irgendein Hund, der besonders viele Tricks kann. Der zehnjährige Terrier gehört der Filmtiertrainerin Renate Hiltl und ist ein kleiner Star.

(Foto: Marco Einfeldt)

Terrier Kalle spielte den Filmhund von Matthias Schweighöfer. Sein Frauchen Renate Hiltl hat ihm alles, was er dafür können muss, auf ihrer Film-Tier-Ranch bei Wang beigebracht. Hier lernen Hunde seilspringen und Kaninchen rennen.

Von Gudrun Regelein

"Schäm dich", sagt Renate Hiltl zu Kalle. Sofort versteckt der kleine weiße Terrier mit den schwarzen Flecken seinen Kopf unter der Pfote, fast schaut es aus, als würde er sich tatsächlich schämen. Als Hiltl in die Hände klatscht, nimmt der kleine Kerl mit dem frechen Gesicht Anlauf und springt in ihre Arme. Weiter geht es mit dem Seilspringen, das bei dem Terrier fast besser klappt als beim Frauchen. Als diese schließlich "Ende" sagt, weiß Kalle sofort, dass seine Show jetzt vorbei ist.

Der zehnjährige Terrier ist nicht irgendein Hund, der besonders viele Tricks kann. Er gehört der Filmtiertrainerin Renate Hiltl und ist ein kleiner Star. Er hat in verschiedenen Serien mitgespielt, hatte die Hauptrolle in "Da kommt Kalle" und war Filmhund in "Rubbeldiekatz" mit Matthias Schweighöfer und Alexandra Maria Lara. Der kleine Terrier und sein Frauchen flogen für die Drehaufnahmen extra nach Mallorca, dort musste Kalle in einer Szene die Filmfreundin von Hauptdarsteller Schweighöfer daran hindern, ins Haus zu gehen und ihren Partner in flagranti zu erwischen.

Film-Tier-Ranch in Oberbayern: Ferkel Motte geht durch den Slalom.

Ferkel Motte geht durch den Slalom.

(Foto: Marco Einfeldt)

Viel Geduld, viel Zeit und Einfühlvermögen

Was im Film so spielerisch ausschaut, "funktioniert nur mit sehr viel Geduld, viel Zeit und Einfühlvermögen", sagt die Filmtiertrainerin. Und mit einer positiven Bestärkung beim Training - das bedeutet eine Belohnung für das Tier, wenn es etwas richtig macht. Allerdings bräuchten Filmtiere auch ein besonderes Talent, um mitspielen zu können. "Und sie müssen gerne im Mittelpunkt stehen." Um einen tierischen Hauptdarsteller dazu zu bringen, in einem Werbespot oder Film das zu machen, was im Drehbuch steht, müsse man ein wohldosiertes Training mit dem Wissen, wie Film funktioniert, verbinden, erklärt Renate Hiltl.

Hiltl ist seit 35 Jahren im Geschäft und gehört zu den meist beschäftigten und bekanntesten Filmtiertrainerinnen in Deutschland, wie sie sagt. Seit 1979 arbeitet sie in diesem Beruf, zunächst im elterlichen und seit 1989 im eigenen Betrieb. Viele tierische Hauptdarsteller seien von ihr trainiert worden, erzählt sie. Wirft man einen Blick auf die im Internet veröffentlichte Referenzliste, entdeckt man viele bekannte Kinofilme, "Winterkartoffelknödel" etwa, aber auch Spielfilme aus der "Inga Lindström"-Reihe oder Werbespots.

Petersilie als Lockmittel

"Reich wird man davon aber nicht", sagt Hiltl. Ihr Leben sei nicht so glamourös, wie man sich das vielleicht vorstelle. Wenn sie nach einem langen Dreh nach Hause komme, falle sie oft erst einmal in ein Loch. "Aber meine Tiere erden mich schnell wieder." Der Alltag auf ihrer Film-Tier-Ranch in Wang sei hart und lang. Gerade war sie fünf Wochen mit einem kleinen Team in Köln, um Kaninchen für die große Werbekampagne eines Elektro-Discounters zu trainieren.

Das "Osterhasenrasen", bei dem die Tiere um die Wette liefen, wurde auch im Fernsehen ausgestrahlt. Hiltl wählte nicht nur die Kaninchen aus, sondern beschäftigte sich über Wochen intensiv mit ihnen. Sie habe sich viele Gedanken gemacht, darüber, wie sie die erwachsenen Tiere vergesellschaften oder wie das Training möglichst stressfrei verlaufen könne. "Wir haben bald herausgefunden, dass die Kaninchen Petersilie besonders gerne mochten", erzählt Hiltl. Die diente dann auch als Lockmittel, um die Tiere zum Laufen zu bringen.

Shitstorm auf Facebook

Anfangs ging das nur über eine sehr kurze Distanz, die Kaninchen machten von der Start- zur Zielbox mit der Petersilie nur zwei Hopser, manche blieben auch sitzen und putzten sich. Schrittweise wurde die Strecke länger, bis die Tiere schließlich über eine 15 Meter lange Bahn liefen. Funktioniert habe das nur, weil man sich - mit einer positiven Bestärkung beim Training - ganz auf die Kaninchen eingelassen habe.

Film-Tier-Ranch in Oberbayern: Renate Hiltl und ein Teil ihrer Tiere.

Renate Hiltl und ein Teil ihrer Tiere.

(Foto: Marco Einfeldt)

Über den Shitstorm, der auf Facebook losbrach, wo ihr unter anderem der Vorwurf gemacht wurde, Tiere zu quälen, kann sich Hiltl nur wundern. "Natürlich haben wir die Kaninchen nicht gequält", sagt sie, "die Bedürfnisse der Tiere zu stillen, ist unsere wichtigste Aufgabe." Den Kaninchen sei es gut gegangen, mittlerweile lebten sie auf ihrer Ranch.

Sieben Jahre nach dem Paradies gesucht

Film-Tier-Ranch in Oberbayern: Wo Hunde sich schämen.

Wo Hunde sich schämen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Mit ihrer Film-Tier-Ranch hat sich Renate Hiltl - gemeinsam mit ihrem Mann, auch er ein Filmtiertrainer, - einen großen Traum erfüllt. Sie haben über sieben Jahre lang gesucht, bis sie 2001 endlich das Passende, ihr "Paradies" in idyllischer Lage bei Wang, entdeckten und kauften. Die Tiere haben hier auf dem etwa 6000 Quadratmeter großen Grundstück sehr viel Platz, Nachbarn gebe es auch keine, die sich durch den Lärm gestört fühlen würden. Momentan leben auf der Ranch neben den Kaninchen 17 Hunde, vier Katzen, Minischweine, Ziegen, Schafe, Tauben, Hühner, eine Gans und sogar ein Reh. Dazu kommen dann noch einmal etwa 20 Hunde aus ihrer Filmkartei, die dort regelmäßig trainiert werden. Neben dem Ehepaar kümmern sich vier andere Trainer, bei denen auch noch einmal drei bis vier Hunde der Hiltls leben, um die Tiere.

Renate Hiltl ist mit Tieren groß geworden, ihre Eltern hatten bei Dachau eine Hundeschule und arbeiteten als Filmtiertrainer. "Schon als Kind habe ich gewusst, dass ich das auch einmal werden will", erzählt sie. Sie habe ihr Ziel sehr ehrgeizig verfolgt, als 15-Jährige habe sie begonnen, sich ihr Wissen autodidaktisch aus Büchern und später in vielen Seminaren und Weiterbildungen anzueignen. "Von der Pike auf" habe sie sich alles beigebracht, erzählt sie. Und sie habe das Glück gehabt, Kontakt zu amerikanischen Trainern knüpfen zu können, von diesen viele Tipps zu bekommen.

"Die Tiere sind meine Familie"

Als sie schließlich begann, als Filmtiertrainerin zu arbeiten, sei sie - zumindest in Westdeutschland - eine der Ersten gewesen, die das professionell machten. "Ich habe eine Art Vorreiterrolle gehabt." Anfang der 90er Jahre seien die Anforderungen an die Filmtiere höher geworden. "Damals wurde erst deutlich, was man mit einem Filmhund alles machen kann", sagt Renate Hiltl. Auslöser waren zwei Produktionen: Neben "Kommissar Rex" die Serie "Willy Wuff", für die Renate Hiltl den Pudel-Bobtail-Mischling Willy trainierte. Dennoch bleibe ein Film immer eine Illusion, eine Fiktion. Intensives Training, aber auch die Kameraführung und der Schnitt spielten eine Rolle, um schließlich den Zuschauern die im Drehbuch geschrieben Szene zeigen zu können.

"Man muss sehr hart arbeiten, damit ein Film letztlich so ist, wie er sein soll", meint Renate Hiltl. Zum Schutz der Tiere gebe es seit 2001 eine gesetzliche Regelung. Der Einsatz von Filmtieren sei genehmigungspflichtig: Kein Tiertrainer dürfe ohne Erlaubnis des Veterinäramtes Tiere für Filmaufnahmen trainieren und vor die Kamera bringen, erzählt die Trainerin. Ihr sei bewusst, dass sie mit ihrer Film-Tier-Ranch eine große Verpflichtung eingegangen sei: "Für die Tiere haben wir eine Riesen-Verantwortung." Doch ihre Arbeit mit ihnen mache ihr nicht nur Spaß, "die Tiere sind meine Familie", sagt sie.

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