Letzter "Tatort" aus Leipzig:Der Scherz ist immer nah am Schmerz

Tatort Leipzig; Simone Thomalla und Martin Wuttke

Kommissar Keppler (Martin Wuttke) trägt seine Kollegin Saalfeld (Simone Thomalla) huckepack: Warum bloß waren sie nicht immer so herrlich durchgeknallt wie in diesem Tatort?

(Foto: MDR/Saxonia Media/Junghans)

Wie Musiker, die vor ihrem letzten Konzert das ganze heftige Zeug rauchen: Der finale Fall der Leipziger Ermittler Saalfeld und Keppler ist eine Provokation. Wenn man sich verabschiedet, dann so.

Von Holger Gertz

Der Monolog, den Martin Wuttke hier am Anfang spricht, hängt diesen Tatort gleich mal entsprechend ein: "Die Frage ist doch: Soll das Ganze ein Scherz sein. Oder mehr: eine Tragödie?" Wuttke predigt die Programmatik des Augenblicks mit seiner wunderbaren Vorleserstimme in die leere Seele eines Kühlschranks hinein: "Heute ist Sonntag, und nichts geschieht ohne Grund."

Spätestens hier können sich dann jene verabschieden, die das nächste Kapitel aus der Leipziger "Wo waren Sie gestern zwischen neun und halb elf"-Erzählung erwarten. Dieser Tatort ist auf gepflegte Art durchgeknallt, es ist der letzte Fall mit Thomalla und Wuttke als Saalfeld und Keppler. Die beiden sind wie die Mitglieder einer alten Band, die immer sehr mittelmäßige Lieder gespielt hat. Aber vorm letzten Konzert rauchen sie das ganz heftige Zeug auf und schlagen auf der Bühne die Instrumente kaputt. Wenn man sich verabschiedet, dann so.

Ein Mädchen wird entführt, und es stellt sich bald heraus, dass die Entführer genauso einen an der Waffel haben wie die religiös verstrahlten Eltern des Kindes. "Herrgottnochmal, sind wir denn hier im Irrenhaus?": Kepplers grundsätzliche Frage steht wie ein Regenbogen über der Landschaft in dieser Geschichte (Regie: Claudia Garde; Buch: Sascha Arango). Keppler tritt in Hundescheiße, Keppler macht mit einer Nachbarin rum, etwas später schleudert er dem selbstmörderisch veranlagten Kindsvater seinen Stiefel an den Hinterkopf und wird, umraunt von sphärischen Gesängen, vorübergehend zum Messias upgegradet. Das ist in der Geschichte des Tatorts praktisch auch noch nie vorgekommen.

Zum Abschied klärt sich alles auf

"Niedere Instinkte" ist eine Provokation, manchmal schrammt der Plot an der Albernheit knapp vorbei. Dass man dranbleibt, liegt am Buch von Arango, der die Dinge schon in den Borowski-Fällen in der Schwebe gehalten hat, und der ein Meister des letzten Twists ist, der am Ende alles mit allem verbindet. Der Scherz ist immer nah am Schmerz, man merkt das spät. Aber man merkt es.

Schade, dass nicht öfter Arango die Bücher für die Leipziger geschrieben hat. Aber zum Abschied jammert man nicht, zum Abschied klärt sich alles auf: War halt ein großer Irrtum.

Saalfeld: "Wie kommt ein Optimist wie du eigentlich zur Mordkommission?"

Keppler: "Falsche Tür. Ich wollte eigentlich zur Sitte."

Sonntag, 20.15 Uhr, ARD.

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