Władysław Bartoszewski war ein leidenschaftlicher Erzähler. Sein Büro war das, in dem 1989 der erste nichtkommunistische Regierungschef, Tadeusz Mazowiecki, sein Amt ausübte. Und die Straße unten vor dem Fenster war der Ort, an dem Hitler im Oktober 1939 seine Siegesparade abhielt. Ruhestand war keine Option für jemanden wie Bartoszewski, und so wirkte er auch in seinem zehnten Lebensjahrzehnt als außenpolitischer Berater des Ministerpräsidenten, im Rang eines Staatssekretärs.
Widerstandskämpfer und Versöhner
Sein Lebensthema: das Verhältnis seines Landes zu Deutschland. In der Schule lernte er die Sprache des Nachbarn, 1940 brachten die Besatzer ihn nach Auschwitz, 1941 ließen sie ihn frei, 1944 nahm er am Warschauer Aufstand teil. "Ich habe die Verdummung des normalen Deutschen und auf der anderen Seite die deutsche Kultur gesehen", sagte er zur Süddeutschen Zeitung vor einem halben Jahr.
Das KP-Regime sperrte ihn mal ein, mal ließ es ihn als Publizist arbeiten, mal erlaubte es ihm Gastprofessuren in Bayern. Er staunte über sich selbst: "Wenn mir jemand, als ich geduckt auf dem Appellhof des KZ Auschwitz stand, gesagt hätte, dass ich Deutsche als Freunde haben werde, hätte ich ihn für einen Narren gehalten."
Er sagte nichts und deutete alles an
Zweimal war er Außenminister seines Landes, und auch im hohen Alter verstand er sich auf die Kunst der Diplomaten, nichts zu sagen und alles anzudeuten. Gefragt, ob die EU in der Ukraine-Politik zu viel Appeasement gegenüber Russland betreibe, antwortete Bartoszweski: "Für außenpolitische Stellungnahmen ist der Außenminister zuständig, nicht ich."
Am Freitagmittag erlitt er einen Schwächeanfall und kam ins Krankenhaus. Am Abend teilte Präsident Bronislaw Komorowski seinen Tod mit. Bartoszewski wurde 93 Jahre alt.