Verdächtigter Deutscher in Florida:"Wir sind alle fassungslos"

Verdächtigter Deutscher in Florida: Seit einem halben Jahr sitzt Pascal K. in einem Gefängnis in Florida in Untersuchungshaft. Erst im Herbst 2016 soll es zur Verhandlung kommen.

Seit einem halben Jahr sitzt Pascal K. in einem Gefängnis in Florida in Untersuchungshaft. Erst im Herbst 2016 soll es zur Verhandlung kommen.

(Foto: AFP)
  • Einem 20 Jahre alten Mann aus dem oberbayerischen Bernau droht in den USA die Todesstrafe.
  • Pascal K. wird vorgeworfen, seine dreijährige Stieftochter sexuell missbraucht und getötet haben. Seit November 2014 sitzt er deshalb in Orlando, Florida, in Haft.
  • In seiner Heimat sind die Menschen fassungslos, seine Familie glaubt an seine Unschuld.
  • Erst im Herbst 2016 soll es zur Verhandlung kommen, bis dahin bleibt der Mann in Untersuchungshaft.

Von Lisa Schnell, Bernau

Pascal K. blickt ernst in die Kamera. Ein junger Mann mit braunen Wuschelhaaren und Drei-Tage-Bart. Mit einer Horrornachricht ging sein Foto in den USA durch die Medien: Der 20-Jährige aus Bernau am Chiemsee soll seine dreijährige Stieftochter sexuell missbraucht und getötet haben. Im August 2014 zog der Bayer in die USA, seit November sitzt er in einer Gefängniszelle in Orlando, Florida. Wird er wegen Mordes für schuldig befunden droht ihm lebenslange Haft, schlimmstenfalls die Todesstrafe.

Der Fall begann mit einer Liebesgeschichte Ende der Neunzigerjahre. Pascal K. sah Emma L. zum ersten Mal in Florida, da war er drei, sie etwa 13 Jahre alt. Ihre Familien verband eine jahrzehntelange bayerisch-amerikanische Freundschaft. Mit 19, kurz nach seiner Mittleren Reife, tourte Pascal K. Anfang 2014 mit einem Freund durch die USA. Eigentlich wollten sie nur kurz zusammen essen, erzählte Emma L. später der Polizei. Am Schluss blieb K. zwei Wochen, einmal küssten sie sich. Als er wieder in Deutschland war, schrieben sie sich fast täglich.

Im August stand er vor L.s Tür in Orlando. "Ich will nie wieder zurück", habe er gesagt. Er zog zu L. und ihrer dreijährigen Tochter Charlie. "Ich liebe sie so sehr. Ich wünschte, sie wäre meine Tochter", soll er gesagt haben. Nicht mal eine Woche, nachdem das Paar im November heiratete, war das Mädchen mit den langen blonden Haaren tot.

Was Pascal K. vorgeworfen wird

Die Ermittler haben die Tat rekonstruiert: Es ist ein Samstag, Pascal K. schaut ein Basketballspiel an, seine Frau geht zur Arbeit in die Bar. Etwa um halb zehn sagt eine Kollegin zu ihr, was für ein Engel ihre Tochter sei, da klingelt das Telefon. K. ruft von den Nachbarn aus an. Mit seinem deutschen Handy kann er in den USA nicht telefonieren. "Irgendwas stimmt nicht mit Charlie", sagt er. Sie sei bewusstlos, eine Seite ihres Körpers völlig steif. Emma L. ruft den Notarzt, als sie nach 15 Minuten in ihrem Apartment ankommt, liegt ihre Tochter auf der Couch. Sie trägt nur eine Windel. Ihre Augen sind starr und geweitet, sie keucht, liegt in den letzten Atemzügen. So steht es in Polizeiprotokollen.

Im Krankenhaus stellen die Ärzte schwere Kopfverletzungen fest, an denen die Dreijährige zwei Tage später stirbt. An ihrem Körper finden sie "positive Befunde für sexuellen Missbrauch". Alle Verletzungen müssten in den letzten 24 Stunden passiert sein. Für die Ermittler ist klar: K. muss der Täter sein.

In Bernau herrscht Fassungslosigkeit

"Wir sind alle fassungslos", sagt Philipp Bernhofer, der Bürgermeister von Pascal K.s Heimatort Bernau. An einem Ende des Dorfes erhebt sich die Kampenwand, am anderen glitzert der Chiemsee. Hirschgeweihe hängen an den Wänden der Bauernhäuser. Die Fensterläden sind mit Blumenmalereien verziert. Auch der Fremde bekommt ein freundliches "Griaß God" zugenickt.

Pascal K. sei das "Nesthäkchen" gewesen, heißt es im Dorf. "Ein ganz lieber Junge", "grundehrlich". Als Kind spielte er Tennis im Verein, engagierte sich später im Jugendzentrum, hatte Freunde. Vor seinem Heimathaus schlängelt sich ein Bach vorbei. Der Blick vom Balkon führt direkt in die Berge. K.s Familie führt einen Radverleih, eine Surf- und Skischule und eine Minigolf-Anlage. Auch K. arbeitete als Ski- und Surflehrer mit Kindern. Dass er einem Kind etwas antun könnte, kann sich in seinem Heimatort niemand vorstellen.

Die Staatsanwaltschaft von Florida sieht das anders. Sie meint, genügend Hinweise gegen den Chiemgauer zu haben. Nur er habe an jenem Samstag im November mehrere Stunden alleine mit seiner Stieftochter Charlie verbracht, seine Schilderung des Abends sei wenig glaubhaft. Pascal K. sagte aus, Charlie sei aus dem Bett gefallen, habe kurz geweint und dann nicht mehr geantwortet. Nur: Das Bett ist nicht mehr als 70 Zentimeter hoch und steht auf einem Plüschteppich. Ihre Tochter habe sich noch nie verletzt, wenn sie rausgefallen sei, sagte Emma L. der Polizei. Davon könnten die schweren Verletzungen nicht kommen, meinten die Ärzte.

"Da gehen drei Familien kaputt"

Auch die Verletzungen, die auf sexuellen Missbrauch hinweisen, scheinen dem Mädchen erst zugefügt worden zu sein, nachdem seine Mutter es mit K. alleine ließ. Kurz bevor sie zur Arbeit ging, half sie ihrer Tochter noch, auf die Toilette zu gehen. Verletzungen habe sie dabei nicht entdeckt. Auffällig sei auch, dass Charlie nur eine Windel trug, als der Notarzt kam. "Sie würde nie nur in Windeln schlafen", sagte ihre Mutter. Als ihr die Ermittler nahe legen, ihr Mann könnte der Täter sein, ist sie geschockt. Nie hatte sie sich Sorgen gemacht. Manchmal zeigte K. ihr Videos von sich und Charlie, um ihr zu beweisen, dass sie sich gut verstanden. Sexuelle Inhalte fand die Polizei nicht.

Ihr Verhältnis war "mal gut, mal schlecht"

Das Verhältnis zwischen ihrer Tochter und Pascal K. sei "mal gut, mal schlecht" gewesen, sagte die Mutter. An manchen Tagen fand Charlie, K. sei der beste Daddy der Welt, an anderen wollte sie nicht, dass ihre Mutter sie mit ihm alleine ließ. Emma L. dachte, ihre Tochter würde in ihrem Freund eine Konkurrenz sehen. So erklärte sie sich, dass Charlie kurz vor ihrem Tod wieder anfing, ins Bett zu machen. Zur gleichen Zeit entdeckte sie blaue Flecken an ihr. Vom Roller Skating, sagte K. Ihre Tochter hatte nie etwas davon erwähnt. Einmal, kurz nachdem der damals 19-Jährige eingezogen war, erzählte Charlie ihrer Mutter, K. habe sie geschlagen. Ihr leiblicher Vater rief kurz darauf bei der Mutter an und drohte: "Wenn er meine Tochter noch mal anrührt, bring ich ihn um. Bring ich dich um."

Im Nachhinein kommt ihr das Verhalten von Pascal am Tag der Tat aber komisch vor. Warum rief er nicht schon von den Nachbarn aus den Notarzt? Die sagten aus, K. sei ruhig gewesen. Mehrmals fragten sie ihn, ob er Hilfe bräuchte, immer wieder verneinte er. Später, als der Notarzt da war, sei er "durchgedreht", sagte seine Frau. Er sei hektisch hin und her gelaufen und habe zu ihr gesagt: "Ich werde ins Gefängnis gehen. Ich hab deiner Tochter weh getan." Im Krankenhaus habe er sich mehr Sorgen um sich als um seine in Lebensgefahr schwebende Stieftochter gemacht. Von dort soll er auch mit seiner Mutter in Deutschland telefoniert haben, die ihm angeblich riet, sich einen Anwalt zu nehmen.

"Ich bin überzeugt, dass er unschuldig ist"

In Bernau am Chiemsee heißt es, die Eltern von Pascal K. würden kaum noch das Haus verlassen. Seine Großeltern sitzen auf einer Holzbank auf dem Minigolfplatz in der Sonne. "Ich bin überzeugt, dass er unschuldig ist", sagt sein Großvater. Es müsse ihm jemand eine Falle gestellt haben.

Die Eltern von K. würden kaum noch essen. Er hält seine Zeigefinger auseinander, bewegt sie langsam aufeinander zu, so dass der Abstand immer kleiner wird. So dünn seien sie mittlerweile. "Da gehen drei Familien kaputt", sagt er. Zweimal konnten sie ihren Sohn und Enkel in Haft besuchen, aber nur per Video mit ihm sprechen. Emma L., die Frau seines Enkels, kennt der Großvater schon seit mehr als 20 Jahren. "Und jetzt Funkstille", sagt er enttäuscht. Sie habe K. nicht einmal besucht, im Januar soll sie die Scheidung eingereicht haben.

Wie es für K. weitergeht

Seine Anwälte äußern sich nicht gegenüber der Presse. Erst im Herbst 2016 soll es zur Verhandlung kommen. K. wäre dann fast zwei Jahre in Untersuchungshaft. Das liege zum einen daran, dass so viele Fälle zu bearbeiten seien, zum anderen bräuchten die Anwälte genügend Zeit, um ihre Beweisführung vorzubereiten, heißt es aus der Staatsanwaltschaft.

Befinden die Geschworenen K. für schuldig, spreche für die Todesstrafe, dass es sich um ein Sexualverbrechen handelt und das Opfer jünger als zwölf Jahre alt war, sagt Thomas Weigend, Direktor des Instituts für ausländisches Strafrecht der Uni Köln. Der Richter könne sich aber gegen die Todesstrafe aussprechen. Dann würde es wohl zu lebenslanger Haft kommen. In den USA endet diese nicht nach 15 Jahren wie in Deutschland. Seine Heimat würde K. nie wieder sehen.

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