Himalaja:Gefangene des Berges

Himalaja: "Absolut monströs": Hubschrauber fliegen Verletzte aus dem nepalesischen Basislager am Mount Everest aus.

"Absolut monströs": Hubschrauber fliegen Verletzte aus dem nepalesischen Basislager am Mount Everest aus.

(Foto: Roberto Schmidt/AFP)

Eine von dem schweren Erdbeben ausgelöste Lawine hat das Basislager am Mount Everest zum Teil verschüttet. Zahlreichen Bergsteigern weiter oben könnte der Rückweg durch die Eisfelder abgeschnitten sein. Die Lage ist bedrohlich.

Von Birgit Lutz

"Absolut monströs." Eric Simonson ist der Schock noch anzumerken. Andere Worte fallen ihm nicht ein, um die Gewalt der Lawine zu beschreiben, die das Basislager der Bergsteiger auf der Südseite des Mount Everest verwüstet hat. Simonson ist Mitinhaber des amerikanischen Expeditionsanbieters International Mountain Guides, er war zum Zeitpunkt des Unglücks im Lager. Die Lawine, ausgelöst von dem starken Erdbeben, hat dort wohl 17 Menschen das Leben gekostet und mindestens 61 schwer verletzt. Die Zahl der Opfer wird noch steigen. Dass eine Lawine überhaupt bis zum Basislager habe vordringen können, sei ein Jahrhundertereignis.

Die Saison am Everest ist gerade in vollem Gang. Etwa 1000 Bergsteiger, Sherpas, Guides, Helfer und Trekkingtouristen waren im Basislager auf der Südseite des 8848 Meter hohen Bergs, als das Erdbeben am Samstag kurz vor zwölf Uhr mittags Ortszeit einsetzte. Augenzeugen berichten, dass in Folge der Erdstöße an vielen Hängen Schnee und Eis in Bewegung gerieten, Gletschertürme einstürzten und Lawinen abgingen. Der Alpinismus am Everest wird damit innerhalb eines Jahres von einem zweiten immensen Schlag getroffen. Erst in der vergangenen Saison waren 16 Alpinisten bei einem Lawinenabgang am Everest zu Tode gekommen.

Das nepalesische Everest-Basislager steht auf 5360 Metern. Von einem 800 Höhenmeter oberhalb des Lagers liegenden Sattel löste sich durch das Beben ein gewaltiger Eisblock, der auf einen darunter liegenden Hang stürzte und eine sogenannte Katastrophen- oder Staublawine auslöste. Mit hoher Geschwindigkeit stürzten Eis- und Schneemassen und große Mengen an Felsen zu Tal. Augenzeugen berichten, die Lawine sei wie eine 50 Stockwerke hohe weiße Wand auf das Lager zugerast.

Laut Simonson traf die Lawine zusammen mit einer starken Druckwelle den oberen Teil des Basislagers auf dem Khumbu Gletscher. Viele Zelte seien komplett zerstört, begraben oder durch die Druckwelle davongeweht worden. "Wegen der vielen Felsen, die mit der Lawine kamen, gab es im oberen Teil des Basislagers sehr viele Schwerverletzte", berichtet Simonson. Nach dem Beben verschlechterte sich zudem das Wetter. Rettungskräfte kamen nicht durch. Mittlerweile ist es etwas besser, 61 Verletzte konnten mit Hubschraubern ins Tal geflogen werden. Die Rettungsarbeiten auf der Südseite werden dadurch erschwert, dass auch der Weg vom Basislager ins Tal zum Teil zerstört ist.

Die Bergsteigergruppen in Camps oberhalb des Basislagers stehen nun vor enormen Problemen. Der Weg durch den Khumbu-Eisfall ist einer der gefährlichsten Abschnitte des Aufstiegs. In wochenlanger Arbeit suchen sogenannte Eisdoktoren, sehr erfahrene Sherpas, vor der Saison einen sicheren Weg durch das eisige Labyrinth aus Gletscherspalten und -türmen. Den Weg sichern sie für die Expeditionsteams mit Seilen, aus Aluleitern bauen sie Brücken über Spalten. Der amerikanische Bergführer Daniel Mazur, der sich derzeit mit einer Gruppe in Camp 1 aufhält, berichtet, dass der Weg zum Teil zerstört sei. Mehr als 100, teils ebenfalls verletzte Bergsteiger befinden sich in den Hochlagern.

Die größte Gefahr geht derzeit von Nachbeben aus. Mazur berichtet, dass während der Nachbeben an drei Stellen Lawinen rund um Camp 1 abgingen. Er mache sich große Sorgen um ein Team, das sich zur Unglückszeit im Eisfall aufhielt.

Auf der chinesisch-tibetischen Nordseite des Everest war das Beben ebenfalls zu spüren. Dort hält sich derzeit eine Gruppe des deutschen Expeditionsanbieters Amical alpin aus Oberstdorf auf, die den Everest über die Nordflanke besteigen will. Zu dieser Gruppe gehört auch der Bergsteiger Ralf Dujmovits, der erste Deutsche, der auf den Gipfeln aller 14 Achttausender stand. Er befand sich zum Zeitpunkt des Bebens bereits im weiteren Aufstieg. Es habe weder Schäden noch Verletzte gegeben, teilt die Firma mit. Zwei deutsche Bergsteiger, die sich im Basislager aufhalten, sind wohlauf. Andere Teams melden auch von der Nordseite große Lawinenabgänge. Die chinesisch-tibetische Bergsteigervereinigung hat alle im Aufstieg befindlichen Teams aufgefordert, ins Basislager zurück zu kehren.

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