Sieg in New York gegen Jennings:Klitschko hämmert ständig vorbei

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Schwer zu treffendes Ziel: Wladimir Klitschko (rechts) gegen Bryant Jennings.

(Foto: AFP)
  • Wladimir Klitschko wollte die USA erobern - doch sein Plan misslingt.
  • Klitschko findet in Bryant Jennings nur einen Gegner, der so hyperaktiv im Ring umherwieselt, dass er sich kaum treffen lässt.
  • Nach zwölf Runden zeigt sich Klitschko tief enttäuscht, auch wenn er nach Punkten deutlich gewinnt.

Von Saskia Aleythe

Jochbeinbruch? Mittelgesichtsfraktur? Am Ende war es zwar eine leichte Gehirnerschütterung, aber immerhin kein Bruch, den Wladimir Klitschkos Gegner davongetragen hatte. Bryant Jennings musste im Krankenhaus die Untersuchungen über sich ergehen lassen, während der Weltmeister im Schwergewicht freudig über seinen Kampf philosophierte, der Platz neben ihm auf der Pressetribüne blieb er. Den Bulgaren Kubrat Pulew hatte Klitschko im November 2014 damals noch richtig hart erwischt - K.o. in der fünften Runde.

So einen Knockout hatten sich die amerikanischen Boxfans nun wieder gewünscht, bei Klitschkos erstem US-Kampf seit sieben Jahren. Samstagnacht in New York zeigte sich allerdings ein anderes Bild: Klitschko gewann zwar gegen Jennings erneut problemlos, allerdings hätte sein Gegner danach genauso problemlos ein Fotoshooting bestreiten können. Nicht ein einziges Mal hat Klitschko den 30-jährigen Amerikaner ernsthaft ins Wanken gebracht, nicht mal durch Stolpern kam es zum Bodenkontakt. Das gab es schon seit Jahren nicht mehr.

"Es tut mir leid", sagte Klitschko. Ein Sieger, der sich entschuldigt?

"Es hätte spannender sein können. Es ist aber nicht jeder Kampf wie mein Kampf gegen Pulew", befand Klitschko später, "Jennings hat mir viele Probleme bereitet, er ist ein harter Hund." Seinen Punktsieg nach zwölf Runden versuchte er zwar routiniert zu bejubeln, doch der Blick: Er sprach Bände. Verbitterung war daraus zu lesen, wenn er sich ein Lächeln aufs Gesicht zwang. Denn die Rückkehr in die Staaten, sie war ihm missglückt, obwohl er alle WM-Gürtel wieder mit nach Hause nimmt, seit neun Jahren Weltmeister und seit elf Jahren ungeschlagen ist. In Amerika reicht das nicht, um ein Sieger zu sein.

Klitschko muss sich ein bisschen so wie damals gefühlt haben, im Jahr 2008: Da gewann er ebenfalls nach Punkten, gegen den Russen Sultan Ibragimow, doch die Kritiken waren vernichtend. In der Halle wurde Klitschko ausgebuht, zu wenig ließ er die Fäuste fliegen für den Geschmack des Publikums. Und nun, sieben Jahre später, bei seinem Comeback in den USA? Hallte wieder etwas Missmut der Zuschauer durch die Arena. "Es läuft nicht immer, wie man es sich wünscht", sagte Klitschko noch im Ring, "das war ein schwerer Herausforderer".

Klitschko boxte überlegen und souverän

Um Missverständnisse auszuräumen: Klitschko boxte überlegen, er boxte souverän, er ging verdient als Sieger aus diesem Kampf gegen Jennings hervor. Doch seine Schläge brachte er eben selten ins Ziel und das ist bei einem Boxer namens "Dr. Steelhammer" dann doch kritikwürdig. So ein Stahlhammer soll ja draufhauen und den Nagel versenken, das Problem mit Jennings war: Seinen Job als Nagel interpretierte der Mann aus Philadelphia so hyperaktiv, dass Klitschko ständig vorbeihämmerte. Er traf den Nagel nicht.

Jennings leistete insofern einen verdienstvollen Beitrag, dass er der Welt in seinem erst 20. Profikampf vorführte, wie man es zumindest verhindern kann, von Klitschko allzu hart erwischt zu werden. "Es war wahnsinnig schwer, ihn zu treffen", sagte Klitschko danach, "er war sehr beweglich". Der frühere Sprinter war so flink auf den Beinen und schnell im Reagieren, dass er dem Ukrainer immer wieder gekonnt ausweichen konnte. Vor allem eine Strategie fruchtete: Das Wegducken.

Ließ Klitschko seinen Arm nach vorne schnellen, tauchte Jennings ab. "Ich konnte keine richtige Distanz aufbauen, um die Rechte einzusetzen", sagte Klitschko später. "Ich habe eingesteckt, was immer er ausgeteilt hat", sagte Jennings, "so wie ich gekämpft habe, hatte ich nicht das Gefühl, dass er mir wehtun kann."

Stolz lief der Mann, der vor einem Jahr noch Vollzeit-Hausmeister war, später durch die Halle, forderte sogar ein Re-Match gegen Klitschko. Interesse daran zeigte der Weltmeister nicht. Schließlich hatte Jennings ihn nun auch nicht schmerzlich erwischt, trotz kleinem Cut unter dem linken Auge. Mit Wegducken einen Kampf gewinnen kann man halt nicht. Zwischendurch schien dem Amerikaner immer wieder die Luft auszugehen, doch er berappelte sich und stürzte sich gleich wieder ins Getümmel - wagemutig, aber oft auch zu planlos. Obwohl Jennings Reichweite sieben Zentimeter größer ist als die von Klitschko, kam er mit den Fäusten einfach nicht in die sensiblen Bereiche, seine Arme endeten bevor Klitschkos Kopf erreicht war. Und seine Körpertreffer beeindruckten Klitschko wenig.

"Es war schwer, aber die Erfolgsstory Klitschko wird weitergeschrieben", fand Wladimir dann doch noch ein versöhnliches Fazit. Im September wird es vermutlich zur Pflichtverteidigung gegen Tyson Fury kommen, danach will Klitschko endlich den Vereinigungskampf - vermutlich gegen Deontay Wilder - bestreiten und einen Gürtel ergattern, der ihm noch nicht gehört: Jener der WBC, den einst sein Bruder Vitali besaß. Vielleicht sein letztes großes Ziel.

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