Porträt:Hallo Zirkus

Cordula Stratmann war nach der Geburt ihres Sohnes ein paar Jahre lang "grunzzufrieden" ohne große Fernsehrollen. Jetzt kommt die Komödiantin wieder.

Von Hans Hoff

Mit Cordula Stratmann kann man gut über den Dingen schweben. Sie hält sich, das ist die Erfahrung von früheren Begegnungen, nicht sehr lange mit medientechnischen Details auf, sie betrachtet lieber das Große und Ganze im Leben, die Draufsicht. Welcher Ort wäre also besser für ein Gespräch mit ihr als eine Seilbahn?

In Köln führt eine vom Zoo über den Rhein. Kleine Gondeln schweben hoch überm Strom. Eine trägt die WDR-Maus auf der Außenhülle, aber Cordula Stratmann will lieber in die mit den Sternchen, die von Wolfgang Niedecken gestaltet wurde. Vorher kauft die Komödiantin Getränke für sich und den Gesprächspartner. Könnte ja heiß werden beim Anblick des Doms. Sehr fürsorglich. Dann geht es in luftige Höhen, und Stratmann wird ihr Getränk die nächsten anderthalb Stunden nicht anrühren, weil sie sehr viel redet und noch mehr nachdenkt. Die erste Frage dreht sich natürlich um die lange Abwesenheit der Cordula Stratmann, die nun endet, wenn sie im Juli mit zwei neuen Serien bei ARD und ZDF auftritt.

Obwohl Abwesenheit vielleicht nicht das richtige Wort ist, denn präsent war die heute 51-jährige Stratmann immer irgendwie. Als Buchautorin und als gelegentlicher Gast in diversen Fernsehproduktionen. Aber das war doch meilenweit entfernt von jener Allgegenwart, mit der sie Mitte des vergangenen Jahrzehnts das deutsche Fernsehen zu einem ab und zu sehr lustigen Ort machte. Lange war sie die Gastgeberin in der Sat-1-Improshow Schillerstraße, und ihre Kunstfigur Annemie Hülchrath lieferte als vermeintliches Dööfchen vom Dienst regelmäßig erstaunliche Lebensweisheiten ins WDR-Programm.

Der Umschwung kam in der Mitte der Nuller-Jahre, als sie gerade eine Serie für Sat 1 vorbereitete. Alles schien klar, alles war abgesprochen. "Das war ein sehr schönes Angebot, und ich hatte große Lust dazu", sagt sie. Aber dann kam ihr Sohn zur Welt, und auf einmal war alles anders. "Ich habe mir mein Kind angeschaut und gesagt: Jetzt ist es soweit." Die Serie hat sie dann abgesagt, auch die immer wieder mal erneuerten Anfragen in den Folgejahren. Fünf Wochen weg sein zum Dreh, das schien ihr auf einmal unvorstellbar.

Ein paar Stippvisiten hat sie zwischendrin beim Fernsehen absolviert, hat sich - nicht überbegabt, aber trotzdem sehr erfolgreich - als Buchautorin versucht. Aber im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit stand die ganze Zeit ihr Spross. "Ich hatte eine extrem selbstbestimmte Zeit", konstatiert sie heute. "Grunzzufrieden" nennt sie ihren in dieser Zeit erreichten Gemütszustand. Das Wort stammt von ihr. Glaubt sie. Sie ist nicht ganz sicher, ob sie das wirklich selbst erfunden hat. Aber die Assoziation mit einem dicken Schwein, das ausgeglichen in der Sonne döst, das gefällt ihr.

Zu ihrem Vorleben gehörten acht Jahre als Familientherapeutin. Das wirkt nach

Das gefällt ihr sogar sehr, hält sie aber nicht davon ab, aus dem Bild auszubrechen und die nächste Stufe auf ihrer Lebenstreppe zu erklimmen. "Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt wieder Gas geben sollte", sagt sie. Die Serien, mit denen sie jetzt ihr Comeback beginnt, hat sie im vorigen Jahr gedreht, eine für die ARD, eine fürs ZDF. In Die Kuhflüsterin spielt sie im Ersten eine Tierheilpraktikerin, in Ellerbeck ist sie eine Kindergärtnerin, die unversehens politische Verantwortung übernehmen muss.

Reizvoll fand sie, dass ihr beide Rollen mit ihrer verhaltenen Komik auf Anhieb vertraut waren. Natürlich drückt sie das ein bisschen umständlicher aus. So wie es manchmal auch die Art ihrer Figuren ist. Nur nicht direkt auf die Zwölf. "Die Rollen sind nicht so weit entfernt von mir, wie es eine leukämiekranke Pianistin wäre, die nach Finnland reist und dort in ein Hospiz geht", sagt sie. Ja, so ein Vergleich, der unterschwellig nach Kritik an bedeutendem Kunstfilm klingt, kommt aus ihrem Mund. Aber es klingt nicht lästerlich, es klingt vielmehr lebensklug.

Man kann viel Lebenskluges hören, wenn man mit ihr über dem Rhein schwebt und die quirlige Medienstadt Köln auf Ameisengröße geschrumpft. Stratmanns Botschaft ist eindeutig. Sie hat ihr Leben im Griff, auch wenn bekanntlich morgen schon alles ganz anders kommen kann. "Ich habe den Gedanken aufgegeben, dass man es irgendwann mal geschafft haben könnte", sagt sie. Von Vorgaben hat sie sich gelöst, weil sowieso alles anders kommt, als man es plant - gerade im Fernsehgeschäft. Das hat die aus Düsseldorf eingewanderte Kölnerin früh verstanden. "Mein einziges Ziel ist es, dass ich einverstanden sein will mit dem Leben, das ich führe", sagt sie. Im Moment wirkt sie sehr einverstanden.

Ihre Übereinstimmung mit dem Leben hat vor allem mit zwei Dingen zu tun. Zum einen mit ihrer Vorgeschichte. Eine Ausbildung als Familientherapeutin und die acht Jahre in dem Job wirken nach. "Ich fühle mich gut ausgestattet", sagt sie. Das Überraschende hat sie stets eingeplant, weil es einem nun mal begegnet, ob man will oder nicht. "Ich habe sehr viel Übung darin, dass es anders kommt, als man denkt." Einmal sollte Rita Süssmuth in ihrer Annemie-Show auftreten, sah dann aber in ihrer Garderobe die vorher laufende Aufzeichnung und wollte empört abreisen, weil sie fürchtete, vorgeführt zu werden. Da hat sich die Stratmann flugs das Annemie-Kostüm abgestreift und auf Krisenintervention geschaltet. "Ich bin unerschrocken, wenn es schwierig wird", sagt sie. Das muss überzeugend gewesen sein, denn hinterher machte Süssmuth mit und zeigte sich regelrecht begeistert.

Der andere Grund für Stratmanns Ausgeglichenheit könnte die größtmögliche Distanz sein, die sie zu jenem Zirkus hält, in dem sie nun ab und an wieder als Paradepferd durch die Manege stolziert. Sie leistet sich den Luxus, so etwas wie Quoten nicht wahrzunehmen. "Ich denke nicht in Reichweiten", sagt sie. Sie macht nur das, was sie kann und mag, weil sie nur dann richtig gut sein kann. Wenn sie sich nicht mehr wohlfühlt, verabschiedet sie sich beizeiten. Damit muss jeder rechnen, der mit ihr zu tun hat. "Ich gehe auch weg, wenn ich gar nichts Neues habe", sagt sie.

Ihre Erfolgsfigur Annemie Hülchrath hat sie 2008 zum letzten Mal auftreten lassen. "Ich wollte die Figur nicht mit in mein Alter schleppen", sagt sie heute, und es klang lange so, als sei endgültig Schluss. Dann aber kamen immer wieder Menschen zu ihr und erkundigten sich nach dem Schicksal von Annemie. "Die muss ja einen starken Fußabdruck hinterlassen haben", wundert sich Stratmann heute. Natürlich folgt die Frage, ob eine Chance besteht, dass Annemie noch mal zurückkommt? Die Antwort ist ein lang gezogenes "Hhhmmm", dem eine Möglichkeitsansage folgt. "Ich bin erreichbar für Anfragen."

"Ich spiele nie extra komisch": Sie weiß aber, dass Komödie viel mit dem Leben zu tun hat

Cordula Stratmann macht keine Pläne. Sie leistet es sich, im Moment zu entscheiden. Jetzt sind erst einmal die beiden Serien wichtig, und dann? Schaun mer mal. Sicher ist nur, dass sie bei den großartigen Werken von Olli Dittrich, dem sie bei den gelungenen TV-Parodien Frühstücksfernsehen und Das Talkgespräch formidabel assistierte, weiter mitmischen wird. "Olli hat mich gebeten, auf seinen Anruf zu warten."

Am Ende stehen sechs Rheinüberquerungen auf der Seilbahn-Rechnung. Dreimal hin, dreimal her. Irgendwann ist das Panorama unwichtig geworden, weil das Gespräch so ernst wurde, weil es ums Ernsthafte ging und darum, wie man da mit ihnen als Komiker umgeht. "Ich spiele nie extra komisch", sagt Cordula Stratmann und macht damit klar, dass die Komödie viel mit dem Leben gemein hat. Beide beinhalten immer auch das Drama. Ob man das nun will oder nicht.

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