Der nächste Durchmarsch:Deutsche Sofa-Meisterschaft

Den 25. Titelgewinn seiner Klubgeschichte holt der FC Bayern vor dem Fernseher. Es ist ein Erfolg, den Trainer Pep Guardiola schnell zu den Akten legt: Der Fokus liegt erneut auf anderen Wettbewerben.

Von Claudio Catuogno

Am späten Sonntagnachmittag sitzt Pep Guardiola also vor dem Fernseher. Es läuft Fußball, was sonst? Und Guardiola sieht diesmal besonders genau hin. Es geht ja um viel. Es geht um den Titel!

So in etwa hat der Bayern-Trainer das angekündigt am Samstagabend, nach dem 1:0 (0:0) seiner Elf gegen Hertha BSC, das Fragen nach der weiteren Wochenendplanung zwangsläufig nach sich gezogen hatte: Was tun Sie am Sonntagnachmittag? Guardiola hat allerdings nicht den Eindruck erweckt, als halte er sein Vorhaben für etwas Besonderes. Er guckt sonntags ja meistens Fußball - von der Festplatte. "Ich muss den BVB analysieren", sagte er. Das nächste Spiel ist immer das wichtigste.

Am Dienstag geht es für die Bayern und ihren spanischen Coach um den DFB- Pokal, im Halbfinale gegen Borussia Dortmund. Ehe es dann in zwei Partien gegen den FC Barcelona, die "derzeit beste Mannschaft der Welt" (Guardiola), um den Einzug ins Champions-League-Finale geht. "Wir sind in der wichtigsten Phase der Saison", sagte Guardiola am Samstag, "aber wir haben große Probleme." Ribéry, Robben, Alaba, Martínez, Benatia, sie alle haben seit Wochen oder Monaten kein Spiel bestreiten können, und nun ist auch noch Holger Badstuber zur Muskel-OP in die USA aufgebrochen - in der Arena war der Verteidiger nur noch als Hashtag präsent (#GetwellsoonHolger). Also hängt jetzt erst recht alles an ihm, dem Trainer. Pep Guardiola muss die Gegner jetzt noch akribischer analysieren, er braucht jetzt, da "unsere Möglichkeiten limitiert" und "die Spieler müde" sind, immer eine noch passgenauere Taktik. Guardiola, der Grübler, grübelt derzeit quasi rund um die Uhr.

Und die Meisterschaft?

Ah, ja, richtig: die Meisterschaft!

Dass Guardiola am Sonntag mal kurz rübergeschaltet hat zum Live-Spiel zwischen Gladbach und Wolfsburg, so gegen 19.15 Uhr, kurz vor dem Abpfiff, darf man annehmen. Er sah: das Gladbacher 1:0. Damit war der Meistertitel der Bayern, der zweite unter Guardiolas Anleitung, auch formal vollzogen. Aber die Rechenspielchen, wonach ein Wolfsburger Sieg alles aufgeschoben hätte, die hatte der Trainer ja schon am Samstag für irrelevant erklärt. "Wir sind zwar nicht mathematisch, aber wir sind praktisch Meister", hatte er da festgehalten, und: "Gratulation an meine Mannschaft zu diesem Titel."

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An acht der 25. Meistertitel beteiligt: Bastian Schweinsteiger, bejubelt von Dante (l.) und Mitchell Weiser.

(Foto: Jan Huebner/imago)

Das Thema war für ihn durch - noch ehe es formal vollzogen war. Auch eine Meisterbilanz hatte Guardiola sogleich gezogen: Er erinnerte daran, wie schwer es ist, nach einer WM wieder in den Ligaalltag hinabzusteigen und "immer die Konzentration hoch zu halten". 21 Mal haben die Bayern bisher zu Null gespielt, womit sie schon vier Spieltage vor Schluss ihren Rekord aus der Saison 2012/2013 eingestellt haben. Dann noch die Verletztenmisere: "Meister werden in dieser Situation", bilanzierte Guardiola, "ist nicht normal." Dass er mit seinem Fazit nicht warten wollte, bis sich selbst rechnerische Unsicherheiten erledigt hatten, hat nichts mit Hybris zu tun. Es soll nur den eigenen Fokus schärfen: Ab sofort, fordert der Coach, "müssen wir uns auf die anderen Titel konzentrieren".

Für den FC Bayern ist es der 25. Meistertitel der Klubgeschichte, und es gefällt nicht allen, dass man ihn in diesem Schwebezustand entgegennehmen muss, auf dem Sofa gewissermaßen. Thomas Müller findet es zum Beispiel "schade, dass die Meisterschaft so in den Hintergrund gerät". Er hätte schon gerne jemandem ein Weißbier in den Nacken geleert. Aber es hilft nichts: Ausgerechnet seinen Jubiläums-Titel legt der FC Bayern zu den Akten, als handele es sich um eine Nebensache.

Drei Spielern ist es zu verdanken, dass sich die Münchner nach einem ereignisarmen Spiel gegen defensive Berliner vorzeitig zum Meister ausrufen konnten: dem Vorbereiter Mitchell Weiser, dem Vollstrecker Bastian Schweinsteiger und dem Torwart Manuel Neuer. Weiser, der mit einem beachtlichen Dribbling gegen vier Berliner Schweinsteigers 1:0 vorbereitete, war danach ein großes Thema, weil sein Vertrag im Sommer wohl nicht verlängert wird. Er war 2012 aus der Jugend des 1. FC Köln gekommen, hatte es dann an der erhofften Reife vermissen lassen und muss im Sommer wohl gehen - selbst wenn Sportchef Matthias Sammer nun sagte, die "Tür" stehe weiter "offen". Guardiola klang über Weisers nahenden Abschied nicht glücklich: "Wir brauchen Mitch!", sagte er.

Hertha Berlin's Nico Schulz fails to score past Bayern Munich's Neuer during Bundesliga first division soccer match in Munich

Welttorhüterhaft: Manuel Neuer hat, anders als es diese Perspektive nahelegt, gerade mit dem rechten Arm einen Schuss von Ingo Schulz pariert.

(Foto: Michael Dalder/Reuters)

Wen er braucht und wen nicht, kann sich allerdings schnell ändern, das kann man wiederum an Schweinsteiger sehen, der Weisers Hereingabe mit rechts in den Winkel gesetzt hatte (80.). Er hatte zuvor drei Wochen nicht gespielt. Am Wochenende ging das Gerücht, anstatt einer Verlängerung seines bis 2016 laufenden Vertrages strebe der Nationalelf-Kapitän einen Wechsel in die USA an. Das blieb allerdings vorerst ein Gerücht - erst mal ist Schweinsteiger, neben Oliver Kahn und Mehmet Scholl, der dritte Spieler der Liga mit acht Meistertiteln. Ergo: Rekordmeister!

Und das wiederum hat er auch Neuer zu verdanken, der die Bayern - allein gegen Herthas Nico Schulz - mit einem Weltklassereflex im Spiel gehalten hatte (54.). Es war die Parade zur Meisterschaft, aber auch Neuer hat sich damit abgefunden, dass vorerst nicht gefeiert wird. Seine Meister-Bilanz: "Jetzt geht es gegen Dortmund, da brauchen wir alle Kräfte."

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