Kooperation mit Verlagen:Google sucht neue Freunde

A woman hovers a mouse over the Google and European Union logos in Sarajevo

Wer Nachrichten sucht, macht das oft über die Suchmaschine Google. Jetzt will der Internetkonzern mit den Produzenten der Nachrichten zusammenarbeiten.

(Foto: Dado Ruvic/Reuters)
  • In einer digitalen Allianz mit europäischen Verlagen will Google Schulungen, Forschung und technische Lösungen für den digitalen Journalismus vorantreiben.
  • Der Konzern gibt für das künftige "News-Ökosystem" 150 Millionen Euro ein.
  • Mit der Offensive will Google aber auch die europäischen Institutionen beschwichtigen, die seine Marktmacht regulieren wollen.

Von Claudia Tieschky

Fast genau ein Jahr ist vergangen, seit der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner in einem offenen Brief an Google-Chef Eric Schmidt schrieb: "Wir haben Angst vor Google". Es war ein erstaunlich offenes Bekenntnis und zugleich eine Anklage gegen die Marktmacht des Suchmaschinenanbieters - vorgetragen im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen, das Frank Schirrmacher zum Ort einer leidenschaftlichen Debatte darüber gemacht hatte, welche digitale Welt Europa sich wählt, ob es überhaupt eine Wahl hat. Immer wieder ging es um die schnell wachsenden Konzerne aus Silicon Valley, ihre enorme Macht und die Werte, an denen sie sich orientieren - oder eben auch nicht.

An diesem Dienstag wurde in London eine Allianz zwischen Google und acht europäischen Zeitungsverlagen bekannt gegeben - unter ihnen ist die FAZ, aber auch die Zeit, Les Echos aus Frankreich, die Financial Times, The Guardian, die niederländische NRC Group, El Pais aus Spanien, die italienische Stampa. Auch die Journalistenorganisationen The European Journalism Centre, The Global Editors Network und The International News Media Association sind beteiligt. Die "Digital News Initiative" steht weiteren Verlagen offen, der Süddeutsche Verlag wird sich an dieser Initiative ebenfalls beteiligen.

Google-Chef Eric Schmidt fühlt eine "moralische Verpflichtung"

Google bringt dafür unter anderem 150 Millionen Euro in drei Jahren ein, um mit Schulungen, Forschung und neuen, gemeinsam entwickelten technischen Lösungen den Journalismus in der digitalen Welt zu fördern und das zu schaffen, was der Konzern ein globales "News-Ecosystem" nennt. Derzeit leitet Google nach eigenen Angaben mehr als 10 Milliarden Besuche monatlich auf Nachrichten-Webseiten weiter. Eine Milliarde Euro Gewinne habe der Konzern in den zurückliegenden drei Jahren an deutsche Verlage ausgezahlt, erklärt Google, vor allem vom Partnerwerbeprogramm AdSense. Dass Google selbst weit mehr daran verdient, ist eine andere Sache. Vor allem die Auffindbarkeit von journalistischen Angeboten - egal ob frei zugängliche oder kostenpflichtige - will der Konzern nun gemeinsam mit den Verlagen verbessern.

Dass es auch eine Charmeoffensive ist, machte in London Carlo D'Asaro Biondo klar, der bei Google Präsident für Europa und Strategische Partnerschaften ist. Jedem sei klar, sagt er, dass das Internet dem Journalismus zwar neue Möglichkeiten biete, die Erlösmodelle seien jedoch ungewiss. Er wisse von der tiefen Besorgnis unter den Herausgebern vor allem in Kontinentaleuropa, "ob eine Finanzierung von qualitativem Journalismus weiterhin möglich ist". Hier wolle Google helfen. Und Google-Chef Eric Schmidt, an den Mathias Döpfner damals seinen offenen Brief richtete, fühlt sogar eine "moralische Verantwortung, um Nachrichten beim Überleben zu helfen, ohne die die Demokratie leiden würde".

Auch D'Asaro Biondo erklärte am Dienstag: "Wir glauben fest daran, dass Google immer ein Freund und Partner der Presse sein wollte." Allerdings habe man "auf dem Weg dorthin einige Fehler gemacht", sagte er. "Schließlich sind wir als Technologieunternehmen noch lange nicht den Kinderschuhen entwachsen."

Streit ums Leistungsschutzrecht

Das ist eine nette Umschreibung für einen immer schärfer ausgetragenen Streit zwischen der Strategie der Internet-Konzerne und den europäischen Institutionen. Bei diesem Prozess treffen Monopolisten wie Google oder Facebook in letzter Zeit öfter auf Regulierungsbehörden, die der Marktmacht Grenzen setzen oder Regeln auferlegen. In diesem Monat wurde gegen Google ein Wettbewerbsverfahren eröffnet, das sich um die Frage dreht, ob Verbraucher beim Preisvergleichsportal des Konzerns wirklich die besten Angebote erhalten. Im ungünstigen Fall für Google droht eine Milliardenstrafe. Ein weiterer Streitpunkt ist, warum Google in Europa kaum Steuern zahlt. Der Konzern muss dringend Imagepflege betreiben.

Mit den Verlagen wiederum liegt Google in Spanien und in Deutschland im Konflikt - dort gibt es sogenannte Leistungsschutzrechte, die für kurze Anreißertexte von journalistischen Beiträgen im Netz eine Vergütung vorsehen. Als Folge hat der Konzern seinen Dienst Google News in Spanien eingestellt. Zugleich setzen Zeitungsverlage derzeit mit gewachsenem Selbstbewusstsein auf bezahlte Inhalte.

Nicht alle Verlage finden das Leistungsschutzrecht gut, viele sehen in der Zusammenarbeit mit Google vor allem Vorteile: Auf nationaler Ebene verhandelte man schon länger mit dem Suchmaschinenanbieter über bessere technische Partnerschaften. Man sei aber der Meinung, "dass wir noch mehr tun können, insbesondere in Europa", sagte D'Asaro Biondo - besonders um Umsätze, Traffic und Publikumsbindung zu steigern. Dazu sollen Arbeitsgruppen, in denen die Zeitungsverlage dabei sind, an Produktentwicklungen mitarbeiten. auch Start-Ups und reine Online-Publikationen wolle man unterstützen.

Vergeben wird das Geld von einem Beirat, in dem Google, die Verlage und Journalisten sitzen

Kern der Allianz aber ist der Fonds von 50 Millionen Euro pro Jahr, der digitalen Journalismus fördern soll. Vergeben wird das Geld von einem Beirat, in dem Google, die Verlage und Journalismus-Organisationen vertreten sind, und der sich noch konstituieren soll. Er wird über die Projektanträge entscheiden. Auf ähnliche Art entstand vor zwei Jahren in Frankreich auf Druck der Regierung ein Fonds, mit dem Google digitale Projekte förderte - und sich damit von einem drohenden Leistungsschutzrecht gewissermaßen freikaufte. Ob die Initiative dem Journalismus wirklich hilft, ob der Konzern im Valley bessere technische Lösungen für Europas Journalismus im Netz entwickelt und wem das alles hilft, das kann im Moment niemand sagen.

Der Springer-Verlag, dessen Vorstandsvorsitzender vor einem Jahr in der FAZ über seine Angst vor Google schrieb und der immer noch entschlossen ist, das Leistungsschutzrecht in Deutschland durchzufechten, erklärte am Dienstag auf Anfrage: "Wir finden Initiativen, die digitale Innovationen in der internationalen Medienwelt fördern, grundsätzlich begrüßenswert." Man habe aber noch keine "abgeschlossene Bewertung der angekündigten Digital News Initiative von Google vornehmen können".

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