Einzelkritik:Zu früh aufs Sofa

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Manuel Neuer hält einen Sekundenschlaf, Xabi Alonso gewinn gegen Bastian Schweinsteiger das Duell um den Ältestenrat, Arjen Robben verlässt fassungslos den Platz - die Spieler des FC Bayern gegen Borussia Dortmund in der Einzelkritik.

Von Thomas Hummel

Manuel Neuer: Auf niemanden passt der Titel "Sofa-Meisterschaft" so wie auf den Torwart. Hätte auch diesmal lange die Füße hochlegen können, so fern war der BVB. Einmal weckte ihn Trainer Pep Guardiola aus dem Sekundenschlaf, beorderte ihn bei einer Ecke nach vorne. Musste nach 72 Minuten erstmals einen Ball fangen. Stand nicht schnell genug auf, um Aubameyangs 1:1 rechtzeitig abzuwehren. Hätte dann fast das 1:2 verursacht nach Mkhitaryans Versuch. Reagierte beim Flachschuss von Reus wieder Weltklasse. Avancierte im Elfmeterschießen binnen Minuten vom Hoffnungsspender zum Pechvogel.

Medhi Benatia: Zeigte die einzige herausragende Aktion aller 22 Spieler in den ersten 45 Minuten. Fing den Querpass von Kagawa ab, schlug sofort einen langen Pass auf Lewandowski, der auf und davon Richtung 1:0 lief. Benatia war ja seit dem Viertelfinale in Leverkusen verletzt gewesen, spielte dennoch von Beginn an, was zeigte: Ein gerade genesener Benatia ist wertvoller als ein nie verletzter Dante. Marco Reus dürfte nach einigen schmerzvollen Zweikämpfen kaum Widerspruch einlegen.

Jérôme Boateng: Diesmal die personifizierte Wand in der letzten Abwehrreihe. Als Dortmund die erste Ecke schlug, drückte Boateng den Ball binnen einer Minute dreimal per Kopf aus dem Strafraum. War schneller als Reus, schneller als Aubameyang. Löste lange Zeit alle Probleme.

Rafinha: Rafinha spielt immer. Sogar dann, wenn Guardiola seine Position abschafft. Weil der Rechtsverteidiger diesmal auf dem Platz fehlte, rückte der Brasilianer auf links in der Dreierkette. An ihm konnten sich die Dortmunder lange ein Beispiel nehmen, wie jemand auftritt, der auf Krawall gebürstet ist. Zunächst. War am Ende Mitglied einer Münchner Abwehr, die zeitweise den Überblick verlor.

Lange unterbeschäftigt, dann mit dem Versuch, den Ball unauffällig hinter der Linie zu klären: Manuel Neuer (rechts) kassiert das 1:1. (Foto: Peter Schatz)

Xabi Alonso: Es ist nicht schwer, sich den bärtigen Basken auf einem Sofa vorzustellen. Ein bisschen Tapas auf dem Tischchen, ein bisschen Wein dazu. Spielte so, als hätte er sein Weinglas mitgebracht auf den Platz: fast körperlos und dennoch immer präsent, wo der Ball gerade hinfiel. Herr der zweiten Bälle. Hat durch seine Aufstellung das Duell mit Bastian Schweinsteiger um den Chefposten im Mannschafts-Ältestenrat vorerst gewonnen. Sah dann, nun ja, ziemlich alt aus, als die Dortmunder das Tempo anzogen. Und noch älter, als er beim Elfmeter ausrutschte.

Philipp Lahm: Kennt nach seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft sein Sofa schon länger ganz gut. Musste zunächst angenehm wenig Gegenwehr von der Borussia ertragen. Spielte wie immer effektiv und fehlerfrei. Wirkte in der Verlängerung allerdings ungewohnt müde, rutschte beim Elfmeter aus, der Ball segelte Richtung Autobahn 9 . Hätte sich spätestens da auf dem heimischen Sofa wohler gefühlt.

Thiago Alcántara: Bevor sich ein Thiago hinlegt, dribbelte er noch zweimal um die Couch, überlupft und tunnelt sie. Hatte wieder wunderbare Zirkusstückchen mitgebracht, die Zuschauer johlten, die Dortmunder wunderten sich. War allerdings diesmal kaum effektiv. Verlor gar einige Bälle, erhielt einen Tadel von Guardiola. Wurde nach 68 Minuten ausgewechselt.

Mitchell Weiser: Besitzt keinen Vertrag für die kommende Saison, war beim wichtigsten nationalen Spiel des Jahres in der Startelf vertreten. Was so ein Dribbling gegen Hertha BSC bewirken kann. Dribbelte auch drei, vier Dortmunder am Stück aus - fiel dabei aber hin (Sofasyndrom?). Bot in der zweiten Halbzeit die erste schöne Aktion mit einem Pass auf Müller. Dürfte kein Problem haben, demnächst irgendwo einen neuen Vertrag zu erhalten.

Da guckt auch Jürgen Klopp (mit Kappe) erstaunt: Schon nach sechzehn Minuten muss der eingwechselte Robben wieder ausgewechselt werden. (Foto: Revierfoto/imago)

Juan Bernat: Kann nie ruhig stehen, geschweige denn sitzen. Begann das Spiel wuselig und aggressiv immer, hatte aber Probleme mit dem ebenfalls wuseligen Durm. Hatte auch sonst einige Durchhänger.

Thomas Müller: Musste zusehen, wie der Kollege Lewandowski ein mülleresques Tor schoss. Wollte beweisen, dass er noch das Original ist und schlenzte den Ball dem Dortmunder Schmelzer kunstvoll an den Arm. Beschwerte sich mülleresque, dass der Schiedsrichter keinen Elfmeter pfiff, mit Händen, Füßen, weit aufgerissenem Mund. Fand ansonsten kaum Räume in der Dortmunder Deckung.

Robert Lewandowski: Hatte zuletzt in der Bundesliga das einzige Tor im Duell gegen den BVB geschossen und danach nicht gejubelt - aus Respekt. Tat sich auch diesmal schwer mit der Ausgelassenheit nach seinem Treffer. Dabei war der doch mülleresque, im Nachschuss aus sehr spitzem Winkel, nachdem die Chance schon vertan war. Ansonsten so präsent, als würde er unter dem Sofa sitzen und hoffen, dass ihn keiner sieht (ob er da den Kollegen Götze traf?). Vermutlich der beste Unter-dem-Sofa-Spieler der Welt. Tauchte plötzlich wieder auf und traf die Latte. Erhielt vor der Verlängerung von Guardiola die Aufforderung, endlich ganz hervorzukommen. Rasselte dann mit Dortmund Torwart zusammen, wurde mit Gehirnerschütterung im Krankenhaus vorstellig.

Arjen Robben: Wurde als einziger beim Aufwärmen vom Stadionsprecher begrüßt, was einen Jubelsturm zur Folge hatte. Als er nach 68 Minuten eingewechselt wurde, erhob sich das ganze Münchner Sofa-Publikum. Nach 16 Minuten war sein Auftritt schon wieder beendet. Verließ verletzt und fassungslos den Platz, humpelte später auf Krücken aus dem Stadion. Hinterließ ein fassungsloses Publikum.

Bastian Schweinsteiger: Kam für Müller und bildete mit Alonso und Lahm das Ältesten-Mittelfeld des FC Bayern. Zeigte dennoch jugendhafte Antritte. Zielte freistehend per Kopf über das Tor.

Mario Götze: Zeigte ein paar Lupfer und ein paar Bruststopper. Drückte seinen Elfmeter zu schwach aufs Dortmunder Tor, Langerak parierte.

© SZ vom 29.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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