Strafprozess in München:Wo sich das Schicksal der Deutschen Bank entscheidet

Strafprozess gegen Top-Manager der Deutschen Bank

Jürgen Fitschen ist Co-Chef der Deutschen Bank und muss als Angeklagter wöchentlich im Strafprozess in München erscheinen.

(Foto: dpa)

Muss Deutsche-Bank-Chef Fitschen zurücktreten? Seine Geschäfte kann er auch als Angeklagter im Münchner Prozess weiterführen, das ist nur eine Frage der Organisation. Komplexer ist die moralische Frage.

Kommentar von Marc Beise

Drei Führungsgenerationen der Deutschen Bank vor Gericht - an dieses Bild aus München kann man sich in den kommenden Wochen und Monaten gewöhnen. Viele Beobachter fragen sich, ob das nicht Konsequenzen haben muss. Der Blick richtet sich auf den amtierenden Bankchef Jürgen Fitschen: Muss er nicht zurücktreten? Wird er angesichts der auf Monate terminierten Beanspruchung im Gerichtssaal zwangsläufig die Amtsgeschäfte vernachlässigen, schadet er dem Ansehen des Unternehmens?

Die Antwort lautet: Nein. Ein solcher Prozess ist für einen Spitzenmann, der jede logistische Unterstützung der Firma beanspruchen kann, zu bewerkstelligen. Das ist alles nur eine Frage der Organisation. Fitschens Vorgänger Josef Ackermann, der in München auch auf der Anklagebank sitzt, hat das selbst bereits einmal vorgemacht. Während des Mannesmann-Prozesses hatte er ein Büro in Düsseldorf und führte die Geschäfte der Bank teilweise von dort.

Die moralische Dimension ist komplexer. Natürlich leidet das Image des Unternehmens. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, Paul Achleitner, hat die Führungsfrage maßgeblich zu entscheiden, er muss abwägen: Wie groß ist der Schaden für seine Bank? Wie groß ist aber auch die Gefahr, dass ein eingearbeitetes Management aus dem Verkehr gezogen wird, und zwar wegen Vorwürfen, die sich am Ende womöglich nicht bewahrheiten?

Früher waren die Prozesse eindeutig, heute sind sie komplizierter

Zu den Umständen dieses spektakulären Prozesses gehört eben auch, dass er in einem veränderten Umfeld stattfindet. Im Bereich der Wirtschaftskriminalität hat sich, grundsätzlich gesprochen, erkennbar die Prozessarithmetik verschoben. Waren solche Prozesse früher selten und die Sachverhalte ziemlich eindeutig, so sind sie heute häufig und im Ausgang ungewisser.

Staatsanwälte schießen schon mal aus der Hüfte, manche sind auch von einem missionarischen Jagdeifer gepackt. Zugleich haben die Unternehmen juristisch aufgerüstet und kämpfen mit allen Mitteln. Deshalb und wegen der immer komplizierteren wirtschaftlichen Zusammenhänge sind die angeklagten Fälle häufig in der juristischen Bewertung äußerst diffizil. So auch in München. Im aktuellen Fall geht es um die sehr unübersichtliche Frage, ob die Banker in einem früheren Verfahren bewusst gelogen haben. Die übliche Warnung vor Vorverurteilung ist hier besonders wichtig.

Dies erklärt auch, warum der Verteidiger des Angeklagten Jürgen Fitschen sich am ersten Prozesstag die Staatsanwaltschaft ungewöhnlich hart vorknöpfte und erkennbar, um mit dem Dortmund-Trainer Jürgen Klopp zu sprechen, "auf Krawall gebürstet" ist. Der weitere Prozessverlauf verspricht spannend zu werden.

Was das Schicksal des Deutsche-Bank-Chefs angeht: Das entscheidet sich wahrscheinlich ohnehin anderswo. Nämlich an der Frage, ob Fitschen mit seinem Kollegen Anshu Jain die dramatischen geschäftlichen Probleme der Bank in den Griff bekommt - was ausgesprochen ungewiss ist.

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