Bluthochdruck:Woran der Katheter scheitert

Doctors Seek Higher Fees From Health Insurers

Bluthochdruck ist ein Massenphänomen, das 20 Millionen Bundesbürger betrifft.

(Foto: Adam Berry/Getty Images)

Erst galt er als Wundermittel, dann erwies er sich als wirkungslos: Bekommt der Katheter gegen Bluthochdruck doch noch eine Chance? Eine neue Studie zeigt zumindest, warum das Verfahren nicht funktionierte.

Von Kathrin Zinkant

Seriöse Mediziner versprechen nicht gern zu viel, aber für einige Dauerpatienten mit Bluthochdruck rückte der heikle Begriff der Heilung vor drei Jahren doch ziemlich nahe: Eine neue, minimalinvasive Therapie versprach, die Werte dauerhaft zu senken. Erste klinische Studien an etwa 200 Patienten kamen zu beeindruckenden Resultaten. Die Krankenkassen zogen eilig mit, das Verfahren wurde bundesweit etabliert. Immerhin ist Bluthochdruck ein Massenphänomen, das 20 Millionen Bundesbürger betrifft und sich mit Medikamenten nicht immer gut behandeln lässt. Dann platzte 2014 die Blase. Die erste kontrollierte Studie an Patienten zeigte keinen Effekt mehr - und musste abgebrochen werden. Die Enttäuschung war gewaltig.

Warum aber wirkte die Methode namens Simplicity plötzlich nicht mehr? In der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Science Translational Medicine (Bd. 7, S. 1, 2015) stellt ein Team um den amerikanischen Forscher Abraham Tzafriri von der Forschungsorganisation CBSET in Lexington, Massachusetts, nun eine mögliche Lösung des Rätsels vor. Die Wissenschaftler haben an Schweinen die Mikroanatomie jener Nerven untersucht, die mit dem Verfahren verödet werden. Ihre Enden verteilen sich rund um die letzten Zentimeter der Nierenarterien vor dem Organ.

In der klinischen Anwendung von Simplicity wurde der Katheter wie bei einer Angiografie durch das Gefäßsystem bis an diese Stelle geschoben. Ein Frequenzgenerator an der Katheterspitze erhitzte das Gewebe dann mit Radiowellen sanft auf 60 Grad Celsius, um die benachbarten Nervenenden gezielt zu schädigen, ohne dabei allerdings das restliche Gewebe anzugreifen. Das Verfahren greift auf Erkenntnisse aus Zeiten um 1900 zurück, als rabiatere experimentelle Prozeduren an den betreffenden Nerven unerwarteterweise dazu führten, dass der Blutdruck der Patienten fiel.

Die neue Studie an den Schweinen zeigt nach Aussage der Forscher nun, dass der große Pluspunkt des Simplicity-Katheters, seine Sicherheit, wohl auch sein Verhängnis war: Viele der Nervenenden werden durch die sanften Radiofrequenzwellen nicht erreicht und deshalb gar nicht verödet. Die Behandlung bleibt unvollständig. Was also, wenn sie denn vollständig gelänge?

Noch immer glauben viele Nephrologen, dass eine Manipulation der Nierennerven den Blutdruck therapeutisch senken kann. Hersteller Medtronic hat inzwischen eine zweite Generation seines Katheters in Arbeit. Offen bleibt, ob ein übereilt eingeführtes Verfahren, das genauso eilig wieder aus den Kliniken verschwand, ein zweites Mal die Bluthochdruckmedizin erobert.

Ulrich Wenzel vom Universitätsklinikum in Hamburg-Eppendorf war mit drei Patienten an den vielversprechenden Katheter-Studien beteiligt, doch heute bietet der Nephrologe die Behandlung nicht mehr an. "Verfechter der Methode mögen sagen, die schlechten Studienresultate im vergangenen Jahr seien auf mangelnde Erfahrung und einen unzulänglichen Katheter zurückzuführen gewesen", sagt Wenzel. Doch er zweifelt daran, dass ein verbesserter Katheter die Probleme lösen kann. Zumindest so lange, bis placebokontrollierte Studien es beweisen. Die aktuelle Untersuchung allein reicht ihm noch nicht. Zumal einer der Autoren zu den Entwicklern von Simplicity gehört.

Mittlerweile haben aber auch zahlreiche andere Unternehmen das Prinzip übernommen, und neue Methoden zur Nervenverödung an den Nieren entwickelt. Ulrich Wenzel ist ebenfalls beteiligt. Er weiß aber auch: "Letztlich ist Bluthochdruck wie alle Volkskrankheiten multifaktoriell bedingt. Da ist nicht nur ein Nerv entscheidend."

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