Konzertsaal-Debatte:"Erheblicher Schaden" für das Musikleben

Gasteig in München

Eine Expertenkommission von Stadt und Staat rät von einer Zwillingslösung im Gasteig ab.

(Foto: dpa)
  • Eine Arbeitsgruppe von Experten verwirft mit erstaunlich klaren Worten den Seehofer-Plan für den Gasteig. In einem gemeinsamen Abschlusspapier raten sie davon ab, an diesem Plan festzuhalten.
  • Dieter Reiter will sich trotzdem in der Konzertsaal-Debatte noch nicht festlegen.
  • Bürgermeister Josef Schmid (CSU) schloss sich dagegen dem Votum der Experten im Stadtrat demonstrativ an.

Von Christian Krügel

Eindeutiger hätte das Urteil der Experten von Stadt, Staat, Bayerischem Rundfunk und Orchestern nicht ausfallen können: Einstimmig raten sie Ministerpräsident Horst Seehofer(CSU) und OB Dieter Reiter (SPD) dringend davon ab, an ihrem Gasteig-Plan festzuhalten. "Es stünde zu befürchten, dass das Münchner Musikleben künstlerisch und ökonomisch erheblichen Schaden erleiden würde", heißt es in dem gemeinsamen Abschlusspapier. Weiter heißt es dort: "Für die Musikstadt München böte die Zwillingsnutzung keinen adäquaten Weg in die Zukunft."

Diese "Zwillingsnutzung" hätte vorgesehen, dass Münchner Philharmoniker und BR-Symphonieorchester sich eine runderneuerte Philharmonie und den Herkulessaal als Spielstätten teilen und sich so der Freistaat den Bau eines weiteren Konzertsaals spart. Diese Idee Seehofers hatte in den vergangenen Monaten einen Proteststurm von Musikfreunden ausgelöst. Unerwartet deutlich formulieren nun auch die Mitglieder der Arbeitsgruppe, die von Seehofer und Reiter selbst eingesetzt worden war.

"Die Zwillingsnutzung ist aus Sicht der betroffenen Akteure nicht tragfähig und wird nicht zur Umsetzung empfohlen", heißt es in dem Papier. Denn die Arbeitsgruppe sieht das wie die Unternehmensberatung Actori. Die hatte in einer Studie erarbeitet, dass nicht nur künstlerische, sondern auch dramatische wirtschaftliche Nachteile drohen: bis zu 700 000 Euro für die Philharmoniker. Nur nach "rein quantitativen Kriterien" könnte der Seehofer-Plan funktionieren.

Wie OB Reiter auf das Gutachten reagierte

OB Dieter Reiter präsentierte dieses Ergebnis am Mittwoch im Stadtrat - und ließ dabei völlig offen, ob er dem einstimmigen Votum folgen wird. Im Gegenteil: Ähnlich wie die Staatsregierung am Tag zuvor ging er auf Distanz dazu. Er wolle schon erst selbst das Actori-Gutachten lesen, dann erst in ein bis zwei Wochen mit Seehofer darüber reden. Das habe er auch mit Seehofer so abgestimmt. Vor diesem Gespräch und vor einer klaren Entscheidung des Freistaats für den Neubau eines Konzerthauses werde er sich "in gar keinem Fall an einer Standortdebatte beteiligen".

Damit wies er Bürgermeister Josef Schmid (CSU) in die Schranken. Der schloss sich dem Votum der Experten im Stadtrat demonstrativ an - und hatte ja bereits am Wochenende einen Konzertbau im Olympiapark ins Gespräch gebracht. Ein Vorschlag, der vom Stadtrat heftig diskutiert wurde. Richard Quaas (CSU) und Ursula Sabathil (Bürgerliche Mitte) nannten diesen Standort "eine gute Option" und "eine Super-Location".

Grüne fordern einen Kriterienkatalog

Auch die Grünen sind offenbar nicht abgeneigt. Sie fordern aber zunächst ein systematisches und vor allem gemeinsames Vorgehen von Stadt und Staat. Es solle erst ein Kriterienkatalog festgelegt und auch der Bedarf der freien Veranstalter für Klassik, Pop und Rock geklärt werden. Zudem sollten Standorte in Vierteln außerhalb der Innenstadt bevorzugt werden, etwa in Riem oder Freiham. Grünen-Fraktionschef Florian Roth, Ursula Sabathil und Wolfgang Heubisch (FDP) warfen OB Reiter und der SPD vor, sich die Sache zu leicht zu machen, indem sie nur auf die Zuständigkeit des Staats verweisen.

"Wir haben eine Verantwortung für die Musikstadt München insgesamt", sagte Roth. Dritte Bürgermeisterin Christine Strobl und SPD-Fraktionschef Alexander Reissl verteidigten die Haltung: Zunächst müsse die Stadt auf die Sanierung des Gasteigs achten, endlose Debatten um Standorte seien Zeitverschwendung. Richard Quaas (CSU) sieht es anders: Erstmals gebe es immerhin im Stadtrat einen Konsens, dass ein neuer Konzertsaal sinnvoll wäre.

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