Querelen bei "Newtopia":Anarchie in der TV-Scheune

TV-Projekt "Newtopia"

Sieben Frauen und acht Männer zogen im Februar in eine unbeheizte Scheune südöstlich von Berlin. Vier sind schon wieder weg.

(Foto: dpa)

Absprachen, miese Quoten und eine Sendepause: Der abgeschaltete Livestream bei "Newtopia" hat gezeigt, dass das Reality-Projekt im Kern gescheitert ist.

Von Hans Hoff

Die Sendepause im Livestream von Newtopia ist beendet. Seit dem frühen Donnerstagmorgen ist wieder zu sehen, was sich in und rund um die Fernsehscheune in Königs Wusterhausen abspielt.

Sat.1 hatte die Online-Übertragung vom Gelände des Projekts am Dienstagabend abgeschaltet, nachdem es in der Scheune zu "Unstimmigkeiten" unter den Kandidaten gekommen war. Etliche der sogenannten Pioniere wollten sich nicht gegenseitig für einen Rausschmiss nominieren, wie es das Sendungskonzept vorsieht, das andere Pioniere wiederum mittrugen.

Jene Pioniere, die die gegenseitigen Nominierungen verweigerten, verwiesen auf ihr Selbstbestimmungsrecht, das die von Sat.1 beauftragte Produktionsfirma Talpa Germany immer wieder als Kern des TV-Versuchs bezeichnet hatte.

Als der Widerstand gegen die Regeln zu groß wurde, sah sich Talpa offenbar gezwungen, den Livestream im Internet abzuschalten, der für 3,99 Euro pro Monat abonniert werden kann und der es den Abonnenten ermöglicht, rund um die Uhr zugeschaltet zu sein. Sat.1 sendet nur einmal am Tag für eine einstündige Zusammenfassung vom Newtopia-Gelände.

Die Quotenhoffnung erwies sich als trügerisch

Es werde mit den Pionieren ein Weg beraten, wie Newtopia in Zukunft weitergeführt werden soll, hieß es. In der offiziellen Sendung am Mittwoch gab es zwar jede Menge heftige Auseinandersetzungen zwischen den Kandidaten zu sehen, einer forderte gar, jemand möge doch ein Waffenpaket über den Zaun werfen, die Abschaltung des Livestreams wurde indes nicht thematisiert.

Weil die Abschaltung der Livestreams am Mittwoch für viel Aufmerksamkeit gesorgt hatte, wurde auf eine hohe Quote der regulären Fernsehsendung gehofft. Die Hoffnung erwies sich indes als trügerisch. Gerade mal 1,33 Millionen Zuschauer wollten die offensichtlich geschönte Zusammenfassung sehen, was einem mageren Marktanteil von 6,2 Prozent entspricht.

Auch in der Zielgruppe der Unterfünfzigjährigen konnte Newtopia nicht punkten. Dort standen gerade mal 0,53 Millionen Zuschauer und acht Prozent Marktanteil in der Bilanz. Das sind Werte, die sich nur knapp über den bisher verzeichneten Tiefstwerten bewegen und meilenwert entfernt sind von jenen 2,8 Millionen Zuschauern, die beim Start im Februar dabei waren.

Im Kern ist das Projekt gescheitert

"Macht denn in Newtopia jeder nur noch, was er will", fragte eine Stimme aus dem Off während der Sendung sorgenvoll. Das sollte ein bisschen ironisch klingen, markierte aber sehr deutlich, dass das Projekt in seinem Kern gescheitert ist.

Schließlich hatte Newtopia-Erfinder John de Mol immer wieder betont, dass die Bewohner ganz auf sich gestellt seien und selbstbestimmt und ohne Einfluss von außen über ihr Dasein bestimmen könnten. Dass dem nicht so ist, hatte sich schon Mitte April herausgestellt, als mitten in der Nacht eine Producerin mit den Kandidaten im Haus besprach, wie man das gesendete Leben telegener aufbereiten könne. Das kam heraus, weil jemand vergessen hatte, eine der Livestream-Kameras abzuschalten.

Mittwochabend wurde schließlich mitgeteilt, dass am Tag 72 mindestens vier Pioniere das Projekt auf eigenen Wunsch verlassen haben. Wer für sie einziehen soll, werde in den nächsten Tagen bekannt gegeben. Der Rest der Bewohner habe sich darauf verständigt , "Newtopia neu aufzubauen." Den Livestream-Abonnenten wurde als Ausgleich für den Ausfall eine Gratiswoche in Aussicht gestellt.

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