Kampf Mayweather gegen Pacquiao:Vorhang auf für Bling Bling

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Es ist soweit: Floyd Mayweather (links) und Manny Pacquiao treten sich im Ring gegenüber (Foto: REUTERS)
  • Der Kampf des Jahrhunderts? In der Währung des Boxens ganz sicher: Es geht um 450 Millionen Dollar.
  • Doch sportlich kommt das Duell Floyd Mayweather gegen Manny Pacquiao fünf Jahre zu spät.

Von Jürgen Schmieder, Las Vegas

Floyd Mayweather junior offenbart sein Verständnis von der Welt. Und das geht so: Er führt Reporter durch seine Villa in Las Vegas, er präsentiert - wie so viele Promis vor ihm - seine Pfauenfedern. Doch Mayweather verweist nicht auf Einzelstücke, er nennt keine Designer, er philosophiert nicht über Feng-Shui und Farbenlehre. Er klappert die Räume ab, deutet auf Gegenstände und nennt deren Preis. 150 000 Dollar. 700 000 Dollar. 2,3 Millionen Dollar. Er will gar nicht als Ästhet oder Kunstexperte daherkommen, er sagt: "Ich bin ein verwöhnter Flegel."

Doch es wäre zu kurz gegriffen, diese Hausführung nur das Protzen eines Mannes abzutun, der sich selbst "Money" nennt. Durch konkrete Zahlen, durch das Anbringen von Preisschildern, wird die Welt für Mayweather objektivierbar und quantifizierbar. Was viel kostet, muss gut sein. Wer am meisten verdient, der ist der Beste. In der Nacht auf Sonntag (ab 3 Uhr MESZ/Sky) kämpft Mayweather in Las Vegas gegen Manny Pacquiao, es geht nicht nur um die Weltergewichts-Titel der Verbände WBA, WBC und WBO sowie den inoffiziellen Titel des über die Gewichtsklassen hinweg besten Boxers des Planeten. Das Gefecht dürfte mit Einnahmen von etwa 450 Millionen US-Dollar das lukrativste in der Geschichte dieses Sports werden. In Mayweathers Bling-Bling-Weltbild muss es demnach auch der beste, der tollste, der faszinierendste Boxkampf sein.

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Floyd Mayweather Jr. ist der reichste Sportler der Welt, im Jahrhundertkampf trifft er auf Manny Pacquiao. Dass er mit Vorliebe seine Freundinnen verprügelt, wird von der Öffentlichkeit und den Verbänden gerne ignoriert.

Von Saskia Aleythe

Ist das wirklich so? Kann das Duell zwischen dem 38 Jahren alten Amerikaner und dem zwei Jahre jüngeren Filipino heranreichen an die legendären, die unvergesslichen Kämpfe dieses Sports: Rocky Marciano gegen Jersey Joe Walcott. Sugar Ray Leonard gegen Tommy Hearns. Der erste Kampf zwischen Julio Cesar Chavez gegen Meldrick Taylor, der dritte zwischen Muhammad Ali und Joe Frazier. Kein Mensch weiß mehr, wie viel Geld bei diesen Duellen umgesetzt worden ist. Aber viele erinnern sich an Aussagen wie jene von Ali, dem Tod noch nie so nahe gewesen zu sein wie beim Kampf gegen Frazier.

Ein Kampf wird legendär, wenn schon der Verlierer so groß ist, dass der Sieger an ihm wächst

Ein Box-Duell wird nicht legendär aufgrund des Geldes. Es wird legendär, weil der schon Verlierer derart groß ist, dass der Sieger an ihm wachsen muss. Er muss größer werden als das Leben selbst, zumindest muss er so erscheinen. Der eine muss den anderen an eine Grenze treiben, die der noch nie zuvor erreicht hat. Und ja: Das tut beim Boxen dann auch sehr, sehr weh.

Vor fünf Jahren wäre der Kampf sicherlich ein legendärer nach diesen Maßstäben gewesen. Manny Pacquiao hatte Ricky Hatton umgehauen und zuvor die Laufbahn von Oscar de La Hoya beendet, Floyd Mayweather hatte nach einer Karrierepause Juan Manuel Marquez besiegt. Die beiden unbestritten besten Athleten wären auf dem jeweiligen Höhepunkt ihrer Karriere gegeneinander angetreten - das ist selten in einem Sport, in dem gerne Konjunktive verwendet und mögliche Duelle debattiert werden, dann aber doch meistens scheitern, unter anderem am Bling-Bling.

Dieser Kampf kam erst vor wenigen Monaten zustande, die bedeutsamste, die entlarvendste Aussage stammt dabei von Mayweather: "Es gibt diesen Kampf nur wegen mir! Wegen mir und wegen sonst niemandem!" Vor fünf Jahren wäre Pacquiao der Favorit gewesen. Vor vier und vor drei Jahren ebenfalls. Der Linkshänder fegte damals durch den Ring wie der tasmanische Teufel, er schlug Kombinationen von Kombination und attackierte seine Gegner aus Winkeln, die die noch nicht mal erahnten. "Ich wurde noch nie so überraschend getroffen und bin daraufhin umgefallen", sagt etwa Shane Mosley über seine Niederlage gegen Pacquiao: "Er hüpfte herum und schlug eine eigentlich harmlose Kombination - und ich dachte mir: Wow, warum bin ich jetzt zu Boden gegangen? Danach folgten noch zehn Runden mit diesen Aktionen." Pacquiao war eine Naturgewalt, ein Derwisch, ein spektakulärer Dauerprügler. Einer, der mit Essstäbchen eine Fliege fangen kann. Damals.

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Das Duell zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao galt als Jahrhundertkampf, dann wurde es doch nur ein Spektakel. Unvergessene Kämpfe hat es jedoch viele gegeben: der "Rumble in the Jungle", Max Schmelings Sieg gegen den Unbesiegbaren oder die Beißattacke von Mike Tyson. Ein Rückblick.

Dann allerdings verlor Pacquiao gegen Timothy Bradley und wurde von Juan Manuel Marquez umgehauen mit einem Schlag, der gewöhnlich die Laufbahn eines Boxers beendet. Pacquiao kam zurück, er gewann die nächsten drei Kämpfe - er schlägt jedoch nicht mehr schneller als sein Schatten, nicht mehr so unnachgiebig, er ist langsamer und verwundbarer geworden. Er sagt zwar: "Das Ziel beim Boxen ist es, zu schlagen und zu treffen." Zum Boxen gehört aber auch, nicht getroffen zu werden und mögliche Treffer wegzustecken. Das kann Pacquiao nicht mehr wie noch vor fünf Jahren, in seiner Bilanz als Preisboxer stehen nun neben 57 Siegen (38 Niederschläge) auch fünf Niederlagen und zwei Unentschieden.

"Natürlich bin ich der Favorit", kann Mayweather nun sagen - er verweist auf die Zahlen der Buchmacher in Las Vegas, die für ihn so verlässlich sind wie die auf einem Lamborghini-Preisschild. Er wettet selbst gerne sechsstellige Beträge auf Sportereignisse, nun sehen die Wettanbieter den in 47 Profikämpfen unbesiegten Mayweather im Vorteil. Man könnte die Entwicklung der Verhandlungen und das späte Zustandekommen deshalb auch so interpretieren: Mayweather hat diesem Duell erst zugestimmt, nachdem sich beide von ihrem Karriere-Höhepunkt entfernt haben, Mayweather aber etwas weniger weit als sein Gegner.

Auch er bewegt sich nicht mehr so geschmeidig wie einst, er schlägt noch immer schnell, aber nicht mehr so hart. Abgesehen vom umstrittenen Niederschlag gegen den wehrlosen Victor Ortiz hat Mayweather seit acht Jahren keinen Kampf mehr durch K.o. gewonnen. "Ich bin noch immer ein schlauer Boxer, das kann mir niemand nehmen", sagt er. Er schützt sein Kinn durch die vorgeschobene linke Schulter, weicht geschickt aus, vor allem aber besitzt er die kaum zu trainierende Fähigkeit, einen Gegner in den ersten Runden eines Duells zu lesen, sich auf Tempo und Rhythmus einzustellen und dann zu einer Fliege zu werden, die der Gegner mit Essstäbchen fangen muss.

"Von dem Geld kann sich meine Tochter was zu essen kaufen", sagt Mayweather über die Gage.

Pacquiao versicherte in dieser Woche, dass er dazu durchaus in der Lage sei, seinen Landsleuten in Las Vegas rief er zu: "Ich weiß, dass ich den Kampf gewinnen kann, also entspannt euch." Er ist vier Zentimeter kleiner, seine Reichweite ist 13 Zentimeter geringer, das Weltergewicht (bis 67 Kilogramm) liegt eher Mayweather. Pacquiao braucht mehrere Strategien für diesen einen Kampf, er muss Tempo und Rhythmus variieren, vor allem aber muss er geduldig bleiben, falls ihm in den ersten Runden kaum Treffer gelingen.

"Es kommt beim Boxen aufs Timing an", sagt Floyd Mayweather: "Und das Timing für diesen Kampf ist perfekt." Natürlich sagt er das. Manny Pacquiao ist noch immer so groß, dass sich dieses Duell als "Kampf des Jahrhunderts" vermarkten lässt. Es ist ja noch nicht so alt, dieses Jahrhundert - und womöglich treiben sich die beiden wirklich an eine zuvor noch nicht erreichte Grenze, womöglich wird dieses Duell tatsächlich einzuordnen sein in die legendären Gefechte dieses Sports.

Aber Pacquiao ist nach Ansicht von Mayweather mittlerweile nicht mehr groß genug, um für ihn eine unkalkulierbare Gefahr darzustellen. Das ist neben den Ziffern auf Preisschildern und Wettscheinen die wichtigste Zahl im Leben des Floyd Mayweather: Er will 50 Profikämpfe in Folge ohne Niederlage gewinnen, den Rekord von Rocky Marciano brechen und sich dann aufgrund dieser objektiven und nicht zu debattierenden Bilanz zum besten Boxer der Geschichte ausrufen. Unter der Woche trug er in Las Vegas bereits Shirts mit der Aufschrift The Best Ever. Der Beste aller Zeiten.

"Meine Tochter kann keine Null essen", sagt Floyd Mayweather über die fehlende Niederlage in seiner Laufbahn als Preisboxer: "Ich werde mit diesem Kampf 200 Millionen Dollar verdienen, von diesem Geld wird sie sich Essen kaufen können. Vor fünf Jahren war das ein 50-Millionen-Dollar-Kampf. Ich will, dass ihr anerkennt, dass Floyd hier der Schlaue ist."

So sieht er die Welt, dieser Floyd Mayweather, und in diesem Weltbild ist er tatsächlich der Schlaue.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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