Geheimdienst-Affäre:NSA-Ausschuss verlangt US-Spionagelisten

  • Der NSA-Ausschuss drängt die Bundesregierung, US-Spionagelisten offenzulegen.
  • Der Bundesnachrichtendienst soll die im Auftrag der NSA abgefangenen Daten nicht nur weitergeleitet, sondern für eigene Zwecke ausgewertet haben.
  • Linken-Fraktionschef Gregor Gysi bezeichnete die BND-Aktivitäten als "Landesverrat", auch aus Brüssel wird die Kritik lauter.

NSA-Ausschuss macht Druck

In der Affäre um den BND und den US-Geheimdienst NSA verstärken die Parlamentsaufklärer den Druck auf die Bundesregierung, die US-Spionagelisten vorzulegen. Die Regierung müsse diese bis zur nächsten Ausschusssitzung am Donnerstag liefern, verlangten mehrere Obleute. "Wir werden nicht zulassen, dass sich das weiter verzögert", sagte der SPD-Obmann Christian Flisek. Der Grünen-Obmann Konstantin von Notz mahnte: "Frau Merkel muss jetzt zeigen, ob sie aufklären oder vertuschen will." Der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) meinte, die Regierung müsse sich notfalls auch über ein Nein der Amerikaner hinwegsetzen.

Die NSA lieferte dem BND demnach für die Überwachung des Datenverkehrs in seiner Abhörstation in Bad Aibling viele Suchmerkmale (Selektoren) wie Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern, die gegen deutsche und europäische Interessen verstießen. 40 000 davon sortierte der BND nach eigenen Angaben über die Jahre vorab aus. Mehrere Tausend unzulässiger Selektoren fielen aber erst in der aktiven Suche auf. Das genaue Ausmaß der Affäre ist noch unklar. Der NSA-Ausschuss will nun die Listen mit den unzulässigen Suchmerkmalen einsehen.

"Das letzte Druckmittel wäre eine gerichtliche Klärung"

Die Bundesregierung hat aber zunächst die Amerikaner um Erlaubnis gefragt, ob sie die Informationen dazu offenlegen darf. Dies sogenannte Konsultationsverfahren läuft noch. Flisek mahnte, das Konsultationsverfahren mit den USA dürfe nicht dazu eingesetzt werden, um Zeit zu schinden. "Das Kanzleramt muss eine eigene souveräne Entscheidung treffen. Man kann nicht von Aufklärung reden und das Schlüsselelement dazu nicht vorlegen", rügte er. "Da ist mir herzlich egal, wie die Amerikaner das sehen." Das Parlament werde sich die Listen nicht vorenthalten lassen. "Das letzte Druckmittel wäre eine gerichtliche Klärung", drohte Flisek.

Der BND wertete die abgefangenen Daten selbst aus

Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll der NSA über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen - darunter die französische Regierung und die EU-Kommission. Dabei soll der Dienst die abgefangenen Daten auch für sich selbst ausgewertet haben. Die Bild-Zeitung berichtet unter Berufung auf Beteiligte des NSA-Untersuchungsausschusses, dass die Daten jahrelang von BND-Mitarbeitern begutachtet, ausgewertet, teilweise kopiert und in Berichten verwertet worden seien, nachdem man vorsorglich alle deutschen Staatsbürger herausgefiltert habe.

Vollständige Aufzeichnungen von Telefonaten und E-Mails, Ton- und Textdateien

Dabei handelte es sich angeblich nicht nur um Metadaten, also Informationen darüber, wer wann wo mit wem und womit kommunizierte. Es sollen auch die Inhalte der Kommunikation gespeichert worden seien: vollständige Aufzeichnungen von Telefonaten und E-Mails, Ton- und Textdateien. Dabei habe es sich um Telefonate in Krisengebieten, zum Beispiel zwischen Afghanistan und Pakistan, gehandelt - aber auch um Kommunikation europäischer Unternehmen und Behörden, die in Nahost tätig seien, heißt es.

Scharfe Kritik aus Berlin und Brüssel

Deutsche Politiker äußern dagegen heftige Kritik. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi warf dem Kanzleramt vor, in der Aufsicht über den BND "kläglich versagt" zu haben. Die aktuellen Vorwürfe "erschüttern das Vertrauen der Politik in die Arbeit unserer Geheimdienste", sagte Fahimi der Passauer Neuen Presse. "Es hat fast den Anschein, als sei der BND zu einem willfährigen Werkzeug der NSA geworden."

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi bezeichnete die BND-Aktivitäten als "Landesverrat". Es sei "ein Skandal, dass der BND für die USA bis in die höchsten Spitzen und in Unternehmen in ganz Europa spioniert hat", sagte er dem Mannheimer Morgen. "Das ist politische Spionage und Wirtschaftsspionage und als Landesverrat strafbar."

Auch die Europäische Kommission, die möglicherweise ebenfalls ausspioniert wurde, erhöhte den Druck und forderte rasche Aufklärung. "Das muss von den deutschen Behörden, einschließlich dem Parlament, gelöst werden", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel.

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