Hannover 96:Unterwegs mit Fallrückzieher

Salif Sane Fallrückzieher Torschuß zum 2 2 Ausgleich Luiz Gustavo Aktion Spielszene Zweikampf

Soeben noch als regulär gewertet: Sanés Fallrückzieher-Tor.

(Foto: imago)

Hannover erweitert das Repertoire und punktet überraschend in Wolfsburg.

Von Jörg Marwedel, Wolfsburg

Dass Salif Sané, 24, ein lustiger Geselle ist, hatten sie schnell gemerkt bei Hannover 96, nachdem er 2013 vom französischen Klub AS Nancy nach Niedersachsen kam. Mit der Pünktlichkeit nahm es der senegalesische Nationalspieler (acht Einsätze) nicht so genau; einen Sommerurlaub trat er vor den Ferien an, ohne den Klub zu informieren. Irgendwann hatte der damalige Trainer Tayfun Korkut trotz Sanés Begabung für Zweikämpfe und Kopfbälle genug von dem talentierten, aber sprunghaften Profi und versetzte ihn in die zweite Mannschaft. Neun Monate musste Sané in der Regionalliga Disziplin üben, bis er im Dezember 2014 eine zweite Chance bekam. Vielleicht war diese Begnadigung des überkorrekten Korkut dessen beste Entscheidung in den vergangenen Monaten, obwohl sie seine Entlassung im April dann auch nicht mehr verhinderte.

Korkuts Interims-Nachfolger Michael Frontzeck und das Team haben am Samstag davon profitiert, dass Sané nicht so ist wie alle anderen. "Mutig" sei seine Entscheidung gewesen, einen Fallrückzieher im Wolfsburger Strafraum anzusetzen, befand Kapitän Christian Schulz. Eckball- spezialist Hiroshi Kiyotake hatte den Ball in der 58. Minute vor das Tor geschlagen, VfL-Stürmer Bas Dost hatte seine Abwehraufgabe erledigt, indem er die Flanke aus dem Fünfmeterraum köpfelte. Allerdings nur bis zum aufgerückten 96-Defensivspieler Sané. Und der setzte den Ball rückwärts in einem weiten Bogen zum 2:2 in die Ecke des Wolfsburger Tores - unhaltbar für VfL-Keeper Diego Benaglio.

"I tried", sagte Sané, "ich habe es versucht, und plötzlich lag der Ball im Tor." Mit diesem Treffer, der nur zehn Minuten nach dem Kopfball zum 2:1 durch seinen eingewechselten Freund Jimmy Briand fiel, hat Sané auch ein wenig am Ruf seines neuen Chefs gearbeitet. Frontzeck hatte ja bisher keineswegs das Image des Retters. Nun hat er zwar auch nicht das 15. sieglose Spiel der 96er verhindern können und den Sturz in die Abstiegszone. Doch er hat in der Pause nach einem verdienten 0:2-Rückstand durch Dost und Ivan Perisic Zeichen der Änderung gesetzt.

In der Kabine gibt es Beifall für Trainer Frontzeck

Er wurde nicht nur laut in der Kabine ("So können wir nicht weitermachen"), er hat den extrem farblosen Stürmer Joselu durch Briand und den extremen Fehlpassproduzenten Leon Andreasen durch den offensiveren Kenan Karaman ersetzt. Korrekturen, die sein oft zögerlicher Vorgänger Korkut vermutlich kaum vorgenommen hätte. Und da Frontzeck in der kurzen Zeit viele Gespräche mit den Profis führte, hatte er erfahren, dass Briand (der von Korkut nur auf den Flügeln eingesetzt wurde, obwohl er nicht der Schnellste ist), in Frankreich bei Rennes und Lyon mehr im Zentrum spielte. Dass dort gut aufgehoben ist, hat er in Wolfsburg bewiesen.

Es war jedenfalls bemerkenswert, wie das in der ersten Halbzeit verunsicherte 96-Team, das 30 Minuten lang von den Wolfsburgern mit ihren Flügelwechseln vor sich hergetrieben wurde wie eine Gruppe von Grünschnäbeln, plötzlich etwas entgegenzusetzen hatten. Sogar der Sieg der Hannoveraner war möglich. In der 84. Minute tauchte Kiyotake allein vor Benaglio auf, in der Nachspielzeit Edgar Prib. Bevor Benaglio mit seinem Bein den nicht sehr torjägermäßig geschossenen Prib-Ball abwehrte, war der ausgewechselte Leon Andreasen in Vorfreude "schon auf den Platz gelaufen", wie er selbst beschrieb.

Während die Wolfsburger nun vor allem die personelle Weiterentwicklung ihrer Mannschaft planen und sich auf den vermutlichen Zugang Max Kruse aus Mönchengladbach freuen können, steht für Hannover das nächste Endspiel an gegen den Nord-Rivalen Werder Bremen. Trainer Frontzeck hat neben dem einen Zähler auch bei den 96-Profis ein paar Sympathiepunkte gesammelt. Als er nach dem Spiel in der Kabine eine Ansprache hielt ("Riesen-Kompliment, so wie in der zweiten Halbzeit müssen wir auftreten"), klatschten die Spieler.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: